Supermarktregal mit verschiedenen Joghurt- und Quark-Bechern

Aufgepasst bei Mogelpackungen im Lebensmitteleinzelhandel

Nach einem Urteil des Landgerichts Hamburg (LG-HH) muss es der Lebensmittelkonzern Upfield wegen Irreführung unterlassen sein Streichfett – wie bisher – in 500 g-Bechern zu verkaufen, in denen aber dann überraschenderweise nur 400 g enthalten sind.

Worum geht es bei der Entscheidung?

Geklagt hat hier die Verbraucherzentrale Hamburg (VZ-HH) gegen den Upfield-Konzern, der unter anderem ein Streichfett namens Sanella vertreibt. Der Beklagte hat die gegenwärtige Inflation zum Anlass genommen, die Füllmenge seines Streichfetts von 500 g auf 400g zu reduzieren. Die Packungsgröße blieb indes die gleiche. Zwar hat der Hersteller die Mengenangabe von 400 g entsprechend deklariert, aber ein deutlich sichtbarer Hinweis auf die Änderung der Füllmenge war auf der Verpackung nicht enthalten.

Daran stört sich die VZ-HH und begehrt klageweise das Unterlassen des Vertriebs von Sanella in der vorgenannten Art und Weise ohne entsprechenden, deutlichen Hinweis auf die reduzierte Füllmenge.

Welche Positionen vertreten die Parteien?

Die Klägerin (Verbraucherzentrale Hamburg) ist der Ansicht, dass der Konsument hier über den wahren Inhalt der Packung Streichfett in die Irre geführt werde. Die Verbraucherseite freue sich zwar über den vermeintlich nicht gestiegenen Preis des Streichfetts. In Wirklichkeit liege jedoch wegen der Reduzierung der Füllmenge eine versteckte Preiserhöhung von 20 Prozent vor.  Die Intransparenz durch den mangelnden deutlichen Hinweis auf die Änderung der Füllmenge rufe einen Irrtum bei der Verbraucherin beziehungsweise dem Verbraucher hervor. Dem Durchschnittsverbraucher werde die tatsächliche, neue Füllmenge oftmals verborgen bleiben. Auch wegen des unveränderten Erscheinungsbildes der Verpackung werde er davon ausgehen auch hinsichtlich der Füllmenge ein identisches Produkt zu erhalten. Somit bestehe der Unterlassungsanspruch.

Der Beklagte sieht die Sach- und Rechtslage naturgemäß anders. Es bestehe zunächst einmal keine Diskrepanz zwischen der angegebenen und der tatsächlichen Füllmenge. Die Kundin beziehungsweise der Kunde bekomme genau das, was auch auf der Packung stehe. Außerdem sei stark daran zu zweifeln, dass die Verbrauchererwartung hier in einem 500 g-Becherinhalt bestehe. Jeder wisse, dass eine hohe Inflation herrsche und gerade Fette, Öle, Margarine und Butter hiervon betroffen seien.

Das LG-HH hat sich hier der klägerischen Sichtweise angeschlossen. Es verlangt für die Dauer von drei Monaten nach der Umstellung der Füllmengenangabe einen deutlich sichtbaren Hinweis auf diese Neuerung.

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

Das LG Hamburg hat erstinstanzlich entschieden. Das LG gibt zu verstehen, dass es in dem Verhalten des Beklagten eine bewusste Verbrauchertäuschung sieht. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die Beklagte dieses Urteil noch einmal kostenpflichtig durch ein anderes Gericht bestätigen lassen und Berufung einlegen wird.

Wie wirkt sich das Urteil am Ende auf die Verbraucher aus?

Dieses Urteil hat ganz praktische Auswirkung für Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie müssen vor dem Kauf des Produktes durch einen deutlichen Hinweis auf die geänderte Füllmenge hingewiesen werden und können dann selbst darüber entscheiden, ob das Produkt trotz der „verdeckter Preiserhöhung“ kaufenswert ist. Die Stellung der Verbraucherin und des Verbrauchers wird gestärkt und er erhält das Gefühl, eine Vertragspartnerin beziehungsweise ein Vertragspartner auf Augenhöhe im Lebensmitteleinzelhandel zu sein.

Ist die Entscheidung gut?

Ja und nein, Daumen waagerecht. Gut ist dieses Urteil vor allem deshalb, weil sich die Judikatur (hier in Gestalt des LG-HH) eindeutig auf die Verbraucherseite schlägt. Es wird Unternehmen untersagt über sogenannte Mogelpackungen verdeckte Preiserhöhungen zu Lasten der Verbraucherin beziehungsweise des Verbrauchers zu realisieren.

Nicht ganz nachvollziehbar ist es jedoch, dass das Gericht eine Hinweispflicht für die Füllmengenänderung nur während der ersten drei Monate seit der Änderung sieht. Auch nach vier Monaten kann beim erneuten Kauf des Produktes ein Irrtum vorliegen. Realitätsnäher wäre es eine Hinweispflicht zu fordern, die beispielsweise für 12 Monate ab der Produktänderung besteht – wie dies auch die Verbraucherzentrale Hamburg fordert.

Was kann der Verbraucher jetzt tun?

Man kann Verbraucherinnen und Verbrauchern raten beim Einkauf ein besonderes Augenmerk auf die auf jeder Lebensmittelverpackung zwingend anzugebende Füllmengenangabe zu legen. Sollte einem hier eine „Mogelpackung“ auffallen, kann jeder Kunde die Verbraucherzentrale vor Ort kontaktieren und sich beraten lassen.

Wo ist die Entscheidung zu finden?

Das Urteil des LG-HH vom 13.02.2024 hat das Aktenzeichen 406 HKO 121/122.

Stand: März 2024

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„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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