Änderungen in der Pflegeversicherung
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Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff
Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff orientiert sich nicht mehr am Grad der Hilfebedürftigkeit, der in Minuten berechnet wurde, sondern am Grad der Selbstständigkeit einer Person. Er berücksichtigt neben körperlichen Einschränkungen auch psychische und geistige Einschränkungen.
Tab. 1: Die Leistungen der Pflegeversicherung ab 2017 im Überblick
Leistungen |
Pflegegrad 1 |
Pflegegrad 2 |
Pflegegrad 3 |
Pflegegrad 4 |
Pflegegrad 5 |
Pflegegeld |
316 € |
545 € |
728 € |
901 € |
|
Pflegesach-leistung |
689 € |
1.298 € |
1.612 € |
1.995 € |
|
Tages- und Nachtpflege |
689 € |
1.298 € |
1.612 € |
1.995 € |
|
Entlastungsbetrag |
125 € |
125 € |
125 € |
125 € |
125 € |
stationäre Pflege |
125 € |
770 € |
1.262 € |
1.775 € |
2.005 € |
Die Überleitung der Pflegestufen in Pflegegrade
Kein Pflegebedürftiger, der bereits vor der Gesetzänderung eingestuft wurde, soll weniger Leistungen als vorher beziehen. Dazu wurden umfangreiche Überleitungs- und Bestandschutzregelungen getroffen. Die Überführung der bestehenden Pflegestufen in die neuen Pflegegrade erfolgte nach festen Regeln und automatisch. Es war kein Antrag dazu nötig, es erfolgte auch keine neue Begutachtung.
Für die Überleitung gilt, dass eine pflegebedürftige Person ohne Einschränkung der Alltagskompetenz in den nächsthöheren Pflegegrad eingeordnet wurde, während eine pflegebedürftige Person mit Einschränkung der Alltagskompetenz in den übernächsten Pflegegrad eingeordnet wurde.
- Ohne Einschränkung der Alltagskompetenz: Pflegestufe + 1 = Pflegegrad
- Mit Einschränkung der Alltagskompetenz: Pflegestufe + 2 = Pflegegrad
Beispiele: Herr G. hat Diabetes und die Pflegestufe 2. Ab dem 01.01.2017 wurde Herr G. dem Pflegegrad 3 zugeordnet.
Frau H. leidet unter Demenz. Neben der Pflegestufe 1 ist eine eingeschränkte Alltagskompetenz festgestellt worden. Ab dem 01.01.2017 wurde Frau H. dem Pflegegrad 3 zugeordnet.
Bestandsschutz nach Überleitung
Für den sich ergebenden Pflegegrad besteht Bestandsschutz. Wenn sich bei einer späteren Begutachtung nach dem neuen Recht ein geringerer Pflegegrad ergeben würde, bleibt es beim höheren Pflegegrad, wie er nach den Überleitungsregelungen ermittelt wurde. Der Bestandsschutz gilt auch bei einem Wechsel der Krankenkasse. Zudem soll eine Besitzstandsgarantie für bisher bezogene Leistungen sicherstellen, dass Verbraucher, die 2016 Anspruch auf Pflegegeld und Pflegesachleistungen hatten, 2017 mindestens so viel wie vorher erhalten.
In Pflegeheimen gibt es ab dem 01.01.2017 einen einrichtungseinheitlichen Eigenanteil für Pflegebedürftige. Dessen Höhe ist nicht mehr abhängig vom Grad der Pflegebedürftigkeit. Dadurch kann es dazu kommen, dass der Eigenanteil vor allem in niedrigen Pflegegraden steigen würde. Aber auch für diesen Eigenanteil gilt eine Besitzstandsgarantie. Die Pflegekasse muss in den Fällen, in denen der Eigenanteil von Pflegebedürftigen im Heim durch die Umstellung auf die Pflegegrade steigt, an das Pflegeheim einen Zuschlag zahlen, der die Differenz abdeckt.
Die neue Begutachtung
Bei einer Antragstellung auf Pflegebedürftigkeit ab dem 01.01.2017 begutachten Gutachter (in der Regel des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, MDK) nach den neuen Begutachtungsrichtlinien.
