Wenn Fleisch, dann von der Nase bis zum Schwanz
Was früher ganz normal war, ist heute eher selten geworden: Während Filetstücke, Keulen, Lendchen und Steaks regelmäßig auf dem Speiseplan stehen, lassen sich Tierbestandteile mit hohem Anteil an Bindegewebe oder Organfett und Innereien nur noch selten auf den Tellern finden. Und das obwohl eine Fleischküche einerseits nachhaltiger ist, wenn sie alle Bestandteile des Tiers berücksichtigt und andererseits Gerichte aus Leber, Niere, Zunge und Herz auch schmackhafte Alternativen sein können.
Vorteilhaft am „nose-to-tail“-Konzept ist, dass Lebensmittelverschwendung vermieden wird und durch die Verwertung des ganzen Tiers Ressourcen wie Wasser, Treibstoff und Futtermittel sowie CO2 eingespart und die Umweltbelastung durch die Tierhaltung verringert werden. Denn je mehr vom Tier verwertet wird, desto mehr Personen werden pro Tier satt und desto weniger Tiere müssen gefüttert, verarbeitet und transportiert werden. Auch zollt man dem Tier mehr Respekt, wenn man es als Ganzes wertschätzt.
Die hessische Ahle Wurscht ist ein hervorragendes Beispiel für ein traditionsreiches Produkt, indem nahezu alle Bestandteile des Schlachttiers verwendet werden. Denn in der Ahle Wurscht landen klassischerweise – mit der Ausnahme von Filet und Eisbein – alle Fleischteile vom Schwein.
Einkauf in (Bio-) Qualität
Frisch und preiswert können Fleischteilstücke auf Bio-Höfen oder in Bio-Metzgereien erstanden werden. Beim Kauf sollte darauf geachtet werden, dass die Fleischteile vom Schlachttag stammen und im Kühlschrank gelagert werden. Insbesondere Innereien sind leichter verderblich und innerhalb von zwei bis drei Tagen zu verarbeiten. Wer größere Mengen einkauft und einfriert, sollte diese spätestens nach drei Monaten zubereiten und vor der Zubereitung bis zu 24 Stunden im Kühlschrank auftauen lassen, um den Saftgehalt des Fleisches zu erhalten.
Wie gesund sind Innereien?
Kalbsleber deckt den Tagesbedarf an Folsäure, Rinderherz den an Vitamin B2 und Schweineleber den Tagesbedarf an Eisen. Dass tierische Innereien gute Vitamin- und Nährstofflieferanten sind, ist allseits bekannt. Doch machen sie immer wieder auch Schlagzeilen aufgrund nachgewiesener Schadstoffe wie Cadmium, Blei, Dioxine oder Quecksilber.
Zu den Aufgaben der Leber zählt es beispielsweise, dem Körper Schadstoffe zu entziehen. Manche Umweltschadstoffe können sich daher in der Leber der Tiere anreichern. Die Menge an Schadstoffen, die beim Verzehr von Leber aufgenommen wird, hängt damit von der Umgebung ab, in der das Tier aufgewachsen ist und von der Zeit, in der sich die Schadstoffe anreichern konnten, also dem Alter des Tieres.
In der Regel stammen die Innereien von vergleichsweise kurzlebigen Tieren wie Kalb, Schwein oder Geflügel. Erfolgt der Verzehr von Leber wie empfohlen im Rahmen einer ausgewogenen Mischkost, ist die Aufnahme von Schadstoffen in Relation zu den konsumierten Mengen begrenzt. Dies gilt insbesondere dann, wenn nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) nur ein- bis zweimal pro Woche Fleisch und Wurstwaren (nicht mehr als 300 Gramm pro Woche) verzehrt werden und somit deutlich weniger, dafür aber qualitativ hochwertiges Fleisch zubereitet wird.
