Hand hält Reisepass in dem Flutickets und eine mediznische Maske eingeklemmt sind

Pauschalreisende aufgepasst bei Stornokosten aufgrund Reiserücktritts wegen Pandemie

Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart ist es unzulässig, wenn ein Reisebüro Stornokosten verlangt und rechtliche Schritte bei deren Nichtzahlung ankündigt. Dies gilt für den Fall eines pandemiebedingten Reiserücktritts nach einer Reisewarnung durch das Auswärtige Amt.

Worum geht es bei der Entscheidung?

Es klagt hier die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegen das Sillenbucher Reisebüro (Beklagte) auf Unterlassung. Dem Rechtsstreit liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:

Hier hatte ein Verbraucher vor Beginn der Corona-Pandemie eine Flusskreuzfahrt gebucht. Aufgrund einer dann durch das Auswärtige Amt erfolgten Reisewarnung trat der Beklagte von der gebuchten Reise zurück. Der Reiseveranstalter „nicko cruises“ forderte den Verbraucher daraufhin zur Zahlung von Stornokosten auf. Eine solche Zahlungsaufforderung sprach auch die Beklagte aus und verwendete hierbei ihr eigenes Briefpapier.

Von der Verbraucherzentrale wurde sowohl der Reiseveranstalter „nicko cruises“ als auch das beklagte Reisebüro abgemahnt und dazu aufgefordert dieses „unzulässige“ Verhalten zu unterlassen. Eine entsprechende Unterlassungserklärung wurde von der Beklagten nicht abgegeben. Deshalb ist nunmehr Klage geboten.

Welche Positionen vertreten die beteiligten Parteien?

Die Klägerin ist hier der Ansicht, dass es der Beklagten nicht zustehe, Stornokosten aus dem Vertragsverhältnis zwischen der „nicko cruises“ und dem Verbraucher geltend zu machen.  Indem die Beklagte dem Verbraucher Stornoforderungen auf ihrem eigenen Briefpapier in Rechnung stellt, erweckt sie in unzulässiger Weise den Eindruck, selbst berechtigte Inhaberin einer Stornoforderung zu sein. Dies erscheint auch so, weil der Verbraucher zuvor auf das Nichtbestehen von Stornoforderungen gegen ihn hingewiesen hat.

Das beklagte Reisebüro sieht die Sache hier ganz anders. Es werde nur als Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters tätig und mache nur fremde, aber keine eigenen Rechte geltend. Dass eine Stornierung – wie hier durch die Beklagte erfolgt – Kosten verursacht, kann als allgemein bekannt vorausgesetzt werden.

Das OLG hat sich hier – anders als die erste Instanz des Landgerichts – der klägerischen Sichtweise angeschlossen. Neben der Tatsache, dass überhaupt keine Stornokosten für coronabedingte Absagen entstehen, könnte die Beklagte diese ohnehin nicht als eigenen Schaden in Rechnung stellen.

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

Hier hat das Oberlandesgericht in einem Berufungsrechtsstreit entschieden. Die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) wurde ausdrücklich nicht zugelassen. Es wird somit keine weitere Entscheidung in dieser Angelegenheit mehr geben.

Wie wirkt sich das Urteil am Ende auf die Verbraucher aus?

Dieses Urteil hat eine ganz praktische Auswirkung für Verbraucherinnen und Verbraucher: Sollte für sie die Durchführung eines Reisevertrages wegen Coronamaßnahmen nicht möglich sein, so haben sie hierfür nach berechtigter Kündigung auch keine Kosten zu tragen. Diese dürfen ihnen auch dann nicht unter Androhung rechtlicher Konsequenzen in Rechnung gestellt werden. Somit darf es nicht zu einem maximalen Druckaufbau gegen die Verbraucher kommen, um sie doch noch zur Haftung für Kosten zu motivieren, die sie gar nicht zu vertreten haben – weder juristisch noch moralisch.

Ist die Entscheidung gut?

Ja, Daumen uneingeschränkt nach oben. Hier wird unzulässigen und zweifelhaften Geschäftspraktiken von Reiseunternehmen beziehungsweise Reisebüros ein Riegel vorgeschoben.

Wenn schon offensichtlich kein Anspruch auf Stornokosten besteht, so ist es Reisebüros verwehrt, Druck auf Verbraucher auszuüben, indem sie rechtliche Konsequenzen für das Ausbleiben der Stornokostenerstattung ankündigen. Einerseits könnte man sich zwar auf den Standpunkt stellen, dass jeder sich über seine rechtlichen Verpflichtungen im Klaren sein müsse und Kenntnis davon haben sollte, ob eine Zahlungsverpflichtung für ihn oder sie besteht oder nicht. Dann könnte man in der klägerischen Verhaltensweise ein standardisiertes Verhalten sehen, von dem man als Verbraucher ja nicht beeinflussen lassen müsse. Andererseits ist aber davon auszugehen, dass das Verhalten des Beklagten doch dazu führen würde, dass einige Verbraucherinnen oder Verbraucher die ihnen unzulässigerweise in Rechnung gestellten Stornokosten tragen würden – nur um eventuellen hypothetisch noch höheren Kosten zu entgehen.

Was kann der Verbraucher jetzt tun?

Man sollte sich grundsätzlich immer vergewissern und es überprüfen, ob eine Forderung, die einem in Rechnung gestellt wird, gerechtfertigt ist oder nicht.  Gerade bei Erstattungsforderungen von Banken, Versicherungen und Reisebüros, die erwiesenermaßen sehr kreativ und spitzfindig beim Erstellen von Rechnungen sein können, ist eine erhöhte Aufmerksamkeit geboten. Auch ein persönlicher Kontakt zu einem Mitarbeiter vorgenannter Institutionen sollte diese Aufmerksamkeit nicht schmälern, denn Vertragspartner ist für die Verbraucherin oder den Verbraucher immer seine Bank, seine Versicherung beziehungsweise sein Reiseveranstalter, nicht jedoch deren Mitarbeiter.

Wo ist das Urteil zu finden?

Das Urteil des OLG Stuttgart vom 16.02.2023 hat das Aktenzeichen AZ 2 U 75/21.

Stand: März 2023

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„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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