Deutscher Reisepass auf einer Weltkarte

Aufgepasst auf das Ablaufdatum des Reisepasses

Nach einem Urteil des AG (Amtsgericht) München müssen Reisende schon selbst an die Gültigkeit ihres Reisepasses für eine weitere Urlaubsreise denken. Eine Informationspflicht des Reisebüros über diese „Selbstverständlichkeit“ besteht nicht.

Worum geht es bei der Entscheidung?

 In diesem Fall klagt ein Reisender gegen sein Reisebüro. Der Kläger und seine Begleitung buchten bei dem Beklagten eine Pauschalreise nach Dubai. Das beklagte Reisebüro, das zugleich Reiseveranstalter war, hatte den Kläger nicht über die Pass-und Visumserfordernisse in Dubai aufgeklärt. Die entspannte Woche unter Palmen endete bereits abrupt am Flughafen München, da der Kläger und seine Begleitung mangels gültiger Reisepässe nicht mitfliegen konnten. Der Kläger möchte nun von dem Beklagten seinen Schaden der bereits „umsonst“ bezahlten 2.200 Euro ersetzt bekommen.

Welche Positionen vertreten die Parteien?

Der Kläger ist hier der Ansicht, dass ihm der Beklagte die bereits verauslagten 2.200 Euro zurückerstatten müsste. Das beklagte Reisebüro sei seinen Informationspflichten über die Pass- und Visumsmodalitäten in dem Zielland Dubai nicht nachgekommen. Deshalb habe er, der Kläger, nicht daran gedacht, gültige Reisepässe mit zum Flughafen zu nehmen.

Der Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, dass er überhaupt keine Informationspflicht verletzt haben kann, da eine solche Pflicht hier gar nicht bestehe. Es sei eine Selbstverständlichkeit, dass man bei Flugreisen in das außereuropäische Ausland einen gültigen Reisepass vorlege.

Der letzten Ansicht hat sich auch das Amtsgericht (AG) angeschlossen und die Klage hier abgewiesen. Wörtlich führt es aus:

„Ein Zahlungsanspruch ergibt sich weder aus §§ 651i Abs. 1, 3 Nr. 7, 651n Abs. 2 BGBi.V.m. § 651d Abs. 1 BGB noch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB i.V.m. § 651dAbs. 1 BGB, da es bereits an einer Verletzung von Informationspflichten i.S.d. § 651dAbs. 1 BGB durch die Beklagte bzw. das vermittelnde Reisebüro fehlt. (…)
Die besonderen Gewährleistungsrechte des Reisevertragsrechts sind zwar mit Abschluss des Vertrags anwendbar (…). Es besteht jedoch schon keine Informationspflicht der Beklagten als Reiseveranstalter über das Erfordernis des „Vorhandenseins“ eines (gültigen) Reisepasses. (…)

In Art. 250 § 3 Nr. 6 EGBGB findet sich die explizite Regelung einer vorvertraglichen Unterrichtungspflicht, wonach der Reiseveranstalter den Reisenden über „allgemeine Pass- und Visumserfordernisse des Bestimmungslandes“, einschließlich der ungefähren Fristen für die Erlangung von Visa informieren muss. Ist der Hinweis hinreichend und rechtzeitig gegeben, muss wiederum der Reisende entsprechend seiner Mitwirkungspflicht die erforderlichen Dokumente vorhalten (…).

Der Hinweis auf die Notwendigkeit des „Vorhandenseins“ eines (gültigen) Reisepasses ist allerdings nicht von Art. 250 § 3 Nr. 6 EGBGB umfasst, da es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt. Dies ergibt sich insbesondere aus den hinter Art. 250 § 3EGBGB stehenden teleologischen Erwägungen.

Demnach sollen die den Reiseveranstalter treffenden Informationspflichten den Reisenden auf Umstände hinweisen, die ihm möglicherweise unbekannt sind, weil dieser mit der Reise gerade auch unbekanntes Terrain erkunden möchte. Der Reiseveranstalter hat die hierfür erforderliche Organisation übernommen und somit ein Informationsgefälle gegenüber dem Reisenden auszugleichen. Mit den reiserechtlichen Informationspflichten soll der Reisekunde deshalb vornehmlich über Umstände informiert werden, die ihm unbekannte Gegebenheiten am Reiseziel sowie den Transport dorthin betreffen und für das Gelingen der Reise erforderlich sind, wozu auch aufenthaltsrechtliche Bestimmungen gehören, ohne deren Beachtung der Reisende das Reiseziel nicht betreten darf.

