Gicht ist eine der häufigsten ernährungsmitbedingten Stoffwechselerkrankungen bei Erwachsenen. Schätzungen zu Folge sind etwa 70 Prozent aller Gichterkrankungen zurückzuführen auf Ernährungs- und Lebensstilfaktoren. Das Risiko, an Gicht zu erkranken, steigt mit zunehmendem Alter an, wobei Männer bis zu zehnmal häufiger betroffen sind als Frauen. Nach der Menopause entspricht das Krankheitsrisiko von Frauen dann nahezu dem von Männern. Grund dafür sind hormonelle Einflüsse auf die Nieren.
Die Ursache der Gicht sind erhöhte Harnsäurespiegel im Blut. Weil die Harnsäurekonzentration unter anderem von dem beeinflusst wird, was wir täglich essen und trinken, kann sich eine Umstellung der Ess- und Trinkgewohnheiten auf die Entstehung der Krankheit und ihren Verlauf auswirken.
Purine werden zu Harnsäure abgebaut
Purine sind ein Bestandteil der DNA. Sie kommen in den Zellen aller Lebewesen wie der Pflanzen, Tiere und dem Menschen vor. Der Mensch nimmt Purine also über pflanzliche und tierische Lebensmittel auf. Zudem baut unser Körper selbst jeden Tag alte Zellen ab und neue Zellen wieder auf. Auch dabei werden Purine frei. Sowohl diese Abbauprodukte als auch die mit der Nahrung zugeführten Purine werden zu Harnsäure abgebaut und anschließend vor allem über die Niere mit dem Urin sowie über den Darm ausgeschieden.
Bei zu viel Harnsäure entstehen Harnsäurekristalle
Normalerweise besteht ein Gleichgewicht zwischen der Bildung von Harnsäure und ihrer Ausscheidung, das heißt jeder Mensch hat stets etwas Harnsäure im Blut. Wird jedoch zu viel Harnsäure gebildet und/oder zu wenig Harnsäure ausgeschieden, kann der Harnsäurespiegel im Blut ansteigen.
Nicht immer müssen dabei sofort Beschwerden auftreten. Nur etwa ein Drittel aller Menschen mit erhöhten Harnsäurewerten erkrankt an Gicht. Doch Harnsäure ist im Blut schlecht löslich. Überschreitet der Harnsäurespiegel eine bestimmte Grenze (über 6,5 Milligramm pro Deziliter), kann die Harnsäure zu Kristallen ausfallen, die sich in Gelenken und Geweben, Knochen und auch den inneren Organen ablagern können.
Ein Gichtanfall ist entzündlich und schmerzhaft
Plötzliche, sehr schmerzhafte Gelenkschwellungen sind Anzeichen eines Gichtanfalls. Das betroffene Gelenk ist aufgrund der Entzündung oft gerötet, fühlt sich warm an und ist äußerst berührungsempfindlich. Im akuten Gichtanfall kann beispielsweise bereits der Druck der Bettdecke auf der betroffenen Körperstelle als unerträglich empfunden werden. Das liegt daran, dass die Harnsäurekristalle wie winzige, spitze Nadeln geformt sind.
Gichtanfälle treten meistens nachts oder in der Früh auf. Am häufigsten ist das Großzehengrundgelenk betroffen. Aber auch andere Bereiche des Fußes wie der Mittelfuß oder das Sprunggelenk sowie das Knie, die Hand- und Fingergelenke oder der Ellbogen können oft tangiert sein.
In der Regel klingen die Beschwerden eines Gichtanfalls nach einigen Tagen von selbst wieder ab. In schweren Fällen können die Symptome ein bis zwei Wochen und länger anhalten. Bei einer chronischen Gicht sind die Gelenke dauerhaft leicht entzündet und Folgeerkranken wie Gichtknoten (Trophi) treten auf. Dabei handelt es sich um Harnsäurekristalle, die sich unter anderem in den Gelenken ablagern und deren Beweglichkeit einschränken. Auch Harnsteine in den ableitenden Harnwegen und eine Schädigung der Niere (Gichtniere) sind mögliche Folgen.
Erhöhte Harnsäurewerte kommen auch bei Menschen vor, die völlig beschwerdefrei sind. Bislang ist umstritten, ob daraus eine gesundheitliche Bedeutung erwächst. Eine Behandlung ist nicht erforderlich, wenn keine Beschwerden auftreten.
