Kohlmeisen Nestlinge in einem Nest aus Papiertüchern

Sommerhitze! Wildvögel am Limit – was jetzt zu tun ist

Die brütende Sommerhitze bringt nicht nur Menschen an den Rand ihrer körperlichen Belastbarkeit, sondern auch unsere gefiederten Freunde! Mauersegler, Amseln & Co. kämpfen an heißen Tagen ums Überleben. Renommierte Experten der Uni Gießen verraten hier, wie Sie hilfsbedürftige Wildvögel erkennen und ihnen schnell und richtig zur Seite stehen können.

Michael Lierz ist Tiermediziner und Wissenschaftler. Der aus Funk und Fernsehen bekannte Direktor der Klinik für Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Rebekka Schwehn, Leiterin der Arbeitsgruppe Wildtiermedizin an derselben Klinik, erklären hier im Verbraucherfenster, wie Sie hilfsbedürftige Wildvögel erkennen, wann diese in Obhut genommen werden sollten und wann nicht.

Wann ist ein Wildvogel hilfsbedürftig und wann nicht?

Normalerweise flüchten Wildvögel, wenn Menschen sich ihnen nähern. Ein Vogel, der keinen Fluchtreflex zeigt, ist deshalb zunächst einmal auffällig. Denn das kann bedeuten, dass er krank oder verletzt ist.

Allerdings gibt es auch Ausnahmen, die man auf jeden Fall kennen sollte. Hier die ausführliche Übersicht.

Wer keine Hilfe benötigt:

  • Vögel, die in Menschennähe leben: Wasservögel in Parks, Stadttauben oder Singvögel am Futterhaus zeigen oftmals weniger Fluchtverhalten als ihre scheuen Verwandten in Wald und Feld, weil sie an Menschen gewöhnt sind. Hier besteht meist kein Grund zur Sorge, außer sie sind sichtbar krank oder verletzt.
  • Junge Vögel außerhalb des Nestes: Wenn ein Jungvogel das Nest bereits verlassen hat, aber noch nicht voll flugfähig ist, wirkt er manchmal unbeholfen oder sitzt versteckt im Gebüsch. Diese gerade flüggen Jungvögel werden von den Eltern gefüttert und beschützt, zeigen aber wenig Fluchtverhalten, weil sie noch lernen müssen Freund und Feind zu unterscheiden. Dennoch ist dieser Entwicklungsschritt bei vielen Arten ganz natürlich. In solchen Fällen sollten Sie nicht eingreifen und erstmal beobachten, ob das Tier noch versorgt wird! Nur ein tatsächlich verlassener Jungvogel benötigt Hilfe.

Wer Hilfe benötigt: 

  • Nestlinge außerhalb des Nestes: Das sind Vogelküken, die noch nackt sind oder kaum Federn haben und sich noch nicht aufstellen können. Sie benötigen Hilfe, wenn sie außerhalb des Nestes gefunden werden. Wenn das Nest erreichbar ist, kann man versuchen, die Küken zurückzusetzen – vorausgesetzt, sie sind unverletzt und nicht unterkühlt. Nach der Rückführung sollte man immer aus einiger Entfernung beobachten, ob die Eltern das Nest weiter anfliegen und ihre Küken versorgen.
  • Abgestürzte Nester: Falls ein Nest heruntergefallen ist, kann versucht werden ein Kunstnest anzubringen und die Küken dort unterzubringen. Auch hier ist es wichtig zu beobachten, ob die Eltern das neue Nest anfliegen und ihre Küken weiter versorgen.
  • Junge Mauersegler oder Schwalben am Boden: Sie verlassen das Nest erst, wenn sie vollständig flugfähig sind. Findet man sie am Boden, sind sie hilfsbedürftig. Da die beiden Arten oft wegen Hitze aus den Nestern springen, sind Rückführungsversuche hier häufig nicht erfolgsversprechend.
  • Junge Wasservögel ohne Familienanschluss: Arten wie Stockenten und Graugänse verlassen das Nest schon früh und folgen der Mutter beziehungsweise den Eltern. Da sie in der Regel nicht alleine gelassen werden, ist ein einzelnes Küken immer hilfsbedürftig. Hier können Sie versuchen, Gewässer oder Grünflächen in der Nähe aufzusuchen und die Familie zu finden.
  • Opfer von Katzenangriffen: Vögel, die von Katzen angebracht werden, benötigen immer Hilfe, da Katzenbisse schwere Verletzungen und Infektionen verursachen können – auch wenn es erst einmal nicht so schlimm aussieht. Meist haben Vögel, die von Katzen angegriffen werden nur geringe Überlebenschancen.

