Die innere Uhr und der Stoffwechsel
Die Chrononutrition ist ein noch junges Forschungsfeld, das untersucht, wie die Tageszeit der Nahrungsaufnahme unseren Stoffwechsel, die Aufnahme und Verwertung von Nährstoffen sowie die Gesundheit insgesamt beeinflusst. Im Mittelpunkt steht die Erkenntnis, dass nicht nur die Lebensmittelauswahl, sondern auch der Zeitpunkt der Mahlzeiten eine entscheidende Rolle spielt, etwa bei der Entstehung von Übergewicht und Diabetes.
Unsere innere Uhr – der sogenannte zirkadiane Rhythmus – steuert zum Beispiel zahlreiche biologische Prozesse wie die Hormonproduktion, Körpertemperatur und den Blutzuckerspiegel und sorgt dafür, dass diese zu bestimmten Tageszeiten besonders aktiv sind. Beispielsweise ist der Stoffwechsel morgens und mittags leistungsfähiger, während er abends herunterfährt. Das bedeutet auch, dass der Körper Nährstoffe am Vormittag besser verwerten kann als am späten Abend. Kein Wunder also, dass sich Essen entgegen diesem inneren Zeitplan ungünstig auswirken kann.
Studien zeigen, dass Personen, die ihre Hauptmahlzeit spät am Tag zu sich nehmen, ein höheres Risiko für Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes haben. Im Gegensatz dazu kann das Einhalten eines regelmäßigen Mahlzeitenplans, der sich an den natürlichen zirkadianen Rhythmen orientiert, das Risiko für solche Erkrankungen senken.
Darüber hinaus fördern ein regelmäßiger Essensrhythmus einen gesunden Schlaf, da Verdauungsprozesse nicht in die Nacht hineinreichen, und unterstützt zudem Konzentration und geistige Klarheit.
Lerche oder Eule? Nicht jeder hat den gleichen Rhythmus
Nicht bei allen Menschen tickt allerdings die innere Uhr gleich. So ist sie maßgeblich an den individuellen Schlaf-Wach-Rhythmus angepasst. Die sogenannten „Eulen“, die morgens gerne etwas länger in den Federn liegen, essen alle Mahlzeiten zu späteren Zeitpunkten und verzichten auch durchaus mal auf das Frühstück. Das führt dazu, dass abends häufiger größere Kalorienmengen zu sich genommen werden. Ein Zeitpunkt, bei dem das Essen bereits eh leichter zu Übergewicht führen kann und der Blutzuckerspiegel stärker ansteigt.
Die „Lerchen“ sind hingegen Frühaufsteher und bereits morgens aktiv. Für sie ist das Frühstück besonders wichtig. Aufgrund des früheren Starts in den Tag essen die Lerchen im Tagesverlauf ihre Mahlzeiten deutlich zeitiger.
Untersuchungen zeigen, dass das Risiko für Eulen, an Übergewicht zu erkranken, deutlich höher ist. Zudem konnten Forschende am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) feststellen, dass die Zellen von Spätessern schlechter auf Insulin ansprechen und somit den Blutzuckerspiegel nicht so gut regulieren können. Dies kann zu einer Insulinresistenz führen, die typisch ist für Diabetes mellitus Typ 2.
Besonders wenn Lerchen und Eulen regelmäßig gegen ihren zirkadianen Rhythmus essen, also Eulen bereits in frühen Stunden ein ausgiebiges Frühstück zu sich nehmen oder Lerchen erst sehr spät Abendessen kann sich das ungünstig auf Gewicht und Gesundheit auswirken. So verarbeitet beispielsweise der Stoffwechsel von Eulen Kohlenhydrate früh morgens genauso schlecht wie in den späten Abendstunden. Daher ist für die Eulen ein Frühstück in der frühen Mittagszeit deutlich sinnvoller. Bei Lerchen ist dies andersherum. Ein spätes Abendessen schlägt hier noch mal mehr zu Buche als ein ausgiebiges Frühstück im Morgengrauen.
