Ein Blick aus dem Flugzeugfenster auf die Tragfläche

Aufgepasst bei der Verjährung von Entschädigungsansprüchen bei Flugreisen

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) unterliegen Entschädigungsansprüche nach der EU-Fluggastrechteverordnung nicht der kurzen zweijährigen Verjährungsfrist (§ 651 j BGB), sondern der regelmäßigen dreijährigen Verjährung von vertraglichen Ansprüchen (§ 195 BGB).

Worum geht es bei der Entscheidung?

Hier klagt ein Inkassodienstleister gegen eine Fluglinie auf 800 Euro Entschädigung nach der EU-Fluggastrechteverordnung. Hintergrund dieses Rechtsstreits war die Verspätung von drei Stunden und 40 Minuten eines Fluges von Düsseldorf nach Sham El Sheik (Ägypten), die zwei Touristen am 11. Mai 2019 im Rahmen einer Pauschalreise hatten. Die Touristen traten ihre Entschädigungsansprüche jeweils an einen Inkassodienstleister ab, der die Ansprüche am 18. März 2022 klageweise geltend machte, weil die Fluggesellschaft sich weigerte, die Entschädigungszahlung zu leisten.  Das beste Recht nutzt einem bekanntlich nichts, wenn es denn verjährt ist. Die Parteien sind sich hier darüber uneinig, wie lange denn die Verjährungsfrist bei Entschädigungsansprüchen nach der EU-Fluggastrechteverordnung ist.

Welche Positionen vertreten die Parteien?

Die beklagte Fluggesellschaft ist der Ansicht, dass die Entschädigungsansprüche nach der EU-Fluggastrechteverordnung – wie auch andere dort explizit genannte Ansprüche aus dem Reiserecht – der kurzen zweijährigen Verjährungsfrist des § 651j BGB unterliegen. Die bereits im Mai 2019 entstandenen Ansprüche seien somit zum Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung im März 2022 bereits verjährt.

Das klagende Inkassounternehmen ist der Ansicht, dass es vom Gesetzgeber nicht gewollt sei, die Entschädigungsansprüche nach der EU-Fluggastrechteverordnung von der allgemein gültigen Verjährung für vertragliche Ansprüche von drei Jahren (vgl. § 195 BGB) auszunehmen. Die Ansprüche, die von der kurzen zweijährigen Verjährungsfrist des § 651j erfasst würden, seien in § 651j Absatz 3 BGB abschließend aufgezählt. Die Entschädigungsansprüche nach der EU-Fluggastrechteverordnung gehörten jedoch offensichtlich nicht dazu, weshalb hier die allgemeingültige dreijährige Verjährungsfrist für vertragliche Ansprüche gelte.

Der letzten Ansicht hat sich auch der BGH angeschlossen und die Fluglinie zur antragsgemäßen Zahlung der geltend gemachten Entschädigung nach der EU-Fluggastrechteverordnung verurteilt.

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

Hier hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Revisionsverfahren abschließend entschieden. Der BGH sah die Rechtslage hier genauso wie die beiden Vorinstanzen des Amts- und Landgerichts Düsseldorf. Es wird keine weitere Entscheidung in dieser Sache mehr geben.

Wie wirkt sich das Urteil am Ende auf die Verbraucher aus?

Dieses Urteil hat eine ganz praktische und auch klarstellende Wirkung für Verbraucherinnen und Verbraucher. Ihre Ansprüche nach der EU-Fluggastrechteverordnung unterliegen der regelmäßigen dreijährigen Verjährung (vergleiche § 195 BGB). Dies hat zur Folge, dass diese Ansprüche – so, wie alle anderen vertraglichen Ansprüche regelmäßig auch – bis zu drei Jahre nach deren entstehen fristwahrend gerichtlich geltend gemacht werden können.

Ist die Entscheidung gut?

Ja, Daumen uneingeschränkt nach oben. Der BGH verhindert hier, dass reisevertragliche Ansprüche einer kürzeren Verjährung unterliegen als sonstige vertragliche Ansprüche. Verbraucherinnen beziehungsweise Verbraucher können sich demnach darauf verlassen, dass sie ihre Entschädigungsansprüche nach der EU-Fluggastrechteverordnung – genauso wie auch andere vertragliche Ansprüche (vergleiche: § 195 BGB) – bis zu drei Jahre nach deren entstehen, fristwahrend gerichtlich geltend machen können.

Was kann der Verbraucher jetzt tun?

Verbraucherinnen beziehungsweise Verbraucher sollten sich nicht von ihrer Fluglinie ins Bockshorn jagen lassen. Letztere werden sich auch weiterhin erstmal in vergleichbaren Konstellationen auf die kurze Verjährung von zwei Jahren des § 651j BGB berufen, um einer Entschädigungszahlung zu entgehen. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sich jedoch darüber im Klaren sein, dass ihre Entschädigungsansprüche nach der EU-Fluggastrechteverordnung erst nach der regelmäßigen dreijährigen Frist (siehe: § 195 BGB) verjährt sind.

Wo ist das Urteil zu finden?

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 04.06.2024 hat das Aktenzeichen X ZR 62/23. 

Stand: Juli 2024

Autor

„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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