Was passiert bei einer Histaminintoleranz?
Histamin übernimmt im Körper zahlreiche Funktionen. Es wirkt beispielsweise als Nervenbotenstoff und steuert den Schlaf-Wach-Rhythmus. Histamin ist aber auch für die Reaktionen des Körpers bei Allergien verantwortlich. Eine Histaminintoleranz entsteht, wenn das anfallende Histamin und sein Abbau nicht mehr in einem guten Verhältnis zueinanderstehen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei ein Enzym, das Diaminooxidase (DAO) heißt und am Histaminstoffwechsel beteiligt ist. Zu einem Ungleichgewicht kann es kommen, wenn histaminreiche Lebensmittel oder Alkohol konsumiert oder wenn Medikamente eingenommen werden, die den Histaminabbau hemmen.
Zahlen, Daten, Fakten
Deutschlandweit sind mehr als zwei Millionen Menschen von einer Histaminintoleranz betroffen. Frauen erkranken etwas häufiger als Männer. Histamin steht dabei nicht nur im Verdacht, ein Trigger für Kopfschmerz- oder Migräneattacken oder allergische Reaktionen auf Rotwein zu sein. Die allergischen Reaktionen auf Histamin und entsprechende Symptome sind individuell sehr unterschiedlich und reichen von Bauchschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden und Ausschlägen bis hin zu Schwellungen, Atemnot, Nesselsucht und Herzrasen.
Derzeit keine verlässliche Diagnose möglich
Bei dem Verdacht einer Histaminintoleranz wird häufig die Aktivität des DAO-Enzyms im Darm oder Blut oder der Histamingehalt in Stuhl oder Urin untersucht. Da diese Analysen zur Diagnose einer Histaminintoleranz nicht ausreichend aussagekräftig sind und derzeit keine verlässliche Laboruntersuchung Gewissheit schaffen kann, sind ein ausführliches Anamnesegespräch zu Symptomen, Intensität und Dauer der Beschwerden mit der Ärztin oder dem Arzt wichtig. Zudem ist ein Ernährungs-Symptom-Tagebuch das wichtigste Instrument zur Diagnose. Es kann beispielsweise beim Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB)Öffnet sich in einem neuen Fenster bezogen werden.
Unterstützung durch Ernährungsfachkräfte hilft
Auch mit Ernährungs-Symptom-Tagebuch bleibt der Rückschluss auf die individuelle Verträglichkeit einzelner Produkte schwierig, da die Symptome nicht immer sofort, sondern in der Regel Stunden bis Tage nach dem Verzehr auftreten können. Eine Ernährungsberatung kann dabei helfen, einen Ernährungsplan zu erarbeiten, der individuell verträglich ist, die persönlichen Vorlieben berücksichtigt und trotz des Verzichts oder der Reduktion histaminreicher Lebensmittel eine gesunde und ausgewogene Ernährung mit ausreichend Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten beachtet. Bei einer ärztlichen Bescheinigung übernehmen in der Regel die gesetzlichen Krankenkassen einen Teil der Kosten. Adressen von Ernährungsfachkräften in verschiedenen Regionen listet der DAAB in seinem AllergiewegweiserÖffnet sich in einem neuen Fenster.
Ernährungsumstellung in drei Stufen
Personen, die den Verdacht haben, von einer Histaminintoleranz betroffen zu sein, wird eine dreistufige Ernährungsumstellung empfohlen:
Karenz (Verzicht) für zehn Tage bis zwei Wochen
Im Rahmen einer gemüsebetonten Mischkost mit einer Reduktion der Histaminzufuhr sollen alle Beschwerden weitestgehend vermindert werden. Dabei sollen eine optimale Versorgung mit Nährstoffen und gute Verdauungsvoraussetzungen durch eine angepasste Zusammensetzung der Mahlzeiten erreicht werden. Die Begleitung durch eine Ernährungsfachkraft ist in dieser Phase sehr wichtig.
Testphase für bis zu sechs Wochen
Anschließend sollen schrittweise einzelne Lebensmittel wieder in den individuellen Speiseplan eingeführt und dabei die persönliche Histaminverträglichkeit ermittelt werden. Auch weitere Einflussfaktoren auf die Histamin-Unverträglichkeit wie Stress, Menstruation und die Einnahme von Medikamenten sollen in dieser Phase Berücksichtigung finden.
