Lebensmittel mit der Kennzeichnung „natürlich“, „biologisch“ oder „ökologisch“ werden vom Verbraucher als besonders gut und gesund eingestuft. Er erwartet, dass in einem Lebensmittel mit „100 Prozent Natur“ keine Konservierungsstoffe oder Geschmacksverstärker vorkommen. Diese Erwartungshaltung kennen auch die Lebensmittelhersteller und nutzen dies bei der Herstellung und Bewerbung ihrer Produkte aus.
Werbung mit „ohne“ und „frei von“
Die Werbung für Lebensmittel mit dem Hinweis, dass bestimmte Inhaltsstoffe in dem Produkt nicht enthalten sind, wird als „Clean Labeling“ („saubere Etikettierung“) bezeichnet. Bekannte Beispiele sind Werbeaussagen wie „ohne Konservierungsstoffe“ oder „laktosefrei“. Verwendet wird dieses Marketinginstrument bei solchen Inhaltsstoffen, die der Verbraucher als ungesund einschätzt oder aus anderen Gründen ablehnt. Hierzu gehören vor allem Farbstoffe, Geschmacksverstärker, Aromen und gentechnisch veränderte Lebensmittel, aber auch Nährstoffe wie Zucker oder Laktose.
Werbung mit der Natürlichkeit
Bei verarbeiteten Lebensmitteln wird durch den Hinweis „ohne künstliche Farbstoffe“ oder „ohne Geschmacksverstärker" eine Natürlichkeit vorgegaukelt, die sie in Wirklichkeit nicht haben. Zusätzlich wird dies noch durch Beschreibungen wie „100 Prozent Natur“ oder „Natur pur“ unterstreichen.
Dabei sind Lebensmittel mit einer solchen Beschreibung nicht naturbelassen, auch wenn es so beworben wird. Tatsächlich werden unbeliebte oder unerwünschte Zusatzstoffe durch deklarationsfreundliche Alternativen ersetzt. Diese haben meist eine ähnliche Wirkung, müssen aber aus gesetzlicher Sicht nicht als Zusatzstoffe angegeben werden.
Ohne Geschmacksverstärker
Glutamat ist ein Geschmacksverstärker. Als Natriumglutamat wird es vor allem herzhaften Gerichten wie Fertig- und Tiefkühlgerichten, Tütensuppen, Gewürzmischungen, Salat- und Würzsoßen zugesetzt. Da der Geschmacksverstärker den Appetit anregt, wird von mit Glutamat gewürzten Lebensmitteln meist mehr gegessen. Bestes Beispiel sind hier Kartoffelchips, von denen die ganze Tüte häufig auf einmal gegessen wird.
Auf vielen Fertiggerichten und Tütensuppen wird nun ausdrücklich und auffällig darauf hingewiesen, dass kein Glutamat als Zusatzstoff zugesetzt wird. Glutamat ist aber dennoch vorhanden, da Glutamat natürlicherweise in Hefeextrakt, Sojaprotein und Würze vorkommt. Folglich wird statt Glutamat Hefeextrakt zugesetzt. Auf der Zutatenliste muss nun Hefeextrakt angegeben werden, aber nicht mehr Glutamat.
Ohne Konservierungsstoffe
Konservierungsstoffe werden zugesetzt, um die Haltbarkeit eines Lebensmittels zu verlängern, indem sie Bakterien und Schimmelpilze abtöten oder ihr Wachstum hemmen. Bekannte Konservierungsstoffe sind Sorbinsäure, Benzoesäure oder auch Schwefeldioxid. Wird ein Produkt als „ohne Konservierungsstoffe“ beschrieben, dürfen Konservierungsstoffe nicht zugesetzt werden. Es können aber andere Zusatzstoffe oder Zutaten enthalten sein, die auch die Haltbarkeit verlängern wie zum Beispiel Branntweinessig oder Citronensäure als Säuerungsmittel.
Ohne künstliche Farbstoffe
Lebensmittel, die als „ohne künstliche Farbstoffe“ gekennzeichnet sind, sind meistens dennoch gefärbt und zwar mit Konzentraten oder Pulver aus Obst und Gemüse. Sie müssen in der Zutatenliste genannt sein. Auf ihre färbende Eigenschaft wird jedoch meist nicht hingewiesen. Bei einem Erdbeerjoghurt mit einer schönen roten Farbe erwartet der Verbraucher einen hohen Anteil an Erdbeeren. Ein Blick in die Zutatenliste sagt ihm aber, dass die rote Farbe vom zugesetzten Rote-Bete-Saft stammt.
Ohne künstliche Aromen
Die Kennzeichnung von Aromen ist verwirrend. Steht „ohne künstliche Aromen“ aus Werbezwecken auf der Verpackung, werden zur Aromagebung „natürliche Aromen“ zugesetzt, was auch auf der Zutatenliste angegeben werden muss. Der Laie geht dann davon aus, dass Aromastoffe aus Lebensmitteln enthalten sind. Dies ist jedoch meist nicht der Fall. Natürliche Aromen werden oft im Labor hergestellt, gelten aber nach dem Gesetz als nicht künstlich. Ein „natürliches Aroma“ muss aus einem natürlichen Produkt gewonnen werden und nicht aus dem Stoff, nach dem es schmeckt. Folglich werden zur Gewinnung von natürlichen Aromen nicht nur Lebensmittel eingesetzt, sondern auch Schimmelpilze und andere Mikroorganismen.
Der Geschmack eines Lebensmittels kommt nur dann aus den verarbeiteten Zutaten, wenn auf der Zutatenliste keine Aromen angegeben sind.
Werbung mit Selbstverständlichkeiten „laut Gesetz“
Auf den Verzicht einer Zutat, die sowieso unüblich oder sogar gesetzlich verboten ist, darf nicht hingewiesen werden. Denn dadurch könnte beim Verbraucher der Eindruck entstehen, dass der Verzicht auf einen bestimmten Inhaltsstoff etwas Besonderes bei diesem Produkt ist, dabei ist es eine Selbstverständlichkeit. Möchte ein Hersteller aber dennoch hervorheben, dass eine bestimmte Substanz nicht in seinem Produkt vorkommt, dann muss er dies entsprechend mit „laut Gesetz“ kennzeichnen.
Beispiel: Die Formulierung „ohne Konservierungsstoffe laut Gesetz“ weist darauf hin, dass in diesem Produkt sowieso Konservierungsstoffe nicht erlaubt gewesen wären und dies somit keine Besonderheit ist.
Verbraucher werden getäuscht
Die Verbraucherzentralen haben eine Untersuchung mit 151 Etiketten aus 12 Lebensmittelgruppen durchgeführt. Insgesamt wurden 272 Auslobungen wie „ohne Geschmacksverstärker“, „ohne Aromastoffe“ oder „ohne Farbstoffe“ überprüft.
Die Untersuchung ergab, dass
- bei 92 Prozent der Produkte mit dem Hinweis „ohne Geschmacksverstärker“ Hefeextrakt zur Geschmacksverstärkung zugesetzt wurde,
- bei 62 Prozent der mit „ohne Farbstoffe“ oder „ohne künstliche Farbstoffe“ gekennzeichneten Lebensmittel mit anderen Zutaten gefärbt wurde,
- bei 71 Prozent der Produkte mit einem Etikett „ohne künstliche Aromen“ andere Aromen zum Einsatz kommen, die laut Gesetz als nicht künstlich gelten, aber trotzdem im Labor hergestellt werden.
Stand: April 2019