Eine Frau mit vollen, langen Haaren sitzt vor einem Spiegel und macht sich zurecht. Sie hält eine Dose Haarspray in der Hand.

Aufgepasst bei Werbeversprechen mit Gesundheitsbezug

Nach einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) ist es der Dr. Pfleger Arzneimittel GmbH untersagt, mit der Werbeaussage „11 Prozent mehr Haare in nur 16 Wochen“ für ihr Produkt „Bio-H-Tin-Kapseln“ zu werben.

Worum geht es bei der Entscheidung?

Hier klagt der vzbv gegen das Pharmaunternehmen Dr. Pfleger Arzneimittel GmbH (Beklagte) auf Unterlassung der gleich näher erläuterten Werbung. Die Beklagte hatte eine Anzeige in einer Frauenzeitschrift geschaltet. Darin bewarb sie ihr Produkt „Bio-H-Tin-Kapseln“ mit den Worten: „Damit dünner werdendes und kraftloses Haar nicht zur Sorge wird: Bio-H-Tin unterstützt die Grundversorgung der Haarwurzel und somit das gesunde Haarwachstum von innen heraus. 11 Prozent mehr Haare in nur 16 Wochen.“

Hintergrund Health Claims-Verordnung:

Gesundheitsbezogene Angaben sind in der EU-Verordnung 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben (sogenannte Health Claims-Verordnung) geregelt und müssen ein Zulassungsverfahren durchlaufen. „Eine 'gesundheitsbezogene Angabe' ist jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht.“ (Quelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit). Zulässige, gesundheitsbezogene Angaben sind von der EU-Kommission in eine Liste aufgenommen worden, die Sie sich hier Öffnet sich in einem neuen Fensteranschauen können.

Welche Positionen vertreten die Parteien?

Der vzbv ist der Ansicht, dass die Dr. Pfleger Arzneimittel GmbH mit ihrer Werbung gegen die Health-Claims-Verordnung der EU verstoße. Außerdem sei die streitgegenständliche Werbung irreführend, da sie die Fehlvorstellung vermittle, dass sich das Haarvolumen lediglich durch die Einnahme der o.g. Kapseln vergrößere.

Die beklagte GmbH sieht die Sach- und Rechtslage hier naturgemäß ganz anders. Ihrer Ansicht nach handelt es sich bei den hier getroffenen Werbeaussagen lediglich um kosmetische Wirkaussagen ohne spezifischen Einfluss auf die Körperfunktionen. Für einen Gesundheitsbezug der streitgegenständlichen Werbeaussagen sieht sie keinen Hinweis.

Das LG Bamberg hat sich hier der klägerischen Sichtweise angeschlossen und die beklagte GmbH zur Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung verurteilt.

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

Hier hat das LG Bamberg entschieden. Grundsätzlich sind landgerichtliche Urteile berufungsfähig. Hier wurde aber ein Endurteil gesprochen, so dass es keine weitere Entscheidung in dieser Angelegenheit mehr geben wird.

Wie wirkt sich das Urteil am Ende auf die Verbraucher aus?

Die Auswirkungen dieses Urteils auf Verbraucherinnen und Verbraucher sind offensichtlich: Sie dürfen grundsätzlich nur dann mit gesundheitsbezogenen Aussagen in der Werbung konfrontiert werden, wenn diese in Art. 13, 14 der HC-VO genannt sind.

Ist die Entscheidung gut?

Ja, Daumen uneingeschränkt nach oben. Dieses Urteil stärkt der Verbraucherin beziehungsweise dem Verbraucher gegenüber Pharmaunternehmen den Rücken. Letztere dürfen nicht mit gesundheits- und ernährungsbedingten Angaben werben, wenn diese Angaben nicht in Art. 13, 14 HC-VO explizit geregelt sind. Dies wird genauso wie das Vorhandensein eines wissenschaftlichen Nachweises für das Zutreffen gewisser Werbeaussagen auch – und da kann man sich spätestens nach diesem Urteil sicher sein – von der Rechtsprechung ernst genommen und kontrolliert.

Was kann der Verbraucher jetzt tun?

An dieser Stelle ist Eigeninitiative der Verbraucherinnen und Verbraucher gefordert. Grundsätzlich kann man sich darauf verlassen, dass die Health-Claims-Verordnung der EU unmittelbar in Deutschland anwendbares Recht ist. Dieses Urteil zeigt deutlich, dass dies auch von der Rechtsprechung so gesehen und auf die Einhaltung der HC-VO geachtet wird. Leider ist es jedoch manchmal so, dass manchem Unternehmen der Zeitraum zwischen Inverkehrbringen eines Produkts und Unterlassungsurteil wegen nicht-HCVO-konformer Werbung ausreicht, um einen ausreichenden Gewinn mit dem betreffenden Produkt zu erwirtschaften, so dass irreführende Werbung dann unproblematisch wieder zurückgenommen werden kann. Auf diese Problematik hatte ich bereits zu einem früheren Urteil hingewiesen. Dem können Verbraucherinnen und Verbraucher nur durch eine Lektüre von Art. 13,14 der VO EG 1924/2006 („Health-Claims-Verordnung) und der Frage nach einem wissenschaftlichen Nachweis für gesundheitsbezogene Angaben begegnen.  Frei nach dem Motto: Eine gute Informiertheit verhindert die Irreführung!

Wo ist die Entscheidung zu finden?

Das Urteil des LG Bamberg vom 15.03.2024 hat das Aktenzeichen Az 13 O 431/23.

Stand: Mai 2024

 

Autor

„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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