Eine Frau steht mit ihrem Rollkoffer vor einer Anzeigetafel am Flughafen

Bei Umbuchung nach einer Flugannullierung aufgepasst!

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) sind Umbuchungen nach einer Flugannullierung unentgeltlich und nicht an einen konkreten zeitlichen Rahmen gebunden. Voraussetzung ist lediglich die Verfügbarkeit von Plätzen auf dem umgebuchten Flug.

Worum geht es bei der Entscheidung?

Hier klagt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (VZ-NRW) gegen die Lufthansa (Beklagte). Dem Rechtsstreit liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:

Wegen der Corona-Pandemie annullierte die Beklagte im März und April 2020 zahlreiche Flüge. Zwei Reisende machten daraufhin ihr Recht der Ersatzbeförderung nach der EU-Fluggastrechteverordnung geltend.  Ein Reisender wollte nun im späteren Verlauf desselben Jahres, ein anderer Reisender wollte im Folgejahr verreisen. Die Beklagte wollte jedoch nur einen Ersatzflug mit unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zur ursprünglichen Reiseplanung kostenlos ermöglichen. Diesen Zusammenhang sah sie hier nicht und wollte die Umbuchung nur gegen Aufpreis vornehmen. Gegen diese Praxis der Beklagten wendet sich die Klägerin mit ihrer Unterlassungsklage.

In der Ausgangs- und Berufungsinstanz war die Klägerin erfolglos geblieben. Gegen die Berufungsentscheidung legte sie Revision zum BGH ein. In dieser Instanz befinden wir uns nun.

Welche Positionen vertreten die beteiligten Parteien?

Die Beklagte ist hier der Ansicht, dass es bewehrter Praxis entspreche eine Umbuchung nur kostenpflichtig zu ermöglichen, wenn kein zeitlicher Zusammenhang zu der ursprünglichen Reiseplanung bestehe. Eine Umbuchung sei zweifelsohne möglich, aber bei fehlendem zeitlichen Zusammenhang zur ursprünglichen Reiseplanung kostenpflichtig. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass es sich bei der Corona-Pandemie um ein außergewöhnliches Ereignis im Sinne der EU-Fluggastrechteverordnung handelt. Nirgendwo findet sich in vorgenannter Verordnung ein Hinweis auf eine Entgeltlichkeit der Umbuchung oder das Bedürfnis eines zeitlichen Zusammenhangs zur ursprünglichen Reiseplanung.  

Letzter Ansicht hat sich auch der BGH angeschlossen, der Revision – anders als noch die beiden Vorinstanzen – stattgegeben und der Beklagten ihr bisheriges Vorgehen untersagt. Im Falle einer Flugannullierung bestehe nach der EU-Fluggastrechteverordnung das Wahlrecht zwischen der Erstattung des Flugpreises einerseits und einer Ersatzbeförderung andererseits. Dies gelte sowohl für das außergewöhnliche Ereignis der Corona-Pandemie als auch alle sonstigen außergewöhnlichen Ereignisse. Eine Umbuchung müsse dann entgeltfrei und zu vergleichbaren Reisebedingungen möglich sein; sie müsse also auch zu einem deutlich späteren Zeitpunkt erfolgen können.

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

Ja, hier hat der BGH, das höchste deutsche Gericht in Zivilsachen letztinstanzlich in einem Revisionsverfahren entschieden. Es wird keine weitere Entscheidung in dieser Angelegenheit mehr geben.

Wie wirkt sich das Urteil am Ende auf die Verbraucher aus?

Dieses Urteil sollte einen eindeutigen Einfluss auf die bisherige Verfahrenspraxis der Fluggesellschaften bei Flugannullierungen haben.

Verbraucherinnen oder Verbraucher dürfen nach dieser Entscheidung nicht mehr unter der Schutzbehauptung des Erfordernisses eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen annulliertem Flug und Ersatzflug mit zusätzlichen Umbuchungskosten belastet werden.

Ist die Entscheidung gut?

Ja, Daumen uneingeschränkt nach oben. Hier wird die Rechtsstellung der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber den Flugunternehmen enorm gestärkt.

Es wird unmissverständlich klargestellt, dass das Wahlrecht der Ersatzbeförderung nach Flugannullierung im Rahmen der EU-Fluggastrechteverordnung kostenlos ausgeübt werden kann und nicht in engem zeitlichen Zusammenhang zur ursprünglichen Reiseplanung ausgeübt werden muss. Somit dürfte die schon als sichere Einnahmequelle für die Fluglinien einkalkulierte Umbuchungsgebühr in vielen Fällen berechtigterweise wegfallen.

Was kann der Verbraucher jetzt tun?

Man kann dem Verbraucher hier einen konkreten Tipp geben:

Flugreiseunternehmen werden der Reisenden beziehungsweise dem Reisenden nach einem annullierten Flug Kosten bei der Umbuchung auferlegen wollen. Außerdem werden sie einen konkreten zeitlichen Zusammenhang zu dem annullierten Flug fordern. Auf all dies braucht man sich – wie dieses Urteil zeigt – nicht einzulassen. Die Umbuchung nach Flugannullierung ist kostenlos und man sollte sich hierbei auch nicht zeitlich unter Druck setzen lassen. Lediglich die Verfügbarkeit von Plätzen kann den Umbuchungswillen einschränken. Jedenfalls ist es sinnvoll frühzeitig auf diese Entscheidung zu verweisen, um den Flugreiseunternehmen frühestmöglich den Wind aus dem Segel zu nehmen.

Wo ist das Urteil zu finden?

Das Urteil des BGH vom 27.06.23 hat das Aktenzeichen X ZR 50/22.

Stand: Juli 2023

Autor

„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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