Öfter Mal Fisch auf den Tisch
Warum Fisch gesund ist, auf welche Siegel beim Kauf geachtet werden kann und wie der Fisch am besten aufbewahrt wird, damit er auch wirklich frisch auf den Tisch kommt, darauf gibt das Verbraucherfenster im Artikel „ Öfter Mal Fisch auf den TischÖffnet sich in einem neuen Fenster“ Antworten. Doch kann man tatsächlich noch guten Gewissens Fisch essen und wie kann mit der Kaufentscheidung nicht nur ein Beitrag zur eigenen Gesundheit, sondern auch zum Schutz der Umwelt geleistet werden?
Überfischte Ozeane
Der Trend zeigt, dass sich immer mehr Menschen nicht nur gesund, sondern auch nachhaltiger ernähren möchten. Zur Verringerung des Fleischverzehrs greifen dabei viele zum Fisch. Ein sinnvoller Schritt, denn die Produktion von Fisch ist meist deutlich klimafreundlicher als die Fleischproduktion. Wird eine Forelle in Deutschland gezüchtet, entstehen beispielsweise fünfmal weniger Treibhausgasemissionen als bei der Produktion von Rindfleisch. Doch insbesondere beliebte Fischarten wie Kabeljau beziehungsweise Dorsch, Scholle oder Seezunge werden in unseren Meeren bereits sehr stark beansprucht. Einer Kontrolle der Fangmengen zum Erhalt der Bestände stehen einem Verbrauch von 14 Kilogramm Fisch pro Kopf und Jahr entgegen. Um den wachsenden Bedarf an Fisch und Meeresfrüchten zu decken und gleichzeitig eine Überfischung unserer Ozeane zu vermeiden, müssen Alternativen zum Wildfang gefunden werden.
Ist Fisch aus Aquakultur eine Alternative?
Aquakulturen sind kontrollierte Aufzuchtanlagen für Fische, Krebse oder Muscheln. Neben Karpfen, Forelle und Lachs werden über diese Produktionsmethoden auch Aal, Barsch und sogar Hai sowie Krabben, Miesmuscheln und Garnelen gezüchtet. Ob der jeweilige Fisch, Krebs oder die Meeresfrucht wild gefangen oder in Aquakulturen gezüchtet wurde, verrät ein verpflichtender Hinweis wie beispielsweise „aus Aquakultur“ oder „gezüchtet“ auf der Verpackung. Von dieser Verpflichtung ausgenommen sind verarbeitete Fischerzeugnisse wie beispielsweise Fisch-Salate.
Aquakultur und Klimaschutz
Inzwischen stammt jeder zweite Speisefisch aus Aquakulturen. Diese Anlagen können nicht nur als Teiche angelegt sein, sondern auch in geschlossenen Gebäuden und sogar auf Dächern in Betrieb genommen werden. Damit ist eine Produktion von Fisch im Grunde überall dort möglich, wo er nachgefragt wird – sogar in Städten. Transportwege und Kühlketten können auf diese Weise kurzgehalten werden, was sich günstig auf die CO2-Bilanz auswirkt.
Genuss auf Umwegen
Oft zeigt sich jedoch, dass Produkte aus Aquakulturen Transportwege von mehreren tausend Kilometern hinter sich haben, bevor sie in den Regalen des Supermarkts landen. Während Garnelen und Muscheln ihre Reise meist aus Südamerika oder Indonesien antreten, gelangen viele Fischprodukte aus Südeuropa oder der Türkei nach Deutschland. Auch in zahlreichen Entwicklungsländern sind die Fischerei und Fischzucht wichtige Erwerbszweige, die zur Ernährung und zum Lebensunterhalt der Beschäftigten beitragen.
