Was sagt das Gesetz aktuell?
Noch ist es gesetzlich/rechtlich zugelassen, Hühnerküken kurz nach dem Schlupf in den Brütereien zu töten. Diese Praxis findet bei den männlichen Küken Anwendung. Begründet wird dieses Vorgehen damit, dass nur die weiblichen Küken als Legehennen für die Eierproduktion eingesetzt werden können. Die männlichen Küken der Legehennen-Zuchtlinien setzen bei der Mast vergleichsweise wenig Fleisch an. Aus diesem Grund werden sie aktuell selten als Masthähnchen aufgezogen. Die überwiegende Mehrheit der männlichen Küken wird nach dem Schlüpfen mit dem Gas CO2 eingeschläfert und entweder als direktes Futtermittel für Großtiere, zum Beispiel in Zoos oder Tierparks, genutzt oder zu Tierfutterzwecken weiterverarbeitet – geschreddert werden die Küken in aller Regel nicht.
Das Gesetz wird angepasst – was sich zukünftig ändert
In Deutschland werden jedes Jahr etwa 45 Millionen männliche Küken getötet. Das ist nur noch übergangsweise erlaubt, denn zum 01.01.2022 tritt das Verbot zur Tötung geschlüpfter Küken in Kraft. Ab dem 01.01.2024 ist es darüber hinaus untersagt, Hühnerembryonen nach dem sechsten Bebrütungstag, also noch im Ei befindlich, auszusortieren und zu töten. Der aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand sagt aus, dass der Embryo ab diesem Zeitpunkt Schmerzen empfinden kann. Eine Tötung nach dieser Frist würde dann dem ersten Paragraphen des Tierschutzgesetzes widersprechen, der besagt, dass keinem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden dürfen.
Alternativen zur Küken-Tötung
Bereits seit einigen Jahren engagieren sich immer mehr Initiativen für Alternativen zum Töten der männlichen Küken. In diesem Zusammenhang haben sich auch viele Verbraucherinnen und Verbraucher zum Umgang mit den männlichen Geschwistern der Legehennen-Küken informiert. Welche Alternativen zur Küken-Tötung gibt es und wie erkenne ich entsprechende Produkte?
Verfahren zur Geschlechterbestimmung
Um diejenigen Eier, die sich zu männlichen Küken entwickeln, bereits während des Bebrütens aussortieren zu können, werden neue Verfahren entwickelt. Diese sollen helfen, das Geschlecht des Kükens vor dem Schlüpfen zu bestimmen. Entsprechende Forschungsvorhaben und Initiativen werden von der Bundesregierung gefördert.
Die Verfahren bestimmen das Geschlecht des Embryos direkt im Brut-Ei.
Das funktioniert schon heute anhand der Messung der Hormone direkt im Ei. Weil diese Methode allerdings bei einer Bebrütungszeit angewendet wird, die über das maximale Zeitfenster der vorgegebenen sechs Tage hinausgeht, müssen für die Zeit ab dem 01.01.2024 Alternativen gefunden werden. Eine solche Alternative kann die spektroskopische Methode sein, bei der anhand eines Lasers und reflektierender Lichtstrahlen das Geschlecht des Eis bestimmt wird. Da diese Analyse schon am vierten Tag der Bebrütung erfolgen kann, besteht die Möglichkeit, nur die weiblichen Eier weiter zu bebrüten, aus denen sich Legehennen entwickeln und die männlichen Eier auszusortieren. Darüber hinaus beschäftigt sich ein aktuelles Forschungsprojekt derzeit mit einem Verfahren per Kernspintomografie (MRT), das neben dem Geschlecht auch den Befruchtungsstatus bestimmt. Im Gegensatz zur spektroskopischen Methode entsteht bei diesem Verfahren kein Loch, das als Eintrittspforte für Keime in das Ei fungieren kann. Doch die flächendeckende Einführung von Methoden zur Geschlechterbestimmung ist kostenintensiv und wird Zeit in Anspruch nehmen. Auch haben die besten Techniken eine gewisse Fehlerquote. Für die Methoden der Geschlechtsbestimmung der Brut-Eier wird von einer Fehlerquote zwischen zwei und fünf Prozent ausgegangen. Das heißt, dass in jedem Fall zukünftig männliche Küken aufgezogen werden müssen. In jedem Fall entfallen die männlichen Küken als Tierfutter, welches anderweitig zugekauft werden muss.
Aufzucht der männlichen Geschwister – Bruderhahn-Konzepte
Es gibt auch Ansätze, die ohne die Bestimmung des Geschlechts und ein anschließendes Aussortieren der männlichen Küken auskommen. Dazu zählen beispielsweise Bruderhahn-Initiativen, welche das Ausbrüten und die Aufzucht der männlichen Geschwister – der sogenannten Bruderhähne – unterstützen. Da die Brüder der Legehennen-Küken ebenfalls aus der leistungsstarken Legehennen-Zuchtlinie stammen, die sich für die Produktion von Konsumeiern eignet, setzen sie bei der Mast wenig Fleisch an. Auch ist die für die Mast beanspruchte Zeit sowie die Zeit bis zur Verarbeitung des Fleisches im Vergleich zu Masthähnchen deutlich erhöht. Pro Tier werden also mehr Ressourcen wie Futter oder Zeit investiert als bei der herkömmlichen Haltung. Die Kosten für den Mehraufwand bei der Aufzucht werden aktuell über einen Aufpreis beim Verkauf der Eier gegenfinanziert. Dieser liegt pro Ei der Geschwisterhenne bei circa vier Cent. Und auch künftig wird wichtig sein, dass die Mehrkosten nicht durch eine Intensivierung in der Haltung zu Ungunsten des Tierwohls kompensiert werden. Eier und Fleischprodukte von Bruderhahn-Initiativen finden sich derzeit vorwiegend auf dem ökologischen Markt.
