Ein geöffneter Karton, darüber mehrere Fragezeichen

Mysteryboxen – Dem Geheimnis auf der Spur

In Hessen erfreuen sich Automaten, an denen man sogenannte Mysteryboxen oder Secret Packs kaufen kann, zunehmender Beliebtheit. Für etwa zehn bis 15 Euro kann man daran eine Überraschung in Form von Elektrogeräten, Haushaltswaren oder anderen kuriosen Fundstücken ziehen. Der Inhalt bleibt so lange ein Geheimnis, bis die Box geöffnet wird – ein echtes Abenteuer für Schnäppchenjäger und Neugierige.

Einfach mal ausprobiert!

„Probieren geht über Studieren“, sagt der Volksmund zu Recht. Wir wollen unsere Leserschaft in loser Folge an unseren Erfahrungen teilhaben lassen. Unser Redaktionsteam schildert eigene Eindrücke aus dem Verbraucheralltag hier ganz persönlich und ohne Filter. Für diese Folge hat sich unsere Redakteurin Anne-Kathrin Siebert auf geheime Mission begeben: In Gießen steht seit neuestem ein Secret-Pack-Automat! Was da heraus kam? Lassen Sie sich überraschen!

Mysteryboxen – mal ein echter Glücksgriff, mal eher ein Gag

Die Idee hinter Mysteryboxen ist simpel, aber vor allem spannend: Man kauft ein versiegeltes Paket aus einem Automaten, dessen Inhalt man erst nach dem Öffnen sieht.

Der Inhalt kann stark variieren – von Elektrogeräten, Haushaltswaren, Kosmetik, Schmuck und Kleidung bis hin zu kuriosen oder originellen Artikeln ist alles möglich. Die Qualität der Produkte reicht von No-Name bis Markenware. Einige Kunden berichteten von hochwertigen Funden wie Silberketten oder Smartphones. Allerdings gibt es auch Berichte über weniger wertvolle Artikel, was die Spannung und den Nervenkitzel erhöht. Die Boxen kosten meist um die zehn Euro. Zu finden sind die Automaten oft an belebten Orten wie Einkaufszentren, Tankstellen oder Bahnhöfen in immer mehr hessischen Ortschaften.

Wie kommen die Sachen in die Mysterybox-Automaten?

Die Mysteryboxen enthalten häufig Artikel, die im regulären Handel nicht mehr verkauft werden können – ohne jedoch defekt oder unbrauchbar zu sein. Diese Produkte finden auf unterschiedliche Weise ihren Weg in die Automaten:

  • Retouren großer Online-Händler

Wenn Kunden Produkte zurückschicken, können diese nicht immer erneut verkauft werden – z. B. wegen einer beschädigten Verpackung, leichten Gebrauchsspuren oder entfallener Etiketten. Diese Waren werden dann als sogenannte B-Ware weiterverkauft – oft in großen Mengen an hierauf spezialisierte Restposten-Händler.

  • Nicht zugestellte oder nicht abgeholte Pakete

Manche Pakete erreichen den Kunden nie: Etwa, wenn die Adresse falsch war oder das Paket im Paketshop nicht abgeholt wurde. Nach Ablauf der Lagerfrist gehen diese Sendungen an den Absender zurück – oder landen bei Verwertungsfirmen, die unzustellbare Sendungen in großen Mengen aufkaufen.

  • Überproduktion oder Lagerüberhänge

Andere Produkte stammen auch aus überschüssiger Produktion oder aus dem Lagerbestand von Firmen, die ihre Waren nicht mehr regulär verkaufen können oder wollen. Diese werden oft stark rabattiert an Groß- oder Zwischenhändler weitergegeben.

Wer betreibt die Mysterybox-Automaten?

Die Betreiber der Mysterybox-Automaten sind meist spezialisierte Unternehmen, die sich auf den Verkauf von Retouren und Restposten aus dem Handel konzentrieren. Diese Firmen kaufen große Mengen der Rücksendungen, unzustellbaren Pakete oder Überproduktionen auf und stellen die Produkte als Überraschungspakete zusammen, die dann in den Automaten verkauft werden.