Eine Ernährungsumstellung kann helfen
Lebensmittel, die den Harnsäurespiegel erhöhen, können auch eine Gicht begünstigen oder bei Menschen mit Gicht einen Gichtanfall fördern, deshalb kann eine Ernährungsumstellung helfen, das Risiko für Gicht oder Gichtanfälle zu verringern:
- Normalgewicht anstreben
Bei bestehendem Übergewicht kann eine langsame Gewichtsabnahme dazu beitragen, die Gelenke zu entlasten und die Harnsäurespiegel im Blut zu senken. Das Normalgewicht sollte zum Beispiel über eine energiereduzierte, pflanzenbetonte und vollwertige Ernährung wie sie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt und regelmäßige körperliche Bewegung erreicht werden.
Rasche Gewichtsabnahmen oder strenges Fasten sollten vermieden werden, weil dabei über den vermehrten Fett- und Muskelzellabbau vermehrt Purine und Ketone freigesetzt werden. Weil die Purine zu Harnsäure abgebaut werden und die Ketone die Harnsäureausscheidung über die Niere verringern, kann sich eine zu rasche Gewichtsabnahme ungünstig auf die Harnsäurespiegel auswirken.
- Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte in Maßen verzehren
Fleisch und Wurstwaren, Fisch und Meeresfrüchte enthalten viele Purine und sollten daher nur in Maßen verzehrt werden. Zu den Purin-reichen Fischarten zählen vor allem Hering, Forelle, Sprotten, Ölsardinen und Sardellen. Daneben sind auch Bries, Leber, Niere oder Milz, die Haut von Schwein, Geflügel oder Fisch reich an Purinen. Diese Lebensmittel sollten zugunsten von pflanzlichen Lebensmitteln reduziert werden. Beim Verzehr von Fisch und Geflügel sollte die Haut vorab entfernt werden.
- Milch, Milchprodukte und Eier als Proteinquelle bevorzugen
Joghurt und Quark, Käse und Eier sowie Milch und Milchprodukte sind reich an wertvollen Proteinen und dabei nahezu Purin-frei. Im Rahmen einer Purin-reduzierten Ernährung sind sie wichtige Eiweiß-Lieferanten und sollten gegenüber Fleisch, Wurstwaren und Fisch bevorzugt eingesetzt werden.
- Auf reichlich Gemüse sowie Obst, Getreideprodukte und Kartoffeln setzen
Eine pflanzenbetonte Ernährung trägt dazu bei, dass sich Harnsäure besser im Urin löst, was sich wiederum günstig auf die Harnsäureausscheidung auswirkt. Daher sollte Gemüse, frischem Obst, Getreide und Getreideprodukten sowie Kartoffeln und Nüssen in der Ernährung der Vorzug gewährt werden. Diese sind Purin-frei oder -arm.
Einige pflanzliche Lebensmittel wie Linsen, Erbsen, Sojabohnen oder Kichererbsen, aber auch Kohlgemüse, Spinat, Spargel oder Artischocken weisen mittlere Purin-Gehalte auf. Ihre harnsäuresteigernde Wirkung ist jedoch eher gering und ihr Einfluss auf die Entstehung von Gicht bislang nicht nachgewiesen. Es ist sinnvoll, diese Lebensmittel nur in Maßen zu verzehren und nicht als Beilage für Purin-reiche Fleischgerichte vorzusehen.
- Ausreichend Flüssigkeit trinken
Sofern aus medizinischer Sicht nichts dagegenspricht, sollten täglich bis zu drei Liter Trinkmenge angestrebt werden. Auf diese Weise wird die Ausscheidung von Harnsäure über den Urin begünstigt, die Harnsäurekonzentration im Urin niedrig gehalten und Harnsteinen vorgebeugt. Besonders geeignet sind Wasser und ungesüßte Kräuter- und Früchtetees. Auch auf verdünnte Zitrusfruchtsaftschorlen (ein Teil Saft, drei Teile Wasser) und kohlensäurehaltige Mineralwässer - kann zurückgegriffen werden. Sie wirken alkalisierend und tragen so zu einer besseren Löslichkeit von Harnsäure im Urin bei. Kaffee, schwarzer Tee und Kakao sind im Rahmen einer Purin-reduzierten Ernährung in Ordnung. Sie enthalten Methyl-Purine, die nicht zu Harnsäure abgebaut werden und sich nicht negativ auf die Harnsäurespiegel auswirken. Kaffee steht zudem im Verdacht, sich günstig auf die Harnsäurebildung- und -ausscheidung auszuwirken.
