Eine junge Frau hält ein rundes Schild mit dem Facebook Logo-Buchstaben f vor ihr Gesicht

Aufgepasst beim Schmerzensgeldklagen gegen Meta (Facebook)

Nach einer Leitentscheidung des OLG Hamm wurden zwar Datenschutzverstöße von Meta (Facebook) bejaht, ein konkreter Schmerzensgeldanspruch einer betroffenen Nutzerin allerdings verneint.

Worum geht es bei der Entscheidung?

Hier hatte eine Nutzerin von Facebook (Klägerin) gegen den Facebook Mutterkonzern Meta (Beklagter) vor dem OLG Hamm auf Schmerzensgeld geklagt. Sie verlangte 1.000 Euro nach Artikel 82 DS-GVO (Datenschutzgrundverordnung).

Hintergrund dieses Rechtsstreits ist, dass Unbekannte im Jahr 2021 Daten von circa sechs Millionen deutschen Facebook-Nutzern gesammelt und im Darknet veröffentlicht hatten (sog. „Scraping“). Darunter befanden sich unter anderem Namen, Telefonnummern und Geschlecht. Es ist hier zunächst die Frage, ob Meta gegen die Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) verstoßen hat. Und dann, ob ein solcher Verstoß diese automatisch auch dazu verpflichtet, an Nutzerinnen beziehungsweise Nutzer Schmerzensgeld zu zahlen.

In der Eingangsinstanz vor dem Landgericht Bielefeld war die Klägerin bereits unterlegen. Gegen diese Entscheidung hat sie Berufung zum OLG Hamm eingelegt. In dieser Instanz befinden wir uns nun.

Welche Positionen vertreten die Parteien?

Die Klägerin ist hier der Ansicht, dass der Beklagte gegen die Vorschriften der DS-GVO verstoßen habe. Durch den (oben beschriebenen) „Datenklau“ sei bei ihr ein Gefühl des Kontrollverlustes, des Beobachtetwerdens und der Hilflosigkeit entstanden. Für diesen ihr entstandenen immateriellen Schaden (Schmerzen) sei eine angemessene Entschädigung in Höhe von 1.000 Euro zu zahlen.

Der Beklagte sieht die Rechtslage hier komplett anders. Zum einen habe er bereits einiges zur Datensicherheit und insbesondere zum Schutz sensibler persönlicher Daten getan. Zum anderen könne er doch nicht für das strafbare Dazwischentreten unbefugter Dritter haftbar gemacht werden.

Das OLG hat zwar hier einen Verstoß von Meta gegen die DS-GVO bejaht. Insbesondere habe der Beklagte keine naheliegenden Maßnahmen ergriffen, um weiteren unbefugten Datenzugriff zu verhindern. Einen immateriellen Schaden der Klägerin sieht das OLG jedoch nicht und hat die Klage somit abgewiesen. Zwar sei eine Entschädigung für immaterielle Schäden ähnlich einem Schmerzensgeld auch nach der DS-GVO möglich (vgl. Artikel 82 DS-GVO). Jedoch müsse dieser immaterielle Schaden konkret dargelegt werden. Ein Verstoß gegen die DS-GVO alleine reicht hierbei nicht aus; es müssen darüber hinausgehende persönliche und psychologische Beeinträchtigungen vorliegen.

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

Hier hat das OLG Hamm in einem Berufungsverfahren zweitinstanzlich entschieden. Die Revision zum Bundegerichtshof (BGH) wurde - nicht zuletzt aufgrund des mit 3.000 Euro sehr niedrigen Streitwertes – nicht zugelassen. Es wird somit keine weitere Entscheidung in dieser Angelegenheit mehr geben, es sei denn, die Klägerin reicht Nichtzulassungsbeschwerde ein (§ 44 ZPO); was jedoch auch wegen des geringen Streitwertes nicht zu erwarten ist.

Wie wirkt sich die Entscheidung am Ende auf den Verbraucher aus?

Die Verbraucherin beziehungsweise der Verbraucher sollte sich darüber im Klaren sein, dass die deutsche Rechtsordnung nicht leichtfertig Schmerzensgeldansprüche zubilligt. Allein die abstrakte Verletzung von Vorschriften der DS-GVO reichen hierfür nicht aus.

Es muss auch immer eine besondere persönliche oder psychologische Beeinträchtigung nachgewiesen werden. Diese muss dann über ein bestimmtes „Bagatell-Maß“ hinausgehen. Erst dann macht es Sinn, Schmerzensgeld bei Verstößen gegen die DS-GVO zu fordern.

Ist die Entscheidung gut?

Ja. Daumen uneingeschränkt nach oben. Auf der einen Seite ist es sicher fraglich, ob eine kleinere Schmerzensgeldzahlung dem Meta-Konzern bei einer Marktkapitalisierung von circa 780 Milliarden Euro finanziell überhaupt treffen würde.

Auf der anderen Seite ist es aber sicher richtig, dass man es der Verbraucherin beziehungsweise dem Verbraucher nicht gestattet, für jede beliebige Rechtsverletzung unterhalb der Bagatellgrenze einen immateriellen Schadensersatzanspruch (Schmerzensgeld) zuzugestehen. Wenn man sich hier auf einen anderen Standpunkt stellen würde – als es das OLG tut – würde man die finanzielle Leistungsfähigkeit der Unternehmen gehörig ins Wanken bringen. Denn nicht alle Unternehmen sind mit einer bereits oben erwähnten, beruhigenden Marktkapitalisierung von 780 Milliarden Euro ausgestattet.

Was kann der Verbraucher jetzt tun?

Verbraucherinnen beziehungsweise Verbraucher sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie zwar grundsätzlich auch immaterielle Schäden nach der DS-GVO ersetzt bekommen. Einen konkreten Nachweis für diese Schäden müssten sie dann – und das stellt dieses Urteil fest - schon erbringen. Somit sollten Arztbefunde und ärztliche Gutachten, welche die eigenen Behauptungen eines immateriellen Schadens stützen können, dem eigenen Anspruchsschreiben immer in Kopie beigefügt werden.

Wo ist das Urteil zu finden?

Das Urteil des OLG Hamm vom 15.08.23 hat das Aktenzeichen Az. 7 U 19/23

Stand: September 2023

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„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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