In Deutschland und den Niederlanden gelten klare gesetzliche Vorgaben für die Betäubung von Fischen vor einer Schlachtung. Auch die behördlichen Anforderungen an Aquakultur-Anlagen sind in Deutschland hoch. Aus diesem Grund sollte ein genauer Blick auf die Herkunftsangaben des Speisefischs geworfen werden.
Süßwasserfisch – die heimische Alternative?
Immer beliebter werden in Deutschland auch Süßwasser-Speisefische wie Barsch, Karpfen oder Forelle. Sie punkten nicht nur als Lieferanten gesundheitsförderlicher Omega-3-Fettsäuren (wie DHA, EPA), welche sich günstig auf die Blutfettwerte und die Gefäßgesundheit auswirken, sondern sind als einheimische Speisefische auch in Fischzuchten aus der Region erhältlich. So werden in Hessen beispielsweise in der Fischzucht WetterfeldÖffnet sich in einem neuen Fenster unter anderem Forellen und Karpfen herangezogen.
Besonders beliebt sind bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern Aufzuchtfische, die in Naturanlagen gezüchtet wurden. Die Anlagen tragen in Deutschland auch zur Gestaltung der Kulturlandschaft bei und bieten vielen weiteren Arten, insbesondere Vögeln, einen vielfältigen Lebensraum.
Bestandsdichte, Antibiotika, Fischmehl – sind Vorbehalte gegen Aquakulturen gerechtfertigt?
Verbraucherinnen und Verbraucher kritisieren hohe Bestandsdichten und damit verbundene Einsätze von Antibiotikum in Aquakulturen. Ob die Tiere in ihrem Lebensraum Stress ausgesetzt sind, kann überprüft werden. Verletzungen zum Beispiel an den Flossen oder Verfärbungen der Haut können Anzeichen für Stress sein, dem der Fisch ausgesetzt war. Der Einsatz von Antibiotika ist inzwischen in Deutschland nur noch im Krankheitsfall der Tiere erlaubt. Das wirkt sich positiv auf die Bestandsdichte in Zuchtanlagen aus. Eine natürliche Bestandsdichte ist wichtig, denn auch zu viel Platz steht dem natürlichen Schwarmverhalten der Tiere entgegen und kann ein aggressives Hierarchieverhalten auslösen. Neben der Regulierung der Bestandsdichte ist auch die Gewährleistung einer tiergerecht guten Wasserqualität zu jedem Zeitpunkt herausfordernd.
Der Fischmehlanteil im Futter der Tiere wurde inzwischen stark reduziert und anteilig durch pflanzliche Bestandteile ersetzt. Fischmehl steht in der Kritik, da es sich dabei häufig um Mehle aus Beifang handelt, also um Fisch und andere Tiere, die unabsichtlich in den Netzen der Fischerei landen. Beifang fällt in großen Mengen vor allem bei intensiven Fangmethoden an, durch die der Boden und die Ökologie des Meeres Schaden nehmen. Durch die Verwertung des Beifangs fehlen zum einen Anreize, intensive Fangmethoden zu optimieren und auf diese Weise die Menge an Beifang zu minimieren. Zum anderen wird Lebewesen im Meer wichtiges Futter entzogen, das sie für ihren Fortbestand benötigen. Aktuell wird über den Beifang kontrolliert, ob und wie sich Fangmethoden in der Fischerei zielgerichteter und bestandsschonender verbessern lassen.
Beim Kauf von Produkten aus Aufzuchtanlagen lohnt sich daher ein Blick auf Umwelt- oder Bio-Siegel. Bei artgerechter Haltung erfolgt der Einsatz von Antibiotika und Medikamenten maßvoll im Sinne der Gesunderhaltung der Tiere. Zudem wird ausschließlich nachhaltiges Futter verwendet. Verbraucherinnen und Verbraucher fordern zunehmend auch strengere Kriterien zur Transparenz bei der Herkunft des verwendeten Futters und Einschränkungen beim Einsatz von Fischmehlen. Bio-Siegel werden derzeit nicht für Aquakulturen in geschlossenen Gebäuden oder auf Dächern vergeben; diese können dennoch die entsprechenden Vorgaben erfüllen.