Aufgepasst: Unseriös werden die Automaten, wenn nicht eindeutig ermittelt werden kann, wer der Betreiber des Automaten ist. Findet sich an den Automaten kein Kontakt, sollte man besser die Finger davon lassen. Zudem dürfen die Mysteryboxen keine unsicheren oder gar gefährlichen Produkte beinhalten, ansonsten verstößt hat der Betreiber gegen die Verordnung (EU) 2023/988 über die allgemeine Produktsicherheit (GPSR-VO).

Adressen werden unkenntlich gemacht

Automaten-Betreiber sind dazu verpflichtet, den Datenschutz der ursprünglichen Paketempfänger zu gewährleisten. Dies erfolgt in der Regel durch das Unkenntlichmachen der Adressaufkleber mit einem schwarzen Marker oder Spray. Oftmals werden auch die Rechnungen entfernt, um sicherzustellen, dass keine personenbezogenen Daten mehr sichtbar sind.

Was macht die Automaten so beliebt?

Der Erfolg der Automaten basiert auf mehreren Faktoren:

  • Überraschungseffekt: Ähnlich wie bei einem Rubbellos oder einem Ü-Ei weiß man nie, was man bekommt.
  • Soziale Medien: Auf TikTok, Instagram und YouTube zeigen Nutzer ihre "Unboxings", kommentieren die Inhalte und feiern besonders gelungene Funde.
  • Nachhaltigkeit: Einige Käufer sehen darin auch einen Beitrag zur Wiederverwertung von Retouren, die sonst womöglich vernichtet würden.
  • Günstiger Preis: Für zehn Euro ein Produkt mit höherem Wert zu erhalten, ist besonders reizvoll – auch wenn es nicht immer klappt.

Rückgabe und Widerruf

Für Reklamationen der Pakete sind die Automaten-Betreiber zuständig. Ein gesetzliches Recht auf Rückgabe oder Umtausch, falls die Ware Ihnen nicht zusagt, gibt es an den Automaten aber nicht. Lediglich wenn die Ware defekt ist, können Sie diese im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung reklamieren. Detaillierte Informationen dazu müssen direkt am Automaten deutlich sichtbar angebracht sein.

Hat der eigentliche Empfänger noch Anrecht auf sein Paket?

Secret Packs und Mysteryboxen bestehen aus Retouren oder Paketen, die nicht zugestellt werden konnten. Das bedeutet, dass der ursprüngliche Empfänger nie Eigentum an der Ware erlangt und dementsprechend kein Anrecht auf das Paket hat.

Selbstversuch: Ich lasse mich überraschen!

Vom Suchen und Finden eines Automaten

Nun wollte ich auch endlich mal wissen, was es mit den geheimen Paketen aus den mysteriösen Automaten auf sich hat. Mein Smartphone gibt garantiert zeitnah den Geist auf und gegen ein paar neue Kopfhörer habe ich auch nichts einzuwenden. Wäre doch perfekt, wenn ich mit etwas Glück einfach eins davon aus dem Automaten ziehe… „für einen Appel und ein Ei“.

Hätte ich jedoch nicht vor kurzem erst in der hiesigen Tageszeitung gelesen, dass es nun auch einen Mysterybox-Automaten in der Gießener Innenstadt gibt, wäre ich vermutlich blind daran vorbeigelaufen. Etwas versteckt, in dem ehemaligen Eingang eines Eiscafés, steht das gute Stück.

Wer herausfinden möchte, wo in der nächsten Nähe die Secret Packs aus den Automaten gezogen werden können, muss recht aktiv werden. Eine virtuelle Karte für Hessen suche ich im Internet vergebens. Erst nach längerer Internetrecherche, einigen Online-Zeitungsartikeln und Mithilfe von Instagram findet man auch weitere Automaten in Frankfurt, Cölbe oder Fulda. Ich sehen es einfach mal als nette Verkaufsstrategie: Nicht nur die enthaltenen Pakete sind geheimnisumwoben, auch die Standorte der Automaten bleiben ein Mysterium.

