Nicht hinter jeder Bewertung steckt ein Mensch
Maßgeblich für eine Kaufentscheidung im Internet (zum Beispiel bei Hotel-, Flug- und Reisebuchungen auf entsprechenden Portalen, bei Versandhändlern oder der Buchung einer Dienstleistung) sind oft die Bewertungen durch andere Kunden. Kaufinteressenten erwarten hier eine unabhängige Einschätzung der Produkteigenschaften oder der Dienstleistungsqualität. Das bestehende Vertrauen in die Schwarmintelligenz wird allerdings durch unlautere Praktiken von Unternehmen gezielt missbraucht. Sie manipulieren die eigenen Kundenbewertungen mit gefälschten positiven Aussagen.
Diese Methoden finden dabei Anwendung:
- Es können Bewertungen von den eigenen Mitarbeitern abgeben werden.
- Auch möglich sind Zugeständnisse wie Rabattprogramme oder Zahlungen an Kunden, die eine wohlwollende Bewertung hinterlassen.
- Agenturen können beauftragt werden, Bewertungen zu verfassen. Dazu setzen diese Agenturen auch Social Bots ein, die nach dem jeweiligen AlgorithmusÖffnet sich in einem neuen Fenster automatisch Beiträge generieren. Social Bots sind von Menschen programmierte Computerprogramme, die eine menschliche Identität vortäuschen und zu manipulativen Zwecken eingesetzt werden, indem sie wie Menschen im Internet kommunizieren. Sie suchen in sozialen Netzwerken eigenständig nach Themen, verbreiten Beiträge weiter und geben Kommentare ab, die so aussehen wie Posts von real existierenden menschlichen Nutzern.
- Produkt- und Anbieterbewertungen sind durchmischt, sodass es für den Verbraucher unübersichtlich ist, welche Bewertungen sich genau auf das ausgewählte Produkt beziehen.
- Produkte haben eine „5 Sterne“-Bewertung, obwohl noch kein Kunde eine Beurteilung abgegeben hat.
Anhand der äußeren Aufmachung unterscheiden sich falsche Bewertungen nicht von echten. Das gleiche Aussehen ist gerade Ziel der Maßnahme.
Diese Beeinflussung von Bewertungen verstößt gegen die Lauterkeitsregeln im Wettbewerb. Die falschen Bewertungen geben nur den Anschein von Objektivität, in Wirklichkeit stellen sie getarnte Werbung dar. Letztlich steigert die Anzahl positiver Bewertungen die Sichtbarkeit von Produkten und erhöht damit die Chance, dass Kaufwillige unvermittelt zugreifen. Davon abgesehen, sollen falsche Bewertungen Vertrauen bilden, damit Verbraucher sich zum Kauf entschließen.
Gesetz soll mehr Transparenz bringen
Seit 2022 gibt es eine GesetzesänderungÖffnet sich in einem neuen Fenster, die besagt, dass Onlineportale darüber informieren müssen, ob und wie sie gewährleisten, dass Rezessionen von Verbrauchern stammen, die die Produkte und Dienstleistungen tatsächlich auch verwendet und erworben haben. Auch müssen sie Informationen zur Verfügung stellen, wie mit Kundenbewertungen umgegangen wird, zum Beispiel nach welchen Gesichtspunkten Bewertungen ausgesondert und ob positive als auch negative Beurteilungen veröffentlich werden.
Manche Onlineportale veröffentlichen auch Rezensionen externer Bewertungsportale auf ihren Seiten. Auch in diesem Falle gilt: Die Onlineportale müssen informieren, wie sie die Echtheit der Bewertungen prüfen.
Die Gesetzesänderung betrifft auch Influencer und Blogger auf Plattformen wie Instagram, Facebook, Youtube oder Tiktok. Werden hier Produkte vorgestellt, für die es von den Herstellern finanzielle Zuwendungen gab, müssen die entsprechenden Beiträge als Werbung markiert werden.
Laut einer AnalyseÖffnet sich in einem neuen Fenster des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) von 2023 setzt allerdings die Mehrheit der überprüfen Onlineportale diese Informationspflichten nicht ausreichend um. Der vzbv prüft daher die Einleitung von Unterlassungsverfahren oder hat bereits Onlineportale abgemahnt.
Tipps zum Umgang mit Bewertungen
- Produktvergleich: Es kann hilfreich sein Waren und Dienstleistungen unterschiedlicher Anbieter auf mehreren Internetseiten zu vergleichen. Finden sich wortgleiche Rezensionen von Nutzern auf unterschiedlichen Webseiten zum gleichen Produkt, sollte man hellhörig werden.
- Lob in höchsten Tönen: Werden Produkte besonders auffällig gelobt, ist Misstrauen angebracht. Detaillierte Beschreibungen oder kritische Nutzermeinungen geben eher die Wahrheit wieder.
- Viele Bewertungen im Akkord: Gibt es Produktbewertungen, die innerhalb kürzester Zeit hintereinander erfolgt sind, kann dies auf Schummel hinweisen.
- Wenig heißt nicht schlecht: Auch wenn ein Produkt kaum bis keine Bewertungen aufweist, muss dies nicht zwangsläufig von schlechterer Qualität sein.
- Wie relevant ist der Kommentar: Ist die Bewertung des Produkts überhaupt für den Kauf entscheidend?
- Fragen kostet nichts: Besteht dennoch Zweifel an den Bewertungen, lohnt es sich bei dem jeweiligen Internetanbieter genauer nachzufragen.
- Auf seriöse Bewertungen setzen: Die Verbraucherzentrale, Stiftung Warentest und andere seriöse Prüfinstitute testen und bewerten zuverlässig und transparent Produkte und Dienstleistungen.
Verbraucherzentralen helfen bei Wettbewerbsverstößen
Die Verbraucherzentralen können gegen Wettbewerbsverstöße vorgehen, indem sie die wettbewerbswidrig handelnden Unternehmen auf Beseitigung oder bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Um wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen Unternehmen durchsetzen zu können, sind die Verbraucherzentralen auf die aktive MithilfeÖffnet sich in einem neuen Fenster von Betroffenen angewiesen. Die Hinweise auf Wettbewerbsverstöße müssen möglichst genau formuliert und zur Beweisführung geeignet sein. Häufig gestalten sich das Ermitteln und die Inanspruchnahme der eigentlichen Urheber recht schwierig.
Ausführliche Informationen zum Thema hält die Verbraucherzentale Hessen hierÖffnet sich in einem neuen Fenster bereit. (sie)
Stand: Januar 2024