Frau in weißem Kleid sitzt auf Sofa, neben ihn ein gelber Rollkoffer. Sie zerreißt ein Flugticket.

Inhaber von Bonusmeilen aufgepasst bei Reiserücktritt

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) ist es auch möglich, dass ein Reisender bei berechtigtem Reiserücktritt den Wert von eingesetzten Bonusmeilen von seiner Reiserücktrittsversicherung erstattet bekommt.

Worum geht es bei der Entscheidung?

Hier klagte ein Privatmann gegen seine Reiserücktrittsversicherung.

Der Kläger buchte einen Hin- und Rückflug nach Amerika (USA) und bezahlte diese mit sogenannten Bonusmeilen, welche die Fluggesellschaft in ihrem Bonusprogramm anbot. Aufgrund einer Erkrankung nahm der Kläger ein Storno seiner Reise vor. Danach wollte er seine Reiserücktrittsversicherung in Anspruch nehmen. In einer Klausel des Versicherungsvertrages war geregelt, dass die Versicherung bei Nichtantritt der Reise Entschädigung für die dem Reiseunternehmen vertraglich geschuldeten Rücktrittskosten leistet. Die Beklagte verneinte ihre Einstandspflicht jedoch, weil der Kläger seine Reise mit Bonusmeilen und nicht unmittelbar mit Geld bezahl habe.

Die beiden Vorinstanzen des Amtsgerichts (AG) und Landgerichts (LG) Wuppertal wiesen die Klage bereits ab. Gegen die letzte Entscheidung legte der Kläger Revision zum BGH ein. In dieser Instanz befinden wir uns nun.

Welche Positionen vertreten die beteiligten Parteien?

Die Beklagte hält ihren bisherigen Vortrag in dieser Angelegenheit aufrecht. Ihrer Ansicht nach sei die Rechtslage hier eindeutig: Bei der Zahlung mit Bonusmeilen liege keine Geldzahlung vor. Sie sei eine freiwillige Einrichtung der Fluggesellschaften auf freiwilliger Basis. Ein geldwerter Schaden des Verbrauchers sei bei der Stornierung eines Bonusmeilenfluges gerade nicht gegeben. Deswegen könne es auch nicht zu einer von dem Kläger geforderten Erstattung kommen.

Der Kläger sieht die Rechtslage hier völlig anders. Er versteht oben genannte Klausel des Versicherungsvertrages so, dass zu den im Versicherungsfall vertraglich geschuldeten Rücktrittskosten, für welche die Beklagte haften will, gleichwohl die von ihm eingesetzten Bonusmeilen gehörten. Im Übrigen gehörten hierzu jegliche Aufwendungen, die er zur Bezahlung des Reisepreises erbracht habe und die ihm nach dem Storno nicht erstattet wurden.  Dass sich eine Eintrittspflicht der Versicherung auf Zahlungen des Versicherungsnehmers mit Geld oder handelbaren Leistungen (wie zum Beispiel einen Gutschein) beschränke, könne der durchschnittliche Verbraucher der oben genannten Klausel des Versicherungsvertrages nicht entnehmen. Demnach ist eine Entschädigung in Geld auch bei einer Zahlung eines Fluges mit Bonusmeilen zu leisten.

Vorgenannter klägerischer Ansicht hat sich auch der BGH angeschlossen und die Einstandspflicht der Beklagten bejaht. Zusätzlich führt er aus, dass es ja gerade Sinn und Zweck einer Reiserücktrittsversicherung sei, die versicherte Person vor den Kosten zu schützen, dass er oder sie eine Reise krankheitsbedingt nicht antreten könne. Der Reisewillige wolle das finanzielle Risiko, nicht an einer Reise teilnehmen zu können, auf die Reiseversicherung abwälzen. Dabei spiele es für ihn oder sie keine Rolle, ob für die Reise Geld oder Bonusmeilen eingesetzt würden.

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

Ja, hier hat der BGH, das höchste deutsche Zivilgericht letztinstanzlich in einem Revisionsverfahren entschieden. Es wird keine weitere Entscheidung in dieser Angelegenheit mehr geben.

Wie wirkt sich das Urteil am Ende auf die Verbraucher aus?

Dieses Urteil hat eine ganz praktische Auswirkung für Bonusmeileninhaber. Sollten Verbraucher einen Flug, den sie mit Bonusmeilen bezahlt haben, reiserücktrittsberechtigt nicht antreten, erhalten sie eine Entschädigungszahlung in Geld von ihrer Reiserücktrittsversicherung.

Die bisherige Praxis, dass Reiserücktrittsversicherungen ihre Einstandspflicht unter Verweis auf die nicht erfolgte Geldzahlung ablehnen konnten, ist nach diesem Urteil unzulässig.

Ist die Entscheidung gut?

Ja, Daumen uneingeschränkt nach oben. Durch dieses Urteil wird die Rechtsstellung der Passagiere gegenüber ihren Reiserücktrittsversicherungen enorm gestärkt.  

Nur zu gut, dass sich der BGH hier – anders als noch die beiden Vorinstanzen – auf die Seite der versicherten Verbraucher geschlagen hat. Gerade bei Versicherungen ist es auffallend, dass diese sich häufig dann auf formelle Betrachtungsweisen zurückziehen, wenn sie sich dadurch ihrer Eintrittspflicht entziehen können. Dies gilt selbst dann, wenn die formelle Betrachtungsweise – wie hier – dem Sinn und Zweck einer gesetzlichen Regelung entgegensteht. Man kann sich eigentlich nur beim Kläger dafür bedanken, dass er nicht das Risiko gescheut hat, nach zwei ablehnenden Urteilen der Wuppertaler Gerichte, noch Revision zum BGH einzulegen, um abschließend Rechtsklarheit in dieser Konstellation zu erlangen.

Was kann der Verbraucher jetzt tun?

Die Verbraucherin beziehungsweise der Verbraucher sollte sich in oben genannter Konstellation nicht mehr mit der Erklärung der Versicherung, es sei ja keine Geldzahlung, sondern eine Zahlung mit Bonusmeilen erfolgt, abspeisen lassen. Unter Verweis auf das hier besprochene Urteil sollte man jedenfalls eine Entschädigung für den „nichtangetretenen“ Bonusmeilenflug verlangen.

Wo ist das Urteil zu finden?

Das Urteil des BGH vom 1. März 2023 hat das Aktenzeichen Az IV ZR112/22.

Stand: März 2023

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„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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