Dauerernährung
Ziel dieser Phase ist eine bedarfsdeckende Ernährung, die die Betroffenen so wenig wie möglich einschränkt und sowohl an die individuelle Histaminverträglichkeit als auch an äußere Einflussfaktoren wie Stress oder den weiblichen Zyklus angepasst ist. Die Ernährung soll dauerhaft umsetzbar sein und auch die individuellen Ernährungsvorlieben einbeziehen.
Histamin hat viele Gesichter
Da der Histamingehalt in Nahrungsmitteln – auch beispielsweise bei gleicher Sorte – stark schwankt und zudem Reifegrad, Lagerdauer und die Art der Verarbeitung Einfluss haben, ist fraglich, ob eine Kategorisierung von histaminreichen und -armen Lebensmitteln hilfreich ist. Die „ Leitlinie zum Vorgehen bei Verdacht auf Unverträglichkeit gegenüber oral aufgenommenem Histamin“ der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI)Öffnet sich in einem neuen Fenster legt dar, dass derzeit noch geprüft wird, ob eine Unverträglichkeit gegenüber Histamin, das über die Nahrung aufgenommen wurde, gesichert existiert. Gleichzeitig erleben Betroffene einen hohen Leidensdruck, schränken sich aus Angst vor einer allergischen Reaktion im Hinblick auf ihre Ernährungsgewohnheiten sehr stark ein, was sich auch auf ihre soziale Teilhabe und eine ausreichende Nährstoffversorgung auswirken kann. Strikten Diäten und dem generellen Ausschluss histaminreicher Lebensmittel sollte daher eine individuelle und symptomorientiere Ernährungstherapie vorgezogen werden, die den Leidensdruck lindern und eine ausgewogene Versorgung sicherstellen kann.
Was kann noch helfen?
Neben der Lebensmittelauswahl, der Mahlzeitenstruktur und der Kombination der Anteile an Makronährstoffen (Kohlenhydrate, Fett, Proteine), kann auch die Einnahme von Antihistaminika Beschwerden lindern. Auch Stress hat einen Einfluss auf die Histaminregulation und kann wie die prämenstruelle Zyklusphase bei Frauen eine Histaminintoleranz auslösen oder verschlimmern.
Wie bei einem randvollen Wasserglas, bei dem ein kleiner Stoß ausreicht, um das Wasser zum Überlaufen zu bringen, kann bei der Histaminintoleranz der Verzehr stark histaminreicher Speisen Auslöser für Beschwerden sein. Es ist also ratsam, Stress zu reduzieren und mit der Unterstützung von Ernährungsfachkräften einen Weg zu finden, der die individuelle Ernährung auf der einen Seite nicht zu sehr einschränkt und auf der anderen Seite das Beschwerdebild und den Leidensdruck lindert.
Zukunftsmusik: Schnelltest Histamingehalt
Für mehr Lebensqualität und Sicherheit beim Essen soll zukünftig ein Schnelltest sorgen, mit dessen Hilfe einzelne Produkte vor ihrem Verzehr auf ihren Histamingehalt hin überprüft werden können.
Bei dem Testverfahren ermittelt ein Teststreifen anhand einer kleinen Probe innerhalb von wenigen Minuten, ob das getestete Lebensmittel kein, wenig oder viel Histamin enthält. Da die tolerierbare Menge an Histamin jedoch von Person zu Person unterschiedlich ist, müssen Betroffene anhand ihrer Erfahrungen einschätzen, ab welchem Testergebnis ihnen das Lebensmittel bekommt oder nicht. Das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt fördert die Entwicklung entsprechender Schnelltests. Wenngleich die Forschung in diesem Bereich große Fortschritte erzielt, ist der Test derzeit im Handel noch nicht erhältlich.
Die Ernährung und eine Stressreduktion können eine wichtige Rolle bei der Linderung der Beschwerden einer Histaminintoleranz spielen. Gleichzeitig können sie im Bedarfsfall keine Medikation oder andere Therapieformen ersetzen, weshalb in jedem Fall stets ärztlicher Rat eingeholt werden sollte. (Kup)
November 2025