Weizen – Nahrungsmittel seit Jahrtausenden
Aus der Ernährung ist Weizen kaum weg zu denken. Weltweit ist es das wichtigste Getreide. Doch spätestens seit dem Erscheinen verschiedener Sachbücher, welche den Weizen als Verursacher von Diabetes, Adipositas und Herz-Kreislauferkrankungen, vorzeitiger Alterung, Sucht und diversen Hauterkrankungen verteufeln, genießt das Urgetreide in unseren Breitengraden keinen guten Ruf mehr.
Es gibt keine wissenschaftlichen Belege für die Behauptungen
Sicher ist jedoch: Die Aussagen der Buchautoren, dass diverse Erkrankungen mit dem Konsum von Weizen zusammenhängen würden, sind unzureichend, denn nach wie vor fehlen groß angelegte Langzeitstudien für stichfeste Beweise. Außerdem sind die meisten der in den Sachbüchern getätigten Behauptungen aus dem wissenschaftlichen Zusammenhang gerissen oder stellen eine Durchmischung unterschiedlichster Sachverhalte dar.
So ist die Herzinfarktrate in Deutschland durch den Weizenkonsum in den letzten 20 Jahren nicht angestiegen, sondern sogar gesunken. Auch zu den Behauptungen bezüglich eines Zusammenhangs von Demenz und dem im Weizen enthaltenen Gluten, eines morphinähnlichen Suchtpotentials des Glutens oder vermeintlich schneller abbaubaren Kohlenhydrate modernerer Weizensorten gibt es keinerlei Belege.
Viele Menschen ernähren sich heutzutage durch weizenhaltige Snacks, Fertiggerichte, Süßigkeiten und Fast Food. Das enthaltene Gluten bietet dort viele lebensmitteltechnologische Vorteile und wird für die Wasserbindung oder zur Stabilisierung eingesetzt. Erkrankungen, wie Adipositas oder Diabetes sind jedoch eher den großen Mengen an Zucker und Fett zuzuschreiben, welche ebenfalls in diesen Lebensmitteln enthalten sind.
Nichtsdestotrotz gibt es Erkrankungen die mit dem Verzehr von Getreide in Zusammenhang gebracht werden:
Zöliakie und Weizenallergie
Häufig wird Weizen mit dem Klebereiweiß des Getreides – dem Gluten – in einen Topf geworfen. Gluten ist ein Gemisch aus unterschiedlichen Eiweißen, welches für die Backfähigkeit des Teiges von großer Bedeutung ist und in verschiedenen Getreidesorten vorkommt. Bei Personen mit der angeborenen Autoimmunerkrankung Zöliakie kann das Gluten tatsächlich eine krankmachende Wirkung entfalten. Durch den Kontakt mit Gluten bildet der Körper von Zöliakiepatienten Antikörper. Dies wiederum löst eine Immunantwort aus, die Bauchschmerzen, Durchfall, Blähungen oder eine schlechte Gewichtszunahme mit sich bringt. Dies gilt jedoch nicht nur bei der Weizenaufnahme, sondern auch bei der Zufuhr anderer Getreidearten wie Roggen, Dinkel, Gerste, Hafer, Emmer und Urkorn. Von Zöliakie sind derzeit etwa ein Prozent der deutschen Bevölkerung betroffen. Um eine Zöliakie diagnostizieren zu können, bedarf es des Nachweises von spezifischen Antikörpern im Blut. Des Weiteren muss eine Biopsie des Darmgewebes durchgeführt werden.
Wer an einer Zöliakie erkrankt ist, hat als einzige Behandlungsmöglichkeit nur einen kompletten Verzicht von glutenhaltigen Lebensmitteln und muss auch im Alltag in der Küche und unterwegs den Kontakt zu diesen Speisen meiden. Bereits geringe Mengen von Gluten können Entzündungen der Darmschleimhaut verursachen und infolge dessen zu einer Rückbildung der Darmzotten führen und so die Nährstoffaufnahme beeinträchtigen.
An einer Weizenallergie leiden noch weniger Menschen, als an der Zöliakie (etwa 0,1 Prozent der deutschen Bevölkerung). Dabei reagieren betroffene Personen ebenfalls auf die Proteine im Weizen. Eine solche Allergie kann auch bei anderen Getreidesorten auftreten. Zu den Symptomen zählen typische allergische Reaktionen, wie Schwellungen des Mundes und der Nase, tränende und juckende Augen, Hautausschläge, Blähungen, Durchfall oder Übelkeit. Nachweisen lässt sich die Allergie mittels Pricktest und Antikörpern im Blut.
