Wäre es nicht wunderbar mit wenig Aufwand und wenigen Klicks die eigenen Stromkosten deutlich zu senken? So lauten zumindest die Versprechen, die Stromanbieter mit ihren variablen Stromtarifen bewerben. Bereits jetzt verlangt der Gesetzgeber von Anbietern mit mehr als 100.000 Kunden, dass sie einen dynamischen Tarif anbieten. Ab 2025 wird das dann für alle Stromanbieter in Deutschland verpflichtend sein.
Doch vor der Auswahl eines neuen Anbieters sollten sich Verbraucher genau informieren, ob ein dynamischer Stromtarif für sie wirklich günstiger ist und welche Voraussetzungen notwendig sind, damit die Hoffnung auf eine Ersparnis nicht trügt.
Zusammensetzung des Strompreises
Das Geld, dass letztlich an den Stromanbieter fließt, macht mittlerweile nur noch rund die Hälfte des eigentlichen Strompreises aus. Darin beinhaltet sind Provisionen, Gewinnmargen oder Grundentgelte wie Vertriebskosten. Maßgebliche Kostenanteile sind aber auch Netzentgelte für den Transport zum Kunden und Steuern sowie Abgaben, die vom Gesamtpreis an den Staat gehen.
Wer erfahren möchte, wie hoch der tatsächliche Preis nur für den gelieferten Strom ist, müsste sich mit einem komplexen Berechnungsschema auseinandersetzen und die Aufschläge seines Lieferanten kennen. So werden im Kostensegment „Abgaben und Steuern“ beispielsweise die Mehrwertsteuer nach Prozent des jeweils aktuellen Steuersatzes erhoben. Die Stromsteuer selbst hat hingegen einen Festbetrag von 2,05 ct und die Konzessionssteuer wird über einen Einwohner- und Kommunalschlüssel errechnet und kann zwischen 1,32 ct und 2,39 ct liegen. Zusätzlich zu den genannten Einzelkosten kommen ein „KWK-Aufschlag“, StromNEV-§19-Betrag und die Offshore-Netzumlage.
Ein Blick auf die beiden Jahresdurchschnittswerte „Strompreis an der Strombörse“ und „Verkaufspreis pro kWh“ lassen einen schnellen Rückschluss zu, inwieweit ein dynamischer Stromtarif Kosten-Einsparungspotentiale bergen könnte. So wurde in Deutschland 2023 im Schnitt 42 ct für eine Kilowattstunde vom Verbraucher fällig. Im gleichen Zeitraum lag der Preis für eine Kilowattstunde Strom an der Strombörse laut Bundesnetzagentur bei rund 9 ct. Daraus lässt sich erkennen, dass ein dynamischer Tarif nur ca. ein Viertel des Gesamtstrompreises beeinflussen kann.
Strompreis-Dynamik durch Börsenhandel
Auch wenn nur rund ein Viertel des Strompreises durch den Börsenhandel beeinflusst wird, gibt dieser die Preisentwicklung im Stromhandel vor. Ausschlaggebend ist dabei, wie viel Strom zu welchem Zeitpunkt im Angebot istoder sein wird. Je höher das Stromangebot, desto geringer der Preis. Der Strompreis wird im Voraus für den Folgetag festgelegt und ändert sich auch im Tagesverlauf. Insbesondere Solarstrom lässt daher die Preise im Sommer zur Mittagszeit purzeln. Diese schwankende Preisbildung machen sich die Anbieter von dynamischen Tarifen zunutze. Während im klassischen Tarifhandel langfristige Lieferverträge die Grundlage sind und damit auch Risikozuschläge eingepreist werden müssen, reicht ein Anbieter eines variablen Stromtarifs den aktuellen Preis an den Endkunden weiter. Somit wird das Risiko, dass ein Strompreis steigt vom Anbieter auf den Kunden verlagert.
Voraussetzungen für dynamische Strompreise
Die abgenommene Strommenge wird stündlich an den Stromlieferanten übermittelt und dieser kann daraus den Rechnungsbetrag bilden. Um einen dynamischen Tarif abzuschließen, benötigt man einen Smartmeter zur Verbrauchsablesung. Das Gerät besteht aus zwei Teilen - einer Messeinheit und einem Kommunikationsmodul, welches die Verbrauchswerte digital übermittelt. Es gibt aber auch Anbieter, die für Haushalte mit alten analogen Zählern Erfassungsgeräte anbieten. Alternativ kann auch eine Monatsabrechnung gewählt werden. In diesem Fall liest der Stromkunde zum Monatsende den Zählerstand ab und der Anbieter berechnet aus dem Strompreisverlauf des abgelaufenen Börsenmonats die Stromkosten.
Risiken dynamischer Stromtarife
Dynamische Tarife im Griff zu haben bedingt, dass der Verlauf des Strompreises an der Börse vom Kunden beachtet wird. Krisen oder technische Pannen können den Preis innerhalb eines Tages stark schwanken lassen. Ende Juni 2024 sorgte eine technische Panne an der Strombörse in Paris dafür, dass die Preise durch die Decke gingen. Zwar versuchen die Stromtarif-Anbieter ihre Kunden vor solchen Auswirkungen zu warnen, doch muss jeder Kunde auch ein Auge auf seinen Strombezug haben und bei Vorkommnissen eigenständig reagieren.
Ebenfalls möglich ist eine Dunkelflaute. Mit diesem Begriff benennt die Energiewirtschaft Phasen, in denen aufgrund von Windstille und gleichzeitiger mangelnder Sonneneinstrahlung kein oder nicht genug regenerativer Strom zur Verfügung steht. Um das Netz stabil zu halten und die Liefermengen für die Kunden sicherzustellen, müssen die Stromanbieter auf teuren Strom aus Gas- oder sogar Kohlekraftwerken und Atommeilern zurückgreifen. Eine solche Dunkelflaute hat unmittelbar Einfluss auf den Stromhandel und die Preise können sich vervielfachen. Wie lange ein solcher Zeitraum dauert ist vom Wetter abhängig.
Für wen lohnen sich dynamische Strompreisverträge?
Interessant sind variable Tarife besonders für Abnehmer größerer Strommengen, die zeitlich gesteuert werden können. Wer sein E-Auto im Sommer zur Mittagszeit laden kann, hat einen Vorteil durch das große Stromangebot bei niedrigen Preisen. Sollte ein eigener Stromspeicher im Haushalt vorhanden sein, könnte dieser ebenfalls zu Zeiten geladen werden, wenn ein großes Stromangebot bei niedrigen Preisen vorherrscht. Am Abend kann dann aus dem Speicher der Strombedarf gedeckt werden. Auch für Haushalte, die ihren direkten Stromverbrauch planen können, beispielsweise die Waschmaschine in Zeiten großen und billigen Stromangebots laufen zu lassen, wären im Vorteil bei einem dynamischen Tarif. Wer auf der Verbrauchsseite smarte Geräte einsetzt, die digital gesteuert ihren Strom dann aufnehmen, wenn er günstig zu haben ist kann von einem dynamischen Tarif profitieren. (eck)
Stand: November 2024