Mysterybox-Automat mit Päckchen hintern den Türchen

12 Euro fürs große Glück?

Der Automat in der Gießener Innenstadt hat kleine verglaste Türchen, sodass man sich die Pakete von außen anschauen kann. Ob das die Wahrscheinlichkeit erhöht, die Jackpot-Mysterybox aus dem Automaten zu ziehen? Anhand der Formen könnte man schließlich auf die Inhalte schließen. Neben kleineren flachen Verpackungen gibt es zum Beispiel voluminös zusammengeschnürte Pakete… die Spannung steigt.

Tatsächlich ist der Automat schon ganz schön geräubert, viele der Türchen sind bereits leer. Ich bin offensichtlich nicht die einzige neugierige Person in Gießen und kann mich nur noch für Pakete zwischen 12 und 15 Euro entscheiden. Ich entscheide mich für das größte 12-Euro-Paket, was sich noch im Automaten befindet. Bezahlen kann ich mit Karte oder in bar. Das Ganze erinnert mich ein bisschen an Snackautomaten an Bahnhöfen oder Kantinen. Nach abgeschlossenem Bezahlvorgang öffnet sich das von mir ausgewählte Türchen.

Päckchen aus dem Mysterybox-Automaten

Die Spannung steigt

Da ich um die Mittagszeit vor dem Automaten stehe, bemerke ich, dass die Cafébesucher nebenan mich interessiert beobachten. Scheint so, als würde es sie nun auch brennend interessieren, was ich da Mysteriöses gekauft habe. Mir ist das Ganze aber doch etwas unangenehm, daher lächele ich den Schaulustigen kurz zu und verstaue die Mysterybox in meinem Rucksack. Mit dem Inhalt beschäftige ich mich dann doch lieber zuhause.

Mysteriöser Inhalt mit Wert?

Dort angekommen platze ich fast vor Neugier und reiße das Paket noch im Hausflur auf. Was mir entgegenfällt, ist allerdings ein weiteres Mysterium: Eine pinke Perücke, eine rot-glänzende Plastikjacke, eine gestreifte Leggings, ein Shirt mit riesengroßer Kapuze und einige andere undefinierbare Dinge, die wie Schärpen oder Stirnbänder aussehen. Etiketten an den Einzelteilen verraten: Ich habe ein Cosplay-Kostüm erworben. Unter Cosplay versteht man eine japanische Fanpraxis für Manga, Anime, Computerspiel- und Comicfiguren. Das Wort „Cosplay“ setzt sich dabei aus „costume“ (Kostüm) und „play“ (Spiel) zusammen. Fans der speziellen Zeichentrickfiguren verkleiden sich dabei als diese und versuchen so originalgetreu wie möglich auszusehen.

Mit Cosplay habe ich nun wirklich gar nichts am Hut. Selbst Fasching ist mir als gebürtige Norddeutsche schon zu absurd. Dennoch hat mich der Wert des Kostüms interessiert. Mittels kurzer Internetrecherche und dank KI konnte ich immerhin herausfinden, dass ein Comicfan wirklich Tränen in den Augen hätte, wenn er wüsste, welchen Schatz ich da erworben habe. Satte 95 Euro soll meine neue Verkleidung bei bekannten Online-Versandhäusern nämlich kosten!

Ich sollte dem Karneval wohl doch nochmal eine Chance geben… Vielleicht gibt es meine Erlebnisse als frischgebackene Jeckin dann ja in einer neuen Ausgabe der Kolumne „Einfach mal ausprobiert!“ im Verbraucherfenster nachzulesen.

Inhat aus der Mysterybox: Cosplaykostüm, Perücke, Jacke, Hose, T-Shirt mit Kapuze, Schärpen, Gürtel

(sie)

Stand: Mai 2025

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