Worum geht es bei den Entscheidungen?
Geklagt hat hier der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen die Streamingdienste Spotify und Netflix wegen von ihnen verwendeter Preisanpassungsklauseln. Diese Preisanpassungsklauseln sahen vor, dass die Beklagten die Entgelte bei gestiegenen Gesamtkosten einseitig nach oben anpassen können. Zu diesen Gesamtkosten zählen beispielsweise Produktions- und Lizenzkosten, Personal-, Verwaltungs- und Finanzierungskosten sowie Steuern, Gebühren und sonstige Abgaben. Die Preisanpassungsklauseln der Beklagten sahen jedoch weder ein Zustimmungserfordernis der Kundinnen oder Kunden noch eine Preisanpassungsmöglichkeit nach unten vor.
Das Landgerichts (LG) Berlin hat dem Kläger in der Eingangsinstanz Recht gegeben. Gegen diese Entscheidungen haben die Beklagten Berufung zum KG eingelegt. In dieser Instanz befinden wir uns nun.
Welche Positionen vertreten die Parteien?
Die Beklagten bekräftigen hier vor allem ihren Vortrag aus der ersten Instanz. Die Gesamtkosten der Streamingdienste kenne seit jeher nur eine Richtung – und zwar die nach oben. Demnach sei die Preisanpassungsmöglichkeit nach unten überflüssig.
Der Kläger sieht dies ganz anders und bekräftigt seinen Vortrag mit der gesunkenen Mehrwertsteuer in der Corona-Krise. Dies sei ein eindeutiger Beweis dafür, dass Gesamtkosten auch sinken könnten, was dann nach den Geboten von Treu und Glauben (vergleiche § 242 BGB) auch an die Kundinnen und Kunden mit einer Preissenkung weiterzugeben wäre. Die streitgegenständlichen Preisänderungsklauseln der Beklagten benachteiligen Kundinnen und Kunden unangemessen, weshalb sie nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam seien. Außerdem sei die Zustimmung beider Vertragsparteien zu wesentlichen Vertragsänderungen – wie zum Beispiel dem Entgelt – zwingend erforderlich.
Der letzten Ansicht hat sich auch das KG Berlin angeschlossen Das Recht der Kundinnen und Kunden das Vertragsverhältnis jederzeit kündigen zu können, gleiche die Benachteiligung durch die Preisänderungsklausel nicht aus. Für Kundinnen beziehungsweise Kunden bestünde regelmäßig kein Interesse an einer Kündigung, weil sie infolge eines Anbieterwechsels ihre gespeicherten Playlists und weitere Einstellungen verlören und ein anderer Anbieter auch andere Inhalte zur Verfügung stellen würde.
Sind die Sachen höchstrichterlich entschieden?
Hier hat das KG Berlin in Berufungsverfahren entschieden. Die Revisionen zum Bundesgerichtshof (BGH) wurden nicht zugelassen. Gegen diese Nichtzulassungen haben die Beklagten Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt. Diese wurden jedoch endgültig zurückgewiesen. Somit wird es keine weiteren Entscheidungen in diesen Angelegenheiten mehr geben.
Wie wirken sich die Urteile am Ende auf die Verbraucher aus?
Verbraucherinnen oder Verbrauchern dürfen nicht mehr – wie bisher – stillschweigend Preiserhöhungen der Beklagten einseitig „untergejubelt“ werden, ohne dass ihre Zustimmung hierzu erforderlich wäre. Ein Vertrag mit Spotify oder Netflix ist somit zusehends ein Vertrag, bei dem sich die Vertragspartner auf Augenhöhe begegnen, denn es dürfen Preisänderungen nur noch mit beiderseitiger Zustimmung erfolgen. Außerdem müsste eine „Preiserhöhungsklausel“ auch die Möglichkeit einer Preissenkung enthalten
Sind die Entscheidungen gut?
Ja, Daumen uneingeschränkt nach oben. Hier wird dem Transparenzgedanken Rechnung getragen. Zusätzlich werden Verbraucherinnen oder Verbraucher vor unternehmerischer Willkür geschützt, da sie Preiserhöhungen aufgrund Erhöhungen der Gesamtkosten immer explizit zustimmen müssen und diese nicht einseitig durch die Unternehmerseite erfolgen darf.
Was kann der Verbraucher jetzt tun?
Die Verbraucherin beziehungsweise der Verbraucher sollte seine Verträge mit Spotify und Netflix sowie alle sonstigen Abonnementverträge dahingehend überprüfen, ob ihre beziehungsweise seine Zustimmung zu Preiserhöhungen eingeholt wurde oder ob man eine nach diesem Urteil rechtswidrige Klausel der Geschäftsbedingungen des Vertragspartners als Rechtsgrundlage für die Preiserhöhung heranziehen möchte. Letzteres ist nach diesem Urteil unmöglich und man sollte nachdem man zwei bis drei Wochen abgewartet hat, um den Vertragspartnern die nötige Zeit für eine angemessene Reaktion auf dieses Urteil zu geben, unmittelbar Kontakt mit der Verbraucherzentrale vor Ort aufnehmen, um über das weitere Vorgehen zu beraten.
Wo sind die Urteile zu finden?
Die Urteile des KG Berlin vom 15.11.23 haben die Aktenzeichen 23 U 15/22 und 23 U 112/22.