Was sind Aligner?
Unter dem Begriff Aligner (dt. Ausrichter) versteht man hauchdünne, transparente Kunststoffschienen, die Kieferorthopäden zur Korrektur von Zahnfehlstellungen nutzen. Das Tolle: Die Schienen werden zwar über die ganze Zahnreihe geschoben, sind im Alltag aber kaum zu sehen. Lediglich zum Essen und Zähneputzen müssen die Schienen entfernt werden.
Ob eine solche Schiene notwendig ist und eine mögliche Fehlstellung korrigieren kann, wird beim Zahnarzt oder Kieferorthopäden besprochen. Ist dies der Fall, werden vom Gebiss des Patienten Röntgenaufnahmen sowie ein Gebissabdruck gemacht und mittels 3D-Computertechnologie ein Behandlungsplan erstellt, der die Veränderungen von der Ausgangssituation bis zum gewünschten Endergebnis protokolliert.
Nach dem individuellen Behandlungsplan kommen unterschiedliche Aligner-Schienen zum Einsatz, die für einen bestimmten Zeitraum von einigen Tagen bis Wochen zwischen 18 und 22 Stunden getragen werden sollen. Während der jeweiligen Tragezeit wird über die Schienen ein leichter Druck auf die Zähne ausgeübt, sodass sich diese nach und nach in die richtige Position schieben.
In regelmäßigen Abständen sollte der Erfolg der Schienen vom behandelnden Arzt kontrolliert werden.
Die Behandlungsdauer ist sehr individuell und abhängig von der Ausgangsfehlstellung der Zähne.
Erwachsene müssen für eine ästhetische Zahnkorrektur selbst aufkommen.
Schönheitstrend gerade Zähne
Auf Social Media-Plattformen wie Instagram oder Facebook werben Influencer ebenfalls für ein perfektes Lächeln dank der Kunststoffschienen – allerdings von gewerblichen Aligner-Firmen. Diese locken die meist junge Zielgruppe mit einem vermeintlich preiswerten, schnellen und unkomplizierten „Do it yourself“-Angebot, ohne dass eine teure und aufwendige Behandlung beim niedergelassenen Kieferorthopäden nötig wird.
Stattdessen arbeiten die gewerblichen Aligner-Anbieter mit einem möglichst geringen persönlichen Kontakt zum Kunden. Interessierte bekommen von den Firmen ein Zahnabdruckset für zuhause zugesandt oder können einen kostenlosen Termin für einen 3D-Scan des Gebisses bei einer nahegelegenen Partnerpraxis ausmachen. Bestätigt sich dann nach einer kieferorthopädischen Untersuchung, dass Fehlstellungen mittels der Kunststoffschienen gerichtet werden können, bekommt der Patient die Schienen per Post nach Hause gesandt. Mittels einer App wird die Behandlungsphase telemedizinisch vom Anbieter betreut. Die Kunden sollen hierfür in wöchentlichen Abständen Fotos von ihrem Gebiss hochladen sowie fachliche Fragen beantworten. Bei manchen Anbietern ist zudem eine Vor-Ort-Betreuung bei einer Partnerpraxis möglich. Bezahlt werden kann die Behandlung per Einmalzahlung oder in Raten.
Verbraucherzentralen kritisieren gewerbliche Anbieter
Im August 2021 haben die Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz in einem Marktcheck die Webseiten von vier der größten gewerblichen Aligner-Firmen auf ihre Werbeversprechen hin geprüft und einiges beanstandet.
So kritisieren die Verbraucherzentralen zum Beispiel, dass Kunden zunächst mit vermeintlich niedrigen Monatsraten gelockt werden, obwohl eine Einmalzahlung der Gesamtkosten durchaus günstiger wäre. Durch Rabattaktionen werden Kunden zudem vorschnell zu einem Vertragsabschluss verleitet. Zahnärzte sind hingegen an die Gebührenordnung gebunden und können keine Pauschal- oder Schnäppchenpreise anbieten.
Auch bei der Haftung und dem Widerruf kann es für Kunden Probleme geben, so die Verbraucherzentralen. Kommt es zu einem Behandlungsfehler oder Folgeschäden, haften die Firmen aufgrund der Organisation als GmbH nur eingeschränkt. Ob die Firmen im Schadensfall durch eine Haftpflichtversicherung abgesichert sind, geht aus den Webseiten der Anbieter nicht hervor. Niedergelassene Zahnärzte sind berufsrechtlich gegen Haftpflichtansprüche aus ihrer beruflichen Tätigkeit versichert. Dies müssen sie auch der Landeszahnärztekammer nachweisen.
Gleichwohl versuchen alle untersuchten Firmen, das Widerrufsrecht auszuschließen und berufen sich hierbei auf Zahnschienen als individuell gefertigte Produkte.
Zudem bemängeln die Verbraucherzentralen, dass keine der Firmen über Risiken oder Alternativen zu den Kunststoffschienen aufklärt.
Ebenso bleibt unklar, welches Personal mit welcher Qualifikation die Behandlungen überwacht und die Patienten betreut. Auf den Webseiten wird lediglich von „Experten“ gesprochen, die hochgeladene Fotos und die sensiblen Gesundheitsdaten bewerten. Gleichzeitig ist für die Kunden nicht ersichtlich, was mit den von ihnen übermittelten Daten geschieht oder wie diese Daten vom Anbieter geschützt werden.
Zwei der untersuchten Firmen haben auf ihren Webseiten TÜV-Gütesiegel, die auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, dass sich diese auf die Behandlungen beziehen. Dabei ist lediglich die Website zertifiziert.
Besser zum Facharzt gehen
Die Verwendung der Zahnschienen ist in der Regel risikolos. Allerdings sollten der Zahnzustand und die Aligner-Behandlung durchgehend von einem Zahnarzt oder Kieferorthopäden kontrolliert werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Karies, Entzündungen oder Komplikationen durch schief stehende Zähne übersehen werden. Auch ist eine ärztliche Vorab-Untersuchung sinnvoll, um abzuklären, ob die Behandlung mit Zahnschienen überhaupt angezeigt ist. Je nachdem um welche Fehlstellungen es sich handelt, können andere Behandlungsmethoden effektiver sein. Bei Fehlbissen, Brücken, Implantaten oder Kiefergelenksbeschwerden sind die Schienen ohnehin nicht geeignet.(Sie)
Stand: Oktober 2021