Die Pflicht zur Information über allgemeine Pass- und Visumerfordernisse bezieht sich allerdings allein auf solche Erfordernisse, die sich aus dem Reise- oder Transitland ergeben, das der Reisende betreten möchte. Der BGH geht daher in seinem Urteil vom 20.05.2014 (X ZR 134/13 – Rn. 12 f., NJW 2014, 2955 zur Einreise eines italienischen Klägers in die Vereinigten Staaten) davon aus, dass die „Gültigkeit“ eines Reisepasses für eine Reise eine Selbstverständlichkeit darstellt und kein sich aus dem Reiseland selbst ergebendes Erfordernis, auf das der Reisende hinzuweisen ist.

Die Gültigkeit betrifft vielmehr nationale Vorschriften, die der Reisende einzuhalten hat. Die Annahme einer solchen Selbstverständlichkeit muss daher erst Recht für das „Vorhandensein“ eines Reisepasses gelten. Der Umstand, dass ein Reisedokument benötigt wird, ist nicht allein reiseerfahrenen Touristen bekannt und für solche offenkundig. Schon die allgemeine Lebenserfahrung lässt durch den Begriff „Reise“-Pass darauf schließen, dass ein entsprechendes Dokument grundsätzlich für Reisen erforderlich ist. Auch inländische Bestimmungen, insbesondere die Passpflicht (vgl. §§ 1, 3 PaßG), zeugen davon, dass sich die Notwendigkeit des Vorhandenseins eines Reisepasses nicht erst aus den Erfordernissen des Reiselandes – hier den Vereinigten Arabischen Emiraten – ergibt, sondern vielmehr aus nationalen Bestimmungen. Etwas Anderes kann sich auch nicht aus dem Umstand ergeben, dass innerhalb der Europäischen Union zur Gewährleistung der Freizügigkeit von Unionsbürgern (Art. 21AEUV) die Besonderheit gilt, die das Vorhandensein eines Personalausweises für Reisen innerhalb der EU-Grenzen ausreichen lässt. Die Freizügigkeit stellt eine unionsrechtliche Ausnahme für Reisen, nicht die Regel dar.“

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

 Hier hat das Amtsgericht erstinstanzlich entschieden. Grundsätzlich könnte gegen diese Entscheidung noch Berufung eingelegt werden. Das Amtsgericht stellt hier jedoch eindeutig fest, dass es eine vom Kläger ins Feld geführte Informationspflicht über die „Selbstverständlichkeit“ des Vorzeigens eines gültigen Reisepasses bei Auslandreisen nicht gibt. Somit ist nicht zu erwarten, dass der Kläger sich diese Entscheidung noch einmal kostenpflichtig von der Berufungsinstanz bestätigen lässt und hiergegen das Rechtsmittel der Berufung einlegen wird.

Wie wirkt sich das Urteil am Ende auf die Verbraucher aus?

 Sollten Unternehmen wegen überlegenen Spezialwissens eine Informationspflicht gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern haben, so könnten sie gegebenenfalls für einen aufgrund der Nichterfüllung dieser Pflicht entstandenen Schadens in Haftung genommen werden. Das Erfordernis der Mitnahme eines gültigen Reisepasses auf außereuropäische Auslandsreisen gehört – und das stellt dieses Urteil klar – nicht dazu. Es handelt sich hierbei um eine Selbstverständlichkeit, über die nicht extra zu informieren ist.

 Ist die Entscheidung gut?

 Ja, Daumen uneingeschränkt nach oben. Dieses Urteil gibt zu erkennen, dass auch die Rechtsprechung grundsätzlich von dem Verbraucherleitbild eines gut informierten Verbrauchers ausgeht. Die Kenntnis von Selbstverständlichkeiten kann grundsätzlich von der Verbraucherin beziehungsweise dem Verbraucher erwartet werden.

Was kann der Verbraucher jetzt tun?

 Die Verbraucherin beziehungsweise der Verbraucher sollte rechtzeitig vor Reiseantritt in das außereuropäische Ausland überprüfen, ob er im Besitz aller dazu notwendigen Unterlagen ist. Dazu gehört– und das bestätigt dieses Urteil erneut – auch ein gültiger Reisepass. Dieser ist dann in der Passkontrolle vorzuzeigen.

Wo ist das Urteil zu finden?

 Das Urteil des AG München vom 12.07.2023 hat das Aktenzeichen Az 171 C 3319/23.

Stand: August 2023

Autor

„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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