Weizensensitivität – nicht Zöliakie, nicht Allergie
Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall, Müdigkeit und Leistungsabfall können auch auf eine Weizensensitivität hindeuten. Hier treten die Symptome nach dem Verzehr von Weizen, Roggen und Hafer auf, stehen aber in keinerlei Verbindung mit Zöliakie oder einer Allergie. Dennoch muss dies ärztlich abgeklärt werden. Wie häufig eine Weizensensitivität auftritt, ist nicht ganz eindeutig. So liegt der geschätzte Anteil der erkrankten Personen an der Gesamtbevölkerung in Deutschland zwischen 0,5 und 13 Prozent. Grund dafür ist unter anderem eine fehlende präzise Diagnose.
Ist der Hochleistungsweizen schuld an all dem Übel?
In den 1980er Jahren nahm man an, dass die Weizensensitivität mit dem Klebereiweiß Gluten in Verbindung stünde. Doch heute weiß man, dass stattdessen die sogenannten Amylase-Tripsin-Inhibitoren, kurz ATI, welche in allen Getreidesorten vorkommen, die Übeltäter für die Beschwerden sind. Diese Eiweiße bewirken eine Aktivierung des Immunsystems und können Entzündungsreaktionen hervorrufen. Relevant für eine Überempfindlichkeit sind hauptsächlich ATI in Weizen, Gerste und Roggen.
Häufig wird den modernen gezüchteten Weizensorten nachgesagt, einen hohen Gehalt dieser ATI aufzuweisen. Diese Behauptungen sind jedoch falsch. Stattdessen scheinen vielmehr die Weizensorte sowie Umwelteinflüsse, zum Beispiel Klima, Düngung oder Standort des Getreideanbaus Auswirkungen auf den ATI-Gehalt zu haben.
Wer an einer Weizensensitivität leidet, muss nicht gänzlich auf Getreideprodukte verzichten. Bereits ein geringerer Verzehr dieser Lebensmittel kann Beschwerden lindern.
FODMAPS können Grund für Beschwerden darstellen
Auch die sogenannten nicht resorbierbaren FODMAPs könnten eine Auswirkung auf die Verträglichkeit von Weizen haben. Unter FODMAPs versteht man Mehrfach-, Zweifach-, Einfachzucker und mehrwertige Alkohole – also bestimmte Kohlenhydrate und Zuckeralkohole. Diese kommen zwar in vielen Nahrungsmitteln vor, können aber im Dünndarm nur schlecht resorbiert werden. Stattdessen wandern sie schnell weiter in den Dickdarm, wo sie von Bakterien fermentiert werden. Eine erhöhte Gasbildung, die mit Blähungen, Völlegefühl und Bauchschmerzen einhergeht, ist die Folge.
Allerdings: FODMAPS sind weder bedenklich für die Gesundheit, noch giftig. Sie können lediglich bei einigen Personen zu Verdauungsbeschwerden führen oder eine bestehende Reizdarm-Symptomatik verstärken.
In allen Getreidesorten – alt wie neu – finden sich diese FODMAPs in ähnlichen Mengen wieder. Während der Verarbeitung zu beispielsweise Brot, können sie allerdings durch die Hefe- und/oder Sauerteiggärung binnen einer bis drei Stunden abgebaut werden.
Verzicht auf Weizen nicht sinnvoll
Gesunde Personen müssen und sollten auf Weizen nicht verzichten. Dazu gehören etwa 90 bis 95 Prozent der Bevölkerung.
Die vermeintlich positiven Effekte einer weizen- und glutenfreien Ernährung auf die Gesundheit, die Figur und das jüngere Aussehen sind wissenschaftlich nicht haltbar.
Stattdessen ist der Verzehr von Weizen und anderen Getreidevollkornsorten sogar sehr empfehlenswert, da diese reich an Ballaststoffen, Eiweiß, B-Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen sind, die Verdauung fördern und sich günstig auf den Cholesterin- und Blutzuckerspiegel auswirken. Darüber hinaus wirken sie langanhaltend sättigend und können das Darmkrebsrisiko verringern.
Wer dennoch an sich selbst feststellt, Weizen nicht zu vertragen, sollte dies in jedem Fall beim Hausarzt abklären lassen.(sie)
Stand: Februar 2023