Eingerollte Werbezeitschriften in einem Briefkastenschlitz

Verbraucher aufgepasst bei Briefkastenwerbung

Nach einem Urteil des Amtsgerichts (AG) München gilt der Hinweis auf dem Briefkasten „Bitte keine Werbung“ gleichzeitig als Aufforderung, diese nicht auf der Briefkastenanlage oder im Hausflur abzulegen.

Worum geht es bei der Entscheidung?

Es klagt hier ein Münchener Hausbewohner (Kläger) gegen ein Umzugsunternehmen (Beklagte).

Eines Tages entdeckte der Kläger an seiner Briefkastenanlage zwei Werbeflyer der Beklagten, die in einer Ritze zwischen einem Briefkasten und einem darunterliegenden Spalt der Briefkastenanlage steckten. Sämtliche Briefkästen der Briefkastenanlage waren mit der Aufschrift „Bitte keine Werbung“ versehen.

Der Kläger fordert von der Beklagten nunmehr, eine solche Werbung zu unterlassen.

Welche Positionen vertreten die beteiligten Parteien?

Der Kläger fühlt sich durch die streitgegenständliche Reklame belästigt. Die Beklagte habe die Reklame hier in rücksichtsloser Art und Weise verteilt. Durch die Botschaft „Bitte keine Werbung“ dokumentiert, legen die Hausbewohner offensichtlich keinen Wert auf Reklame in ihrem Briefkasten. Erst Recht legen sie keinen Wert auf wild irgendwo abgelegte oder dazwischen geklemmte Werbung. Letztere sei sogar noch um ein vielfaches lästiger als erstere.

Die Beklagte hält dem entgegen, dass sie diese angeblich störende Art der Verteilung von Werbeflyern nicht veranlasst und somit auch nicht zu vertreten habe. Sie habe die Weisung erteilt, Reklame nur in Briefkästen zu verteilen, auf denen sich kein „Bitte keine Werbung“ – Hinweis befindet. Außerdem sei die Briefkastenanlage der streitgegenständlichen Wohnanlage frei zugänglich, so dass es völlig willkürlich sei, sie, die Beklagte, für die streitgegenständliche Werbung verantwortlich zu machen. Dies könnte auch jeder x-beliebige Passant oder unbekannte Dritte sein.

Das AG München hat sich hier der klägerischen Sichtweise angeschlossen und einen Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Werbung des Beklagten aus §§ 823 Abs. 1, 1004, 862 BGB bejaht.

Ferner stellt das Gericht fest:

„Eine Besitzstörung ist grundsätzlich durch das Einwerfen von Werbeflyern anzunehmen, wenn wie hier erkennbar zu verstehen gegeben wird, dass der Einwurf von Werbung nicht erwünscht ist. Dem Wohnungsbesitzer steht dann das Recht aus § 862 BGB zu, sich gegen eine Beeinträchtigung seiner räumlich-gegenständlichen Sphäre durch das Aufdrängen von unerwünschtem Werbematerial zur Wehr zu setzen. Zwar wurde im vorliegenden Fall der Werbeflyer nicht in den dem Kläger zugewiesenen Briefkasten gesteckt; der Kläger wurde jedoch jedenfalls in seinem Mitbesitz an der Briefkastenanlage und am Eingangsbereich des Mehrfamilienhauses gestört.“

Der Verweis des Beklagten auf möglicherweise verantwortliche Dritte, was aber nicht zu beweisen ist, wird vom Gericht als unbeachtliche Schutzbehauptung angesehen. Das Gericht hält den Anscheinsbeweis für erbracht, dass die Beklagte für die streitgegenständliche Werbung an der Briefkastenanlage verantwortlich ist.

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

Nein, hier hat das Amtsgericht München erstinstanzlich entschieden. Eine Berufung gegen dieses Urteil wäre grundsätzlich noch möglich. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass die Beklagte gegen dieses Urteil noch ein Rechtsmittel einlegen wird. Zum einen konnte die Beklagte vor dem Amtsgericht bereits erfahren, dass die Gerichte in Sachen ungewollter Briefkastenwerbung auf Seiten der Verbraucher stehen. Zum anderen spricht nichts dafür, dass sich ein anderes Gericht plötzlich auf die Unternehmerseite schlagen könnte und dem erklärten Willen des Verbrauchers, keine Werbung bekommen zu wollen, doch keine so hohe Bedeutung beimessen wird.

Wie wirkt sich das Urteil am Ende auf die Verbraucher aus?

Dieses Urteil hat eine ganz praktische Auswirkung für den Verbraucher: Die auf einem Briefkasten angebrachte Aufforderung „Bitte keine Werbung“ bezieht sich auch auf die zum Briefkasten gehörende Briefkastenanlage und im näheren Umfeld gelegene Ablagemöglichkeiten.

Das einmal von Verbraucherseite ausgesprochene Werbeverbot darf von Unternehmerseite nicht dadurch umgangen werden, dass die Werbeflyer nicht unmittelbar im, sondern in der näheren Umgebung des Briefkastens platziert werden.

Ist die Entscheidung gut?

Ja, Daumen uneingeschränkt nach oben. Durch dieses Urteil wird die Privatsphäre der Verbraucherinnen und Verbraucher vor unternehmerischen Zugriffen geschützt.

Der autonome Verbraucherwille, keine Werbung bekommen zu wollen, wird durch dieses Urteil gestärkt. Gleichzeitig wird der unternehmerischen Willkür, trotz einer entgegenstehenden Erklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher, Werbung doch noch irgendwie verteilen zu wollen, ein Riegel vorgeschoben.

Was kann der Verbraucher jetzt tun?

Man sollte es als Verbraucher genau beobachten, ob dem eigenen durch Zusatz oder ohne Zusatz dokumentierten Willen, Werbung erhalten zu wollen, entsprochen wird.

Sollte sich hieran signifikant häufig nicht gehalten werden, so empfehle ich, Kontakt mit der Verbraucherzentrale vor Ort aufzunehmen, damit über die weiteren, dann notwendigen Maßnahmen beraten werden kann (zum Beispiel: Abmahnung, strafbewehrte Unterlassungserklärung oder Klage).

Wo ist das Urteil zu finden?

Das Urteil des AG München vom 18.03.2023 hat das Aktenzeichen Az 142 C 12408/21.

Stand: März 2023

Autor

„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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