Blick von oben: Richterhammer liegt auf einem Buch

Aufgepasst beim Rückerstattungsanspruch gegen Billigfluglinien

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) müssen auch Billig-Fluglinien Gebühren, Entgelte und Steuern, die nur für tatsächlich mitfliegende Fluggäste anfallen, zurückerstatten, falls der Flug nicht angetreten wird.

Worum geht es bei der Entscheidung?

 Diesem Rechtsstreit liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:
Ein Mann buchte eine Flugreise, die ihn von Memmingen auf die Insel Kreta für 27,30 Euro bringen sollte. Der Mann trat die Reise nicht an. Seinen Rückerstattungsanspruch gegen die Fluggesellschaft trat er an ein Legal-Tech-Unternehmen (Klägerin) ab.
Dieses fordert nunmehr die 18,41 Euro, die auf Gebühren, Steuern und Entgelte entfielen, die nur für tatsächlich mitfliegende Fluggäste entstehen, klageweise von der befördernden Fluggesellschaft (Beklagte) zurück.

Sowohl in der Ausgangs-, als auch in der Berufungsinstanz obsiegte die Klägerin. Gegen die letzte Berufungsentscheidung legte die beklagte Fluggesellschaft das Rechtsmittel der Revision zum BGH ein. In dieser Instanz befinden wir uns nun.

Welche Positionen vertreten die Parteien?

Der Kläger ist hier der Ansicht, dass ihm ein Anspruch auf Rückerstattung der ersparten Aufwendungen in Höhe von 18,41 Euro aus abgetretenem Recht (§§ 648 Satz 2, 398 BGB) zustehe. Der Nichtantritt des Fluges sei konkludent als Kündigung zu verstehen (vgl. § 648 Satz 1 BGB). Zur Verdeutlichung der klägerischen Argumentation hier der Wortlaut des § 648 BGB:

§ 648 Kündigungsrecht des Bestellers

Der Besteller kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Es wird vermutet, dass danach dem Unternehmer Fünf vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen.

Die Beklagte hält dem entgegen, dass sie nur deshalb so günstige Ticketpreise anbieten könne, weil sie im Hinblick auf zusätzliche Umsätze durch Getränke- und Speiseverkauf sowie Mietwagen- und Unterkunftsvermittlung kalkuliere.

Der BGH hat sich hier der klägerischen Argumentation angeschlossen und sieht keinen Raum für die Argumentation der Beklagten. Seines Erachtens wäre es schlichtweg inkonsequent, wenn die Beklagte aufgrund der Kündigung im Vergleich zu deren Ausbleiben noch mit einem zusätzlichen Vorteil belohnt würde. Somit müsse sich die Beklagte Aufwendungen, die ihr bei Erfüllung des Vertrages entstanden wären, aufgrund der Vertragskündigung jedoch nicht mehr anfallen, auch anrechnen lassen.

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

 Hier hat der BGH, das höchste deutsche Zivilgericht in einem Revisionsverfahren letztinstanzlich entschieden. Es wird keine weitere Entscheidung in dieser Angelegenheit mehr geben.

Wie wirkt sich das Urteil am Ende auf die Verbraucher aus?

 Im Falle des Nichtantritts einer Reise dürfen dem Reisenden nur die tatsächlichen Flugkosten als Schaden in Rechnung gestellt werden. Gebühren, Steuern und Entgelte, die nur bei einem tatsächlichen Reiseantritt entstehen, gehören – nach diesem Urteil – nicht dazu. Die Argumentation der Billigfluglinien eine Mitreise sei in die Kalkulation der günstigen Flugpreise einbezogen, entzieht sich einer gerichtlichen Überprüfbarkeit und darf deswegen keine Auswirkungen auf die Rechnungsstellung haben.

 Ist die Entscheidung gut?

 Ja, Daumen uneingeschränkt nach oben. Dieses Urteil stärkt die Rechtsstellung der Passagiere von Billig-Fluglinien ungemein.  Ihnen dürfen keine Gebühren, Steuern und Entgelte mehr in Rechnung gestellt werden, wenn diese gar nicht entstehen. Mit der Argumentation, dass die Preise nur bei einer Teilnahme aller Buchenden so billig kalkuliert werden könnten, wird die Billig-Fluglinie nicht gehört.

Was kann der Verbraucher jetzt tun?

 Die Verbraucherin beziehungsweise der Verbraucher sollte darauf achten, dass ihr beziehungsweise ihm Gebühren, Steuern und Entgelte, die nur entstehen, wenn sie auch tatsächlich mitfliegen, im Falle einer Kündigung nicht zusätzlich in Rechnung gestellt werden. Sollte eine Rechnungsstellung dennoch erfolgen, so kann man getrost die Begleichung dieses „Rechnungspostens“ unter Verweis auf dieses Urteil ablehnen.

Wo ist das Urteil zu finden?

 Das Urteil des BGH vom 1. August 2023 hat das Aktenzeichen X ZR 118/23.

Stand: August 2023

Autor

„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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