Hörgeräte liegen auf der Hand

Für Jung und Alt: Gutes Hören ist Lebensqualität

Schwerhörigkeit ist in jeder Lebensphase problematisch. Deshalb sollten Betroffene nach der Diagnose umgehend mit Hörhilfen versorgt werden. Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Grundversorgung. Welche Geräte gibt es, worin unterscheiden sie sich, und worauf sollten Verbraucher bei der Anschaffung von Hörgeräten achten?

Millionen Deutsche sind schwerhörig

In Deutschland haben ungefähr 11 Millionen Menschen ein Hörproblem. Über die Hälfte aller 70jährigen sind mehr oder weniger stark schwerhörig, und bereits jeder Vierte ab 50 Jahren kann statistisch betrachtet von Hörbeeinträchtigungen betroffen sein. Hörschäden können jedoch auch schon sehr früh – beispielsweise im Säuglings- und Kindesalter – auftreten und diagnostiziert werden. Nicht entdeckte oder behandelte Schwerhörigkeit führt vor allem in sehr frühen Lebensphasen zu Störungen der Sprachentwicklung. Im Erwachsenenalter führen Hörstörungen häufig zu Problemen im Berufsleben oder im fortgeschrittenen Lebensalter zu sozialer Isolation. Deshalb ist nach Bekanntwerden eines Hörschadens eine umgehende Versorgung durch Hörgeräte notwendig.

Hörgeräte als Kassenleistung

Bei den Hörgeräten werden unterschiedliche Bauformen unterschieden. Hinter-dem-Ohr-Geräte (HdO) und Im-Ohr-Geräte (IdO) kommen für die Versorgung leichter bis mittelschwerer Hörschäden infrage. Für schwere und sehr schwere Hörschädigungen gibt es spezielle Geräte wie Implantate und Knochenleitungs- bzw. knochenverankerte Hörgeräte. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die verbreiteten HdO- und IdO-Geräte, die bei etwa 90 Prozent der Schwerhörigen zum Einsatz kommen.

Hierzulande haben rund vier Millionen Menschen ein oder zwei Hörgeräte. Bezüglich der Hörgeräteversorgung gibt es also noch reichlich „Luft nach oben“. An den Kosten kann es wohl nicht liegen, dass viele von Hörproblemen Betroffene die Anschaffung von Hörgeräten scheuen. Denn die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) erstatten derzeit rund 785 Euro pro Hörgerät oder knapp über 1.400 Euro für die Versorgung beider Ohren. Etwas mehr (plus 75 bzw. rund 103 Euro) erhalten Patienten, deren Hörtstörungen an Taubheit grenzen. Dafür erhalten Patienten Geräte, die technisch auf der Höhe der Zeit und bei weitem nicht mehr so groß, klobig und unansehnlich sind wie früher.

Sonderausstattung ist teuer

Natürlich bietet der Markt zahlreiche Geräte gegen Aufpreis an, die gegenüber Kassengeräten mehr zu bieten haben. Mit den deutlich teureren Geräten werden zahlreiche Filter- und Mikrofoneinstellungen für Sprache, Telefon und Musik (Konzerte) oder das intelligente Unterdrücken von Hintergrundgeräuschen, um zum Beispiel ein Gespräch in einer Gaststätte besser verstehen zu können, angeboten. Inzwischen bieten aber auch die mehrkostenfreien Kassengeräte mehrere Hörprogramme für die meisten Hörsituationen. Auch die Unterdrückung von Störgeräuschen und Rückkopplungen (das berüchtigte „Pfeifen“) sowie eine Bluetooth-Schnittstelle oder automatische Richtmikrofone gehören mittlerweile zum Leistungsumfang vieler Kassenmodelle.

Die teureren Geräte unterscheiden sich in den Grundfunktionen meist nur noch geringfügig von ihren absolut alltagstauglichen Kassenschwestern. Abgesehen von einigen technischen Besonderheiten, die den Hörkomfort steigern sollen, sind die Topmodelle der HdO-Geräte oft deutlich kleiner. Damit sind diese Geräte auch leichter sowie meist auch optisch ansprechender, und sie lassen sich nahezu unsichtbar tragen. Dafür werden allerdings Preise aufgerufen, die für zwei Geräte durchschnittlich um fast 1.200 Euro über den Kassengeräten liegen. Je nach Ausstattungswünschen der Kunden kann eine Hörgeräteversorgung für beide Ohren insgesamt auch 5.000 Euro oder mehr und somit locker das Dreifache der Kassenleistung kosten. Verbraucher können unter mehr als 1.000 Modellen auswählen.

Wie zufrieden sind Verbraucher mit Hörgeräten?

Die schickere Optik und das Hi-Tech-Innenleben der teureren Hörhilfen führt nicht unbedingt zu einer höheren Zufriedenheit der Benutzer: Unabhängig davon, ob die Patienten ein mehrkostenfreies oder teureres Hörgerät besitzen, liegen die Zufriedenheitswerte in beiden Fällen bei über 80 Prozent. Das teilt der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen mit. Insofern wundert sich der Verband nicht ganz zu Unrecht, dass zwei Drittel der Versicherten teilweise erhebliche Mehrkosten für ihre Hörgeräte in Kauf nehmen, obgleich die hörtechnische Versorgung mit Kassenmodellen offenbar gleichwertig gewährleistet ist.

Betreuung durch Hörakustiker oft unzureichend

Grundsätzlich ist den Versicherten zu raten, sich von mehreren Hörakustikern beraten zu lassen. Wie eine Online-Befragung der Stiftung Warentest ergeben hat, lässt die Betreuung mancher Hörakustiker zu wünschen übrig. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Hörgeräteträger mit dem Service unzufrieden sind. Meist sind eine geringe Auswahlmöglichkeit unter nur zwei Geräten, zu kurze Anpassungsprozesse sowie schlecht eingestellte Hörgeräte daran schuld. Vor allem die großen Hörakustiker-Ketten enttäuschten beim Service. Auch die Aufzahlungen, die für die Geräte verlangt wurden, sorgten offenbar für Frust: Der Umfrage zufolge verkauften die Hörakustiker Geräte, die im Schnitt 850 Euro teurer als die Kassengeräte waren.

Wie der Verband der GKV ermittelt hat, wurde 22 Prozent der Befragten kein mehrkostenfreies Gerät vom Hörakustiker angeboten. Dabei ist vorgeschrieben, dass von den Händlern mindestens ein aufpreisfreies Hörgerät angeboten werden muss. Das heißt, dass die Hörakustiker gegenüber den Versicherten eine diesbezügliche Beratungspflicht haben. Deshalb sollten Verbraucher stets auf mindestens einem Angebot für ein Kassenmodell bestehen.

Fazit

Wer bei sich oder seinen Kindern eine Störung oder Minderung der Hörleistung feststellt, sollte zunächst einen Hals-Nasen-Ohrenarzt (HNO) aufsuchen. Je nach Diagnose verschreibt der HNO-Arzt die entsprechenden Hörgeräte. Mit der Verordnung suchen Sie einen oder mehrere Hörakustiker auf und lassen sich entsprechende Angebote erstellen. Achten Sie darauf, mehrere unterschiedliche Modelle ausreichend lange zur Probe tragen zu können. Darunter sollte sich auch mindestens ein mehrkostenfreies Kassenmodell befinden. Lassen Sie sich eingehend beraten und bestehen Sie auf einer sorgfältigen Einstellung und Anpassung der Hörsysteme. (ack)

Stand: November 2019