Schwangere sollten laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) aufgrund des hohen Gehaltes an Vitamin A vorsorglich darauf verzichten, Leber zu verzehren und auch leberhaltige Produkte nur selten und in geringem Maße zu sich nehmen. Auch für Menschen, die unter Gicht leiden, ist ein Verzehr von Leber und anderen Innereien aufgrund der hohen Gehalte an Purin nicht angeraten. Innereien von Tieren enthalten mehr Cholesterin als das Muskelfleisch. Wer auf eine cholesterinarme Ernährung achtet, sollte dies berücksichtigen.
Innereien vom Wild
Innereien wildlebender Tierarten wie von Wildschweinen, Rehen, Damwild oder Hasen sollten nur gelegentlich, das heißt alle zwei bis drei Wochen verzehrt werden, empfiehlt das BfR. Grund dafür ist, dass Innereien von Wild zum Teil hohe Gehalte an gesundheitsschädlichen Substanzen wie Dioxinen, polychlorierten Biphenylen (PCB) sowie anderen Schadstoffen aufweisen. Vom Verzehr von Wildschweinleber wird grundsätzlich abgeraten, da diese häufig sehr hohe Gehalte an sogenannten per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) aufweist.
Leber, Herz und Magen
Gerichte aus dem Herz von Kalb, Rind, Schwein oder Lamm gelten als Delikatesse, werden jedoch immer seltener verzehrt. Gedünstet, geschmort oder gegrillt erinnert der Geschmack an Wildfleisch und kann je nach Zubereitungsart ganz neue Geschmackserlebnisse hervorrufen. Die Mägen von Schwein, Geflügel und Schaf oder der Pansen von Wiederkäuern werden oft in Streifen geschnitten (Kutteln) oder gefüllt (Saumagen) angeboten. Kutteln finden auch in Suppen, Ragouts und Eintöpfen Verwendung.
Daneben ist auch die Niere von Schwein, Lamm, Kalb oder Geflügel, die Wachstumsdrüse (Bries), das Hirn oder die Lunge von Kalb oder Lamm essbar. Während die Wachstumsdrüse und das Hirn leicht nussig schmecken, ist der Geschmack der Lunge vergleichsweise neutral und wird häufig sauer zubereitet zum Beispiel mit Zitronen und Weißweinessig. Die Zunge von Rind, Kalb oder Lamm ist ein fettarmer und nährstoffreicher Eiweißlieferant. Sie zählt zu den beliebtesten Innereien und wird gedünstet, geschmort oder als Ragout zubereitet. Schweinezungen werden auch häufig in Wurst verarbeitet; gepökelte Zungen finden sich oft als Aufschnitt in der Metzgereiauslage.
Ahle Wurscht als Vorbild
Tatsächlich sind in verschiedenen Wurstwaren wie Blut-, Leber- oder Presswurst sehr verschiedene Bestandteile wie Schweineschwarte, Leber, Kopffleisch sowie Schweineblut, Schweinefüße oder -schwänze verarbeitet. Dass Wurstwaren so beliebt sind, zeigt, dass auch Fleischgerichte wieder mehr auf die vermeintlich unpopuläreren Tierbestandteile setzen könnten. Sie eröffnen neue Geschmackshorizonte und können auch in preislicher Hinsicht attraktiver sein als die Edelstücke.
Mit Crowdbutching Schlachttiere teilen
Wem ein Viertel Kuh zu viel ist, der kann Crowdbutching (von engl. Crowdfunding – Schwarmfinanzierung und butching – Schlachtung) ausprobieren. Beim Crowdbutching beteiligen sich Verbraucherinnen und Verbraucher nicht an einem Unternehmen, sondern an einem Tier – zum Beispiel einem Rind oder einem Schwein. Sie kaufen Teile des Tieres ein, welches erst dann geschlachtet und verkauft wird, wenn das ganze Tier verkauft wurde. So wird gewährleistet, dass das ganze Tier verwertet und keine essbaren Bestandteile weggeworfen werden.
Eine nachhaltige Verwertung bedeutet auch, dass neben den verzehrbaren Bestandteilen alle weiteren Teile des Tieres, wie die Haut (Lederwaren) oder die Federn (Daunenwaren) genutzt und verarbeitet werden.