Boden und Wasser – wertvolle Güter
Aquakulturanlagen tragen wesentlich dazu bei, Wasser einzusparen. Bei der Erzeugung von einem Kilogramm Biomasse Forelle wird beispielsweise nur etwa ein Prozent (circa 100 Liter) des Wassers benötigt, das bei der konventionellen Produktion anfällt. Gleichzeitig beanspruchen die Anlagen Platz, der nicht nur für den Anbau von Getreide, Obst oder Gemüse genutzt werden könnte, sondern für den teilweise auch Walbestände weichen müssen. So hat die Europäische Union im Rahmen ihrer Biodiversitätsstrategie Zielvereinbarungen festgelegt, über die unter anderem Aquakulturverfahren, die den Erhalt der Lebensräume gefährden, vermieden werden sollen. Innovative Forschungsvorhaben beschäftigen sich immer intensiver mit einer Kombination der Fischzucht (Aquakultur) und des Pflanzenanbaus in erdlosen Substraten (Hydroponik), der sogenannten Aquaponik.
Aquaponik – „Tomatenfisch“ und Co.
Um im Sinne des Klimaschutzes Ressourcen einzusparen, kombiniert der Ansatz der Aquaponik Fischzucht und Gemüseproduktion. Grundlage ist ein gemeinsamer Wasser- und Nährstoffkreislauf. Dieser entsteht, indem die Fische Stoffwechselprodukte an das Wasser abgeben, welche die Pflanzen über ihre Wurzeln aufnehmen und das Wasser dabei reinigen. Biofilter helfen, das von den Fischen ausgeschiedene Ammonium in Nitrat umzuwandeln, das den Pflanzen als natürlicher Dünger dient – eine Überdüngung des Gewässers wird auf diese Weise automatisch vermieden. Das Wasser, das über die Pflanzen verdunstet, wird dem Kreislauf wieder zugeführt. In Naturanlagen wie Aquaponik-Teichen können Pflanzen am Teichrand die Nährstoffe aufnehmen und diese dem natürlichen Kreislauf wieder zuführen, indem sie anderen Tieren wie Vögeln als Nahrung dienen.
Aquaponik-Anlagen könnten also ein Konzept sein, regionale Landwirtschaft auch im städtischen Raum zu ermöglichen. Die hochtechnisierten Anlagen zeichnen sich jedoch durch einen hohen Energieverbrauch aus, der insbesondere auf die Klimatisierung der Anlage zurückzuführen ist. Gleichzeitig kann in diesen Anlagen im Vergleich zum Freilandanbau das Fünf- bis Zehnfache produziert werden. Auch könnte eine Versorgung der Anlagen über Solarenergie klimafreundliche Abhilfe schaffen und wird aktuell an unterschiedlichen Standorten erprobt. In der Regel werden zudem für die Fischzucht und die Pflanzenproduktion gemeinsame Heizsysteme verwendet. Dies hat den Vorteil, dass besonders energieeffizient produziert werden kann. Gleichzeitig kann das von den Fischen abgegebene CO2 von den Pflanzen genutzt werden.
Aktuell werden in den Haltungssystemen der Aquaponik-Anlagen insbesondere Buntbarsch sowie Hecht, Bach- und Regenbogenforelle oder der afrikanische Raubwels gezüchtet. Unter anderem aufgrund unterschiedlich anspruchsvoller Pflanzen und einem entsprechend aufwendigen Anbau, ist die Aquaponik-Produktion in Deutschland derzeit noch am Anfang. Kommerzielle Anlagen finden sich zum Beispiel in Berlin und Brandenburg. Deutschlandweit gibt es zahlreiche Forschungsanlagen sowie einige Selbstversorgungssysteme. (Kup)
Stand: Juni 2021