Kurz und bündig – Hieran erkennen Sie einen hilfsbedürftigen Vogel:

  • Nicht oder spärlich befiederter Jungvogel außerhalb des Nestes
  • Gerade flügger Jungvogel, der nicht mehr von den Eltern versorgt wird
  • Zusammengekniffene/mandelförmige Augen
  • Aufgeplustert
  • Abstehende Gliedmaßen oder hängender Flügel, der Vogel kann nicht mehr laufen oder fliegen
  • Offensichtliche Verletzungen oder blutiges Gefieder
  • Vogel hängt fest oder ist eingesperrt
  • Unfall oder Vorfall wurde beobachtet (zum Beispiel ein Verkehrsunfall, Fensterscheibenanflug oder Katzenfang)

Ein Wildvogel braucht Ihre Hilfe – So gelingt der sichere Transport

  • Umgreifen Sie den Vogel vorsichtig mit der Hand, einem Stofftuch oder Kleidungsstück und setzen ihn in einen Karton mit Luftlöchern und saugfähiger Unterlage (zum Beispiel Küchenpapier oder Handtuch); Achten Sie bei Greifvögeln und Eulen auf Selbstschutz mit Gartenhandschuhen oder einer dicken Decke. Auch bei großen Vogelarten muss der Eigenschutz bedacht werden: Schwäne, Störche, Kormorane und Reiher können sich mit kräftigen Flügelschlägen und gezielten Schnabelhieben wehren.
  • Bieten Sie dem Tier kein Futter an; die Wassergabe hingegen kann insbesondere in Hitzephasen wichtig fürs Überleben sein, sollte aber unbedingt fachgerecht erfolgen: Sie können zum Beispiel einen Finger in ein Wasserglas tunken, sodass ein Wassertropfen an der Fingerkuppe hängen bleibt. Wenn dieser an die Schnabelspitze eines in der Hand gehaltenen Jungvogels geführt wird, fängt dieser unwillkürlich an zu trinken. Alternativ kann hierfür auch eine Pipette verwendet werden.
  • Bringen Sie das Tier ruhig und dunkel unter.
  • Nackte Küken sollten Sie in der Hand, mit einer körperwarmen Wärmflasche oder einem Körnerkissen wärmen und ihnen einen Nestersatz schaffen (zum Beispiel Stofftücher zu einer Mulde formen).

Wichtig:

Wenn Sie einen hilfsbedürftigen Wildvogel finden, sollte jeder Einzelfall immer individuell mit einer sachkundigen Stelle wie einer Wildtierauffangstation, Wildtierhilfe, Tierklinik oder Tierarztpraxis besprochen werden – und das möglichst bevor das Tier vom Fundort entfernt wird. Die genannten Stellen werden Ihnen weitere Handlungsempfehlungen zum richtigen Umgang mit dem gefundenen Tier geben.

So können Sie Wildvögeln grundsätzlich Gutes tun:

  • Stellen Sie Vogeltränken auf dem Balkon oder im Garten auf – das ist besonders an heißen Sommertagen wichtig. Diese sollten täglich gereinigt und mit frischem sauberem Wasser befüllt werden. Eine Ausstiegshilfe (zum Beispiel ein Stein) kann verhindern, dass Insekten darin ertrinken. In Hitzephasen empfiehlt es sich, zwei Tränken abwechselnd zu benutzen und die nicht genutzte Tränke immer komplett austrocknen zu lassen – so lässt sich vermeiden, dass das Wasser mit Krankheitserregern verunreinigt wird.
  • Naturnahe und insektenfreundliche Gärten mit einheimischen Sträuchern und Pflanzen sind optimal für Vögel. Sie spenden Nahrung, Schatten und verhindern, dass der Boden austrocknet.
  • Versuchen Sie Störungen in der Brutzeit und während der Hitzeperioden zu reduzieren, indem Sie die Gartenarbeit verschieben und keine Hecken schneiden.

Stand: August 2025

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