- Auf zuckerhaltige Getränke und Süßwaren verzichten
Fructose steht im Verdacht, bei sehr hohen Aufnahmemengen die Harnsäurekonzentration im Blut zu erhöhen, weshalb auf zuckerhaltige Getränke wie Limonaden, Nektare und reine Fruchtsäfte verzichtet werden sollte. Ein Zusammenhang zwischen süßstoffhaltigen Limonaden und Gicht ist bisher nicht bekannt.
- Auf Alkohol verzichten
Biere, allem voran Hefeweizen, enthalten Purin-reiche Hefe. Über den Bierkonsum nimmt der Körper also vermehrt Purine zu sich, die zu Harnsäure abgebaut werden. Das gilt auch für alkoholfreie Biere. Alkohol im Allgemeinen und Bier sowie Spirituosen im Speziellen, regen zudem die Harnsäurebildung an, hemmen die Harnsäureausscheidung und wirken überdies entwässernd. All das trägt zu einer Erhöhung der Harnsäurespiegel im Blut bei, weshalb einem reichlichen Alkoholgenuss nicht selten ein Gichtanfall folgen kann. Das Gichtrisiko steigt bei moderatem Alkoholkonsum auf über 50 Prozent und bei sehr hohem Konsum auf das zweieinhalbfache Risiko im Vergleich zu Personen, die auf Alkohol verzichten. Der Genuss von Wein (in Maßen) scheint hingegen keinen Einfluss auf das Gichtrisiko zu haben.
- Kochwasser nicht wiederverwenden
Ein Teil der wasserlöslichen Purine von Lebensmitteln kann beim Kochen in das Kochwasser übergehen (z. B. Erbsen, Kichererbsen, Bohnen). Das Kochwasser sollte daher nach Möglichkeit beim Kochen nicht weiterverwendet werden.
Nicht immer reicht eine Ernährungsumstellung
Man geht davon aus, dass etwa zwei von drei Gicht-Erkrankungen auf Übergewicht, Alkoholkonsum und Ernährung zurückzuführen sind. Übergewicht ist oft mit erhöhten Glucosespiegeln und Insulinresistenz verbunden. Steigt der Insulinspiegel daraufhin im Blut an, wirkt sich das ungünstig auf die Harnsäureausscheidung aus. Auf das eigene Körpergewicht zu achten und das Ess- und Trinkverhalten umzustellen, kann daher vorbeugend und auch begleitend eine wichtige Rolle bei der Gichterkrankung spielen.
Gleichzeitig kann sie im Bedarfsfall keine Medikation oder andere Therapieformen ersetzen. Häufen sich die Gichtanfälle oder kommt es zu Folgeerkrankungen wie Gichtknoten oder Nierensteinen, können Medikamente sinnvoll sein, die den Harnsäurespiegel senken und die Harnsäureausscheidung erhöhen. Steht die Vermutung im Raum, an Gicht erkrankt zu sein, sollte in jedem Fall stets ärztlicher Rat eingeholt werden.
Die Entstehung von Gicht kann viele Gründe haben
Nicht nur Purin-reiche Lebensmittel können eine Gicht begünstigen. Auch entwässernde Medikamente, Acetylsalicylsäure (ASS) oder Krebsmedikamente können den Harnsäurespiegel erhöhen. Gleiches gilt für bestimmte Erkrankungen wie Blutbildungsstörungen oder Niereninsuffizienzen. In diesen Fällen spricht man von sekundären Hyperurikämien (zu hohen Harnsäurekonzentrationen). Sie sind für etwa fünf Prozent der Gicht-Erkrankungen verantwortlich. Mit einem Anteil von 95 Prozent ist die primäre (familiäre) Hyperurikämie die häufigste Ursache. Diese Fälle gehen auf eine (genetische) Störung der Harnsäureausscheidung oder auf eine Harnsäureüberproduktion aufgrund von Enzymdefekten zurück.
Ein erhöhter Harnsäurespiegel und die Entstehung von Gicht können also viele Ursachen haben. Es gibt keinen Grund, sich als Betroffener schuldig zu fühlen. Vielmehr können Ernährung, medikamentöse oder andere Therapien helfen, die Beschwerden zu verringern und das Wohlbefinden zu steigern. (Kup)
Stand: Juni 2024