Das richtige Zeitfenster für Mahlzeiten
Beim Prinzip der Chrononutrition wird schnell klar, dass neben einer gesunden und ausgewogenen Lebensmittelauswahl auch das richtige „Essenszeitfenster“ nicht zu vernachlässigen ist. Idealerweise sollte dies auf maximal zwölf Stunden begrenzt werden, sodass zwischen der letzten Mahlzeit und dem Schlaf ausreichend Zeit für die Verdauung bleibt. Die in der Regel recht kohlenhydratreiche Hauptmahlzeit sollte am besten zwischen dem frühen Morgen und dem späten Nachmittag zu sich genommen werden, denn dann ist der Stoffwechsel am aktivsten. Vergleichbar ist diese Ernährungsweise mit dem Intervallfasten, geht aber noch deutlich weiter. Denn der Beginn und das Ende des Essenszeitfensters sollten an den natürlichen individuellen Tagesrhythmus des Körpers angepasst werden.
„Morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein König und abends wie ein Bettler“
- Beginnen Sie den Tag mit einem ausgewogenen Frühstück, das reich an Proteinen (z.B. Milch, Quark, Joghurt, Pflanzendrink) und komplexen Kohlenhydraten (z.B. Vollkornbrot, Haferflocken) ist. Das sorgt für Energie, kurbelt den Stoffwechsel an und unterstützt so die Leistungsfähigkeit.
- Legen Sie das Mittagessen in die Mittagsstunden, wenn der Stoffwechsel besonders effizient arbeitet. Auch hier sollte reichlich Gemüse, Vollkornprodukte, mageres Fleisch (z.B. Hähnchen, Pute) oder Fisch oder pflanzliche Proteine wie Hülsenfrüchte (z.B. Linsen, Bohnen, Kichererbsen) oder Tofu auf dem Teller liegen.
- Halten Sie das Abendessen leicht und nehmen Sie es möglichst früh ein, idealerweise vor 19 Uhr. So wird der Körper in der Ruhephase nicht belastet. Gedünstetes Gemüse mit Hummus, ein gemischter Salat mit Kichererbsen und Feta, eine Tomatensuppe mit frischen Kräutern oder ein Vollkornbrot mit Avocadocreme oder Roastbeef-Aufschnitt sind nur einige Inspirationen für das Abendessen. Stark fetthaltige Käse- oder Wurstsorten sollten am Abend eher gemieden werden, um das Abendessen leicht zu halten.
- Gute Tipps für eine gesunde und ausgewogene Ernährung findet man auch in den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.
- Vermeiden Sie Snacks und Mahlzeiten spät am Abend oder in der Nacht, da der Körper dann auf „Ruhemodus“ geschaltet ist und Nährstoffe schlechter verarbeitet werden.
- Achten Sie auf regelmäßige Essenszeiten, um die innere Uhr nicht aus dem Takt zu bringen.
Chrononutrition birgt auch Herausforderungen
Die Umsetzung der Chrononutrition im Alltag kann durch Schichtarbeit, soziale Verpflichtungen oder in Familien mit unterschiedlichen Tagesabläufen besonders herausfordernd sein. Schichtarbeit führt oft zu unregelmäßigen Essenszeiten und stört den natürlichen zirkadianen Rhythmus, was eine optimale Anpassung der Mahlzeiten an die innere Uhr erschwert. Auch in Familien mit unterschiedlichen Arbeits- oder Schulzeiten fällt es schwer, gemeinsame Mahlzeiten im empfohlenen Zeitfenster einzuhalten. Zudem verlangen soziale Verpflichtungen und der Alltag oft flexible Essenszeiten, was die konsequente Einhaltung der Chrononutrition-Regeln behindert. Dennoch zeigen aktuelle Forschungsprojekte, dass schon kleine Anpassungen – wie ein früheres Abendessen und weniger späte Snacks – positive Effekte haben können. Auch eine professionelle zertifizierte Ernährungsberatung kann bei einer angepassten Mahlzeitenplanung behilflich sein.
Generell gilt die Chrononutrition als ein vielversprechender Ansatz, um Prävention und Therapie von Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen zu unterstützen. (sie)
Stand: Mai 2025