Worum geht es bei der Entscheidung?
Ein Mann hatte für sich und seine Mutter pauschal eine Arktiskreuzfahrt in Norwegen „Auf den Spuren der Eisbären“ gebucht. Das Gepäck wurde am Flughafen zu spät ausgeliefert und konnte deshalb nicht mit an Bord genommen werden. Bevor das Schiff auslief, kauften die beiden Reisenden das Nötigste in einen Outdoorladen. Dafür gaben sie rund 2.300 Euro aus. Auf dem Schiff gab es sowohl eine Boutique als auch einen Wäscheservice. Schuhe und Parkas für die Expeditionen an Land wurden den Reisenden gestellt.
Der Reiseveranstalter erstattete von den Ersatzaufwendungen 1.500 Euro und nahm eine Reisepreisminderung von 25 Prozent des Preises der Pauschalreise vor. Die Touristen fordern nun klageweise weitere 15 Prozent Reisepreisminderung sowie die nicht erstatteten Ersatzaufwendungen und einen Ersatz für entgangene Urlaubsfreuden.
Welche Positionen vertreten die Parteien?
Die Kläger sind zunächst der Ansicht, dass der Reisepreis nicht um 25 Prozent, sondern um 40 Prozent zu mindern sei. Außerdem sei nicht einzusehen, warum von den Ersatzaufwendungen nur ein Teil und nicht die komplette Summe übernommen werde. Ein derartiger Reisemangel wie die Nichtmitnahme des eigenen Gepäcks bringe Unannehmlichkeiten und Aufregung mit sich, welche die Urlaubsfreude in erheblichem Maß trübe und somit einen weiteren Ersatzanspruch rechtfertige.
Der beklagte Reiseveranstalter reagiert mit Unverständnis. Eine Reisepreisminderung von 40 Prozent hält er für deutlich überzogen. Für die Höhe der Ersatzaufwendungen könne nur ein Pauschbetrag gewährt werden, da aufgrund des Wäscheservice nur verminderte Ausgaben für Kleidung zu berücksichtigen seien und die neu gekauften Sachen weiterhin benutzt werden könnten. Urlaubsfreuden seien den Reisenden auch nicht entgangen, da sie vollumfänglich an der gebuchten Kreuzfahrt teilgenommen hätten.
Das LG hat sich hier teilweise auf die Seite der Kläger und teilweise auf die des Beklagten geschlagen. Das Gericht ordnet das Fehlen von Gepäck mit persönlichen Gegenständen der Reisenden als Reisemangel ein. Dieser rechtfertige jedoch nur, da keine besondere Kleiderordnung zu Mahlzeiten (Dress-Code) vorgeschrieben war sowie die Schuhe und Parkas für Landexpeditionen gestellt wurden, eine Reisepreisminderung von 30 Prozent. Soweit die Ersatzbeschaffungen extra für die Arktis angeschaffte Funktionsbekleidung umfasst, so sei dieser Betrag vollständig zu ersetzen. Zu Verbrauchsartikeln (Waschmittel, Zahnpasta …) sagt das Gericht, dass diese auch nach der Rückkehr von der Reise weiterhin genutzt werden können. Diese Verbrauchsartikel umfassenden Ersatzbeschaffungskosten wären von den geltend gemachten 2.306,07 Euro abzuziehen. Somit wären über die bereits erstatteten 1.500 Euro noch weitere 516,07 Euro der Ersatzbeschaffungskosten zu ersetzen. Einen Schadensersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit lehnte das LG dagegen komplett ab. Die Reise konnte ja – wie geplant – ohne Einschränkungen durchgeführt werden, weil insbesondere Parkas und Schuhe für die Landexpeditionen zur Verfügung gestellt wurden. Hierzu führt das LG dazu aus: „Bei einer Expeditionsreise kommt es im Wesentlichen auf die landschaftlichen Aspekte der Polarregion sowie ihrer Tierlandschaft an. […] Die Annehmlichkeiten an Bord eines Expeditionsschiffes bilden nicht den Kernbereich einer Expeditionsreise.“
Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?
Hier hat das Landgericht erstinstanzlich entschieden. Grundsätzlich könnte gegen dieses Urteil noch das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Dies ist jedoch nicht zu erwarten. Zum einen hat das Landgericht den Interessen der Kläger nach einem möglichst weitgehenden Ersatz für ihre „zusätzlichen“ Aufwendungen Rechnung getragen. Zum anderen hat es aber auch die Interessen des Reiseveranstalters berücksichtigt, indem es gerade keinen Ersatz für entgangene Urlaubsfreuden gewährt hat.
Wie wirkt sich das Urteil am Ende auf die Verbraucher aus?
Dieses Urteil schafft für Verbraucher zunächst einmal Rechtssicherheit und -klarheit. Die Nichtmitnahme des eigenen Gepäcks ist ein Reisemangel, der Schadensersatzansprüche des Reisenden gegen den Reiseveranstalter zur Folge hat.
Ist die Entscheidung gut?
Ja, Daumen uneingeschränkt nach oben. Dieses Urteil ist nur konsequent und ordnet die tatsächlichen Geschehnisse rechtlich zutreffend ein. Die Tatsache, dass Gepäck nicht mitgenommen wird, ist unzweifelhaft ein Reisemangel, der jedoch nicht per se erhebliche Auswirkungen auf die Vertragsdurchführung hat. Es ist immer zu prüfen, ob nicht wesentliche Bestandteile des Reisevertrages trotzdem durchgeführt werden können. Dieses Urteil ersetzt den Klägern weitestgehend den erlittenen Schaden. Dem Versuch, einen Reisemangel zu verwenden, um zusätzliche Einnahmen zu generieren, erteilt das LG jedoch eine klare Absage.
Wo ist das Urteil zu finden?
Das Urteil des LG München II vom 10.01.2025 hat das Aktenzeichen 14 O 2061/24.
Stand: Januar 2025