Zweinutzungshühner
Lange Zeit wurden Hühnerrassen gezüchtet, die sich sowohl durch eine hohe Legeleistung der Hennen als auch durch einen guten Fleischansatz der Hähne auszeichneten. Auf diese Weise dienten die Tiere gleichermaßen als Eier- und als Fleischlieferanten. Im Zuge der landwirtschaftlichen Industrialisierung wurde dann zur Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft die Hybridzucht entwickelt. Aus dieser Zuchtmethode entstanden zwei getrennte Zuchtlinien: Die Legelinie und die Mastlinie. Während die Legelinien eine höhere Legeleistung kennzeichnet (ca. 300 Eier pro Jahr pro Henne), zeichnet die Mastlinien eine kurze Mastzeit (ca. 5 Wochen) bis zum Schlachtgewicht der Masthähnchen aus.
Bei der Aufzucht von Zweinutzungshühnern entscheidet sich der Geflügelbetrieb nun bewusst wieder für eine alte Hühnerrasse, die sich sowohl für die Produktion von Legehennen als auch für die Aufzucht und Weiterverarbeitung von Masthähnchen eignet zum Beispiel die Zweinutzungsrasse „Les Bleus“. Insgesamt liegt dabei die Legeleistung der Hennen, das heißt die Anzahl und Größe der gelegten Eier, und der Fleischansatz sowie die Mastgeschwindigkeit der Masthähnchen unter der von herkömmlichen Legehennen bzw. Masthähnchen, gleichzeitig wurden und werden weiterhin durch Züchtungen auch leistungsstarke Zweinutzungsrassen etabliert. Bei der Haltung von Zweinutzungshühnern werden beide Tiere, Legehennen und Masthähnchen, aufgezogen.
Wie erkenne ich Bruderhahn- und Zweinutzungshuhn-Produkte?
Die Bruderhahn-Initiative Deutschland e.V. (B∙I∙D) gründete sich bereits im Jahr 2012. Inzwischen gibt es zahlreiche weitere Initiativen, die bei der Erzeugung die Aufzucht der männlichen Küken garantieren. Zu ihnen zählen unter anderen „Herzbube“ (Penny), „Spitz & Bube“ (REWE), „Bruder-Ei“ (SuperBioMarkt, Nordrhein-Westfalen), „Haehnlein“ (Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg), „Basic Bruderherz-Eier“,“Sonnenei“ (Mustergeflügelhof LEONARD HÄDE GmbH, Hessen) oder „Zeit zum Leben“ (Westerwald-Bio GmbH Eschenburg, Hessen). Inzwischen gibt es auch Siegel, beispielsweise „Ohne Küken-Töten: respeggt“, die für Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich machen, dass für die Produktion der Konsumeier keine männlichen Küken getötet wurden.
Auch gibt es zahlreiche Zusammenschlüsse sowie hessische Betriebe, die Produkte aus der Aufzucht von Zweinutzungshühnern vermarkten. Zu ihnen zählen die Bio Frischgeflügel Roth GmbH & Co. KG Witzenhausen-Unterrieden, der Mustergeflügelhof LEONHARD HÄDE GmbH im Rahmen seines Projektes „‘ne runde Sache – zurück zum Glück“, der Sandhof Rodgau, der Biolandhof Sanrock in Wehretal-Reichensachsen und der Rautenbachhof Witzenhausen-Blickershausen sowie die Die Bio-Hennen AG (Süddeutschland) und die Initiative Zweinutzungshuhn (bundesweit).
Tipp:
Für die Henne-und-Hahn-Aufzucht werden in der Regel Legerassen verwendet, welche sandfarbene Eier legen. Man kann diese Eier also sofort anhand ihrer Farbe erkennen. Ist das Ei sandfarben – also weder weiß noch braun – ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die männlichen Küken beim Schlupf nicht getötet wurden.
Ausstieg aus der Küken-Tötung: Hessen als erstes Bundesland mit rechtskräftigem Verbot
Bereits 2015Öffnet sich in einem neuen Fenster setzte sich Hessen als zu diesem Zeitpunkt einziges Bundesland mit rechtskräftigem Verbot für den Ausstieg aus der Küken-Tötung ein, wenn eine markt- und serienreife Technik zur Verfügung steht. Die Forschung der Uni Leipzig zur Entwicklung eines Prototyps zur Geschlechtsbestimmung hatte Hessen 2004 initiiert und zunächst als einziges Bundesland mitfinanziert. (Kup)
Stand: März 2021