DNA-Molekül

Kann ein Gentest beim Abnehmen helfen?

Manchmal ist es unfair: Da gibt es Menschen, die jahrzehntelang Pizza, Hamburger, Pommes und Cola zu sich nehmen und trotzdem fit und gesund bleiben, während bei anderen die fettige und salzreiche Kost zu Übergewicht und Bluthochdruck führt. Kommt es wirklich immer darauf an, was man isst? Oder ist unser Einfluss durch die Ernährung begrenzt und spielen die Gene die entscheidende Rolle?

Wie ähnlich sind wir uns wirklich?

Der genetische Bauplan (Genom) des Menschen enthält circa 25.000 Gene, die nicht nur für unser Aussehen verantwortlich sind, sondern auch Hormone, Enzyme oder Rezeptoren und somit alle Stoffwechselvorgänge im Körper steuern. Dabei ähneln sich die Menschen genetisch zu etwa 99,7 Prozent. Lediglich ungefähr 0,3 Prozent der Gene variieren von Individuum zu Individuum. Diese Genvarianten entscheiden beispielsweise über die jeweilige Haar- oder Augenfarbe oder wie unterschiedlich gut Nährstoffe aufgenommen und verwertet werden.

Vorstellen kann man sich das Genom wie eine lange Kette von Buchstabencodes, die wie eine Bauanleitung funktionieren. Vergleicht man das Genom zweier Menschen miteinander, kann es an einigen Stellen zu Abweichungen an den Codes kommen, ähnlich einem Tippfehler oder Zahlendreher. Diese Abweichungen sorgen für verschiedene Genvarianten, die als Polymorphismen bezeichnet werden.

Manche Polymorphismen führen sogar dazu, dass Gene nicht so funktionieren, wie sie sollten. Dann kann es Veränderungen im Stoffwechsel geben, die Erkrankungen nach sich ziehen können.

Zu den bekannteren Polymorphismen in der Ernährung gehören unter anderem die Laktoseintoleranz, der unterschiedliche Alkoholabbau von Europäern und Asiaten, und auch Übergewicht und Adipositas.

Gene können Übergewicht begünstigen

So ist es beispielsweise die Aufgabe des Melanocortin-4-Rezeptors (kurz: MC4R) den Energiehaushalt des Körpers und somit das Körpergewicht zu regulieren. Kommt es hier zu einer abweichenden Gensequenz, können Betroffene bereits im Kindes- und Jugendalter starkes Übergewicht entwickeln. Allerdings: Nur 0,05 Prozent der Bevölkerung leiden darunter.

Auch das Fat Mass and Obesity-Gen (FTO-Gen) kann aufgrund eines Polymorphismus zu einer Gewichtszunahme führen. Laut Studien betrifft 44 Prozent der Europäer diese Genveränderung. Die Betroffenen leiden unter einem verminderten Sättigungsgefühl und tendieren dazu fettiger zu essen.

Der Lebensstil ist entscheidend

Gene können unsere Gesundheit beeinflussen, unabhängig von der vorliegenden Variante. Lassen sich Genveränderungen nachweisen, bedeutet dies in der Regel aber nur, dass die statistische Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer Erkrankung steigt. Ob es daraufhin tatsächlich zum Ausbruch einer Krankheit kommt, bleibt weiterhin unklar und ist maßgeblich von Umweltfaktoren abhängig. Ob eine Person über kurz oder lang an Übergewicht leiden wird, hängt wesentlich stärker vom Lebensstil ab.

Außerdem kann ein Polymorphismus nicht behandelt werden. Im Falle der genannten Beispiele bleibt also nur eine Gewichtsreduktion durch Ernährungsumstellung und Sporttherapie.

Personalisierte Ernährungsempfehlungen durch Gentest

Wer kennt es nicht: Da fangen zwei Personen gemeinsam die gleiche Diät an, doch der Erfolg nach wochenlanger Quälerei könnte unterschiedlicher kaum sein. Denn während bei der einen die Pfunde purzeln, tut sich bei der anderen nur wenig.

