Worum geht es bei der Entscheidung?
Geklagt hatte hier die Zentrale zur Bekämpfung des Unlauteren Wettbewerbs gegen eine Herstellerin von Fruchtgummis. Seit dem Jahr 2021 vertreibt die Beklagte ihr komplettes Sortiment mit dem zusätzlichen Aufdruck „klimaneutral“ auf den Verpackungen; so auch bei einer Werbeannonce in einer Fachzeitschrift. Gegen diese Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ wendet sich die Klägerin, hält sie für irreführend und begehrt deren Unterlassung.
Die beiden vorhergehenden Instanzen des Landgerichts (LG) Kleve und des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf haben die Klage jeweils abgewiesen. Sie hielten es für ausreichend, dass man sich über einen QR-Code weitere Informationen darüber herunterladen konnte, wie diese Klimaneutralität erreicht werde.
Gegen die Entscheidung des OLG Düsseldorf, über die ich bereits in ein einer früheren Kolumne berichtet habe, wurde das Rechtsmittel der Revision zum BGH eingelegt. In dieser Instanz befinden wir uns nun.
Welche Positionen vertreten die Parteien?
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ grundsätzlich irreführend sei. Es sei nicht klar, wie die Klimaneutralität erreicht werde. Dies könne – wie die meisten wissen – einerseits durch CO2-Einsparung unmittelbar oder andererseits durch Kompensation mittelbar erreicht werden. Die Bereitstellung von Informationen auf der Homepage eines Partnerunternehmens, die man über einen auf dem jeweiligen Produkt abgedruckten QR-Code erreichen könne, reiche nicht aus, um Klarheit darüber zu erlangen und Einfluss auf die jeweilige Kaufentscheidung zu haben. Denn nach einer neueren EU-Studie lassen sich etwa 50 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher von dem Begriff der Klimaneutralität zum Kauf eines bestimmten Produktes motivieren. Ohne nähere produktbezogene Erklärung zu diesem Begriff selbst, ist dessen Verwendung irreführend und damit unzulässig. Der Klage sei somit stattzugeben.
Die Beklagte sieht die Rechtslage hier völlig anders. Ihrer Ansicht nach bestehe kein Bedürfnis dafür, die Werbung mit dem Begriff klimaneutral zu untersagen. An die notwendigen Informationen, wie die Klimaneutralität erreicht werde, ließe sich unproblematisch über den mitabgedruckten QR-Code gelangen.
Der BGH hat sich hier der klägerischen Ansicht angeschlossen und hält die Werbung mit dem Slogan „klimaneutral“ generell für irreführend. In seiner Entscheidung führt der BGH wie folgt aus:
„Die beanstandete Werbung ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG. Die Werbung ist mehrdeutig, weil der Begriff "klimaneutral" nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen von den Lesern der Fachzeitung - nicht anders als von Verbrauchern - sowohl im Sinne einer Reduktion von CO2 im Produktionsprozess als auch im Sinne einer bloßen Kompensation von CO2 verstanden werden kann. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass im Bereich der umweltbezogenen Werbung - ebenso wie bei gesundheitsbezogener Werbung - eine Irreführungsgefahr besonders groß ist und ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen besteht. Bei einer Werbung, die einen mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff wie "klimaneutral" verwendet, muss deshalb zur Vermeidung einer Irreführung regelmäßig bereits in der Werbung selbst erläutert werden, welche konkrete Bedeutung maßgeblich ist. Aufklärende Hinweise außerhalb der umweltbezogenen Werbung sind insoweit nicht ausreichend. Eine Erläuterung des Begriffs "klimaneutral" war hier insbesondere deshalb erforderlich, weil die Reduktion und die Kompensation von CO2-Emissionen keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität darstellen, sondern die Reduktion gegenüber der Kompensation unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes vorrangig ist. Die Irreführung ist auch wettbewerblich relevant, da die Bewerbung eines Produkts mit einer vermeintlichen Klimaneutralität für die Kaufentscheidung des Verbrauchers von erheblicher Bedeutung ist.“
Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?
Hier hat der BGH in einem Revisionsverfahren abschließend entschieden. Es wird keine weitere Entscheidung in dieser Sache mehr geben.
Wie wirkt sich das Urteil am Ende auf die Verbraucher aus?
Dieses Urteil wirkt sich für Verbraucherinnen beziehungsweise Verbraucher ganz praktisch aus. Sie werden zukünftig nur noch dann mit der Werbung „klimaneutral“ konfrontiert, wenn und soweit eine Erläuterung dazu erfolgt, ob die beworbene Klimaneutralität durch tatsächliche CO2-Einsparungen in der Herstellung des Produktes oder durch Kompensation erfolgt.
Ist die Entscheidung gut?
Ja, Daumen uneingeschränkt nach oben. Der BGH greift dem Europarecht quasi voraus und stellt denkbar hohe Hürden für die Bewerbung eines Produktes mit dem Begriff „klimaneutral“ auf. Er schafft Rechtssicherheit und -klarheit, in dem er Unternehmen die Werbung mit mehrdeutigen umweltbezogenen Aussagen untersagt. Der sogenannte „Green-Deal“ der EU zeigt hier seine ersten positiven Veränderungen für Verbraucherinnen beziehungsweise Verbraucher.
Was kann der Verbraucher jetzt tun?
Man sollte sich in seiner Kaufentscheidung nicht von mehrdeutigen umweltbezogenen Werbeaussagen beeinflussen lassen. Diese sind – wie dieses Urteil zeigt – nur noch ausnahmsweise zulässig. Spätestens mit der Umsetzung der EU-Richtlinie zur „Stärkung der Rechte des Verbrauchers für den ökologischen Wandel“ zum 01.01.2026 werden sie ohnehin der Vergangenheit angehören.
Wo ist das Urteil zu finden?
Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27.06.2024 hat das Aktenzeichen X ZR 98/23.
Ausblick zum Thema
Bis zum Jahr 2026 muss eine EU-Richtlinie umgesetzt werden, die eine Werbung mit besonderen und bei näherer Betrachtung mehrdeutigen Umweltverträglichkeitsaspekten, dem sogenanntem „Green-Washing“, unmöglich machen soll. Eine Werbung mit dem mehrdeutigen Begriff der Klimaneutralität wird es ab dann ohnehin nicht mehr geben.
Stand: Juli 2024