In diesem Fall sollen Gentests angeblich helfen können und die richtige Diätform und Sportvariante ausfindig machen.

Mittlerweile finden sich immer mehr Anbieter im Internet, die Gen-Tests anbieten, um personalisierte Ernährungsberatungen zu geben und Diätempfehlungen abzuleiten. Für 200 bis 500 Euro können Interessierte hier einen Teil ihres Genoms auf mögliche Polymorphismen hin auswerten lassen. Hierfür werden ein Fragebogen und eine Speichelprobe oder ein Abstrich der Wangenschleimhaut benötigt. Je nach Anbieter findet außerdem vor der Untersuchung ein Beratungsgespräch unter ärztlicher Begleitung statt. Anhand des Ergebnisses werden dann Ernährungsempfehlungen zur Kalorienmenge, Nährstoffverteilung und Lebensmittelauswahl sowie sportlicher Aktivität gegeben, die einen schnelleren Erfolg bei der Gewichtsreduktion versprechen sollen.

Sinnhaftigkeit von Gentests bleibt fraglich

Bisher gibt es keine wissenschaftlichen Belege, ob eine personalisierte Diätempfehlung auf Basis einer Genanalyse besser ist, als eine normale Ernährungsberatung. Schließlich ist in erster Linie das Kaloriendefizit für die Gewichtsabnahme entscheidend. Zudem basieren Gentests auf Wahrscheinlichkeiten und sind damit auch nur scheinbar individualisiert. Dementsprechend ungenau sind die aktuell darauf basierenden Ergebnisse und Ernährungsempfehlungen.

Das europäische Forschungsprojekt „Food4me“ fand zwar heraus, dass die Akzeptanz unter Verbrauchern für individuelle Ernährungs- oder Diätempfehlungen höher ist, als für allgemeingültige Empfehlungen zu einer gesunden Ernährungsweise, dies muss sich aber nicht zwangsläufig auf eine vorherige Genanalyse beziehen. Auch Blutuntersuchungen zum Glukose- oder Cholesterinwert und Angaben zum Lebensstil können bereits eine exklusivere Empfehlung ermöglichen.
Derzeit bieten jedoch die genetischen Informationen keinen Mehrwert gegenüber der klassischen Ernährungsberatung.

Datenschutz bedenken

Geht es um persönliche Daten, wie etwa die Krankengeschichte oder die DNA, müssen Anbieter von personalisierter Ernährung den Datenschutz in besonderem Maße achten. Allerdings bleibt häufig unklar, was mit den erhobenen Daten für die Ernährungsempfehlungen beim Anbieter geschieht, selbst dann, wenn in den Datenschutzerklärungen des Anbieters steht, dass keine genetischen Profile mit den Daten erstellt und gespeichert werden.

Interessierte dieser Ernährungsempfehlungen sollten daher wissen, dass die Speicherung und Weitergabe ihrer Daten datenschutzrechtlich fragwürdig ist. Während zudem für medizinische DNA-Tests das Gendiagnostikgesetz eine ausführliche ärztliche Aufklärung des Patienten vorsieht, führen die Kunden der Ernährungsgentests ihre Speichelproben selbstständig ohne einen Arztkontakt durch und versenden diese an das Labor.

Fazit

Die personalisierte Ernährung steckt aktuell noch in den Kinderschuhen und der gesundheitliche Vorteil für die Verbraucher ist bisher noch unklar.

Wer dennoch einen solchen Test durchführen lassen möchte, sollte die Ergebnisse hinterher mit einem Arzt, Diätassistenten oder Ernährungsberater besprechen. Generell sollte bei der Auswahl des Anbieters darauf geachtet werden, dass eine solche fachkundliche Begleitung mit angeboten wird.

Stand: Mai 2023

 

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