TIPP: Pflegebedürftige sollten bei der Begutachtung, die in der Regel zu Hause erfolgt, möglichst eine Vertrauensperson bei sich haben. Sie können sich vorbereiten, indem Sie sich schon vorab z.B. durch das Ausfüllen einer Checkliste Gedanken über den bestehenden Hilfebedarf machen. Der Ratgeber der Verbraucherzentrale „Das Pflegegutachten“ enthält eine umfangreiche Checkliste.
Bei der Begutachtung wird in sechs Modulen erfasst, ob eine Person eine Tätigkeit „selbstständig“, „überwiegend selbstständig“, „überwiegend unselbstständig“ oder nur „unselbstständig“ ausführen kann oder Einschränkungen aufweist. Beispiele:
- Mobilität: Kann die Person ihre Position im Bett alleine verändern, sich im Stuhl aufrecht halten und sich ohne Hilfe von anderen Personen bewegen?
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Ist die Person örtlich und zeitlich orientiert, kann sie Risiken und Gefahren erkennen, kann sie Bedürfnisse äußern?
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Ist die Person nachts sehr unruhig, aggressiv sich selbst oder anderen gegenüber?
- Selbstversorgung: Kann die Person Urin und Stuhlgang kontrollieren, zur Toilette gehen, sich selbstständig waschen, anziehen und selbstständig essen?
- Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen oder Belastungen: Müssen Medikamente oder Spritzen verabreicht werden, Verbände gewechselt werden? Fallen regelmäßige Besuche bei Ärzten oder therapeutischen Einrichtungen an?
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Kann die Person ihren Tagesablauf selbstständig gestalten?
Zwischen Antragstellung und der Entscheidung der Pflegekasse dürfen höchstens 25 Arbeitstage (5 Wochen) liegen. Diese Frist galt nicht für das Jahr 2017.
Tab. 2: Die fünf Pflegegrade
Je nach Grad der Selbstständigkeit werden Punkte vergeben, die dann zusammengezählt und unterschiedlich gewichtet werden. Im Ergebnis sind Punktwerte zwischen 0 bis 100 möglich, die die 5 Pflegegrade ergeben:
Pflegegrad |
Einschätzung |
Gewichtete Punkte |
Pflegegrad 1 |
geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten |
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkte |
Pflegegrad 2 |
erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten |
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkte |
Pflegegrad 3 |
schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten |
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkte |
Pflegegrad 4 |
schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten |
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkte |
Pflegegrad 5 |
schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung |
ab 90 bis 100 Gesamtpunkte |
Gesetzlich verankert: regelmäßige Pflegeberatung
Pflegebedürftige, die zu Hause gepflegt werden und Pflegegeld beziehen, müssen sich regelmäßig von einer anerkannten Beratungsstelle beraten lassen:
- bei Pflegegrad 2 und 3 einmal halbjährlich,
- bei Pflegegrad 4 und 5 einmal vierteljährlich.
Menschen mit Pflegegrad 1 und Pflegebedürftige, die Pflegesachleistung beziehen, können einen Beratungsbesuch freiwillig einmal halbjährlich in Anspruch nehmen. Anspruch haben nicht nur Pflegebedürftige selbst, sondern auch deren pflegende Angehörige. Pflegeberater sollen feststellen, ob Pflegebedürftige gut versorgt sind. Sie können aber auch Fragen beantworten und Hinweise zur Pflege, zu Pflegehilfsmitteln und zu Entlastungsangeboten geben. Pflegebedürftige können sich aussuchen, wer die die Pflegeberatung durchführt (Pflegeberater der Pflegekassen, Pflegefachkräfte von zugelassenen Pflegeeinrichtungen und von Beratungsstellen, die von den Pflegekassen anerkannt sind). Bei Bedarf kommen Pflegeberater auch ins Haus. Die Beratungsbesuche müssen der Pflegekasse gegenüber nachgewiesen werden, sonst kann diese das Pflegegeld kürzen oder streichen. Die Kosten übernimmt die Pflegekasse bzw. das private Versicherungsnehmen (bei Pflegegrad 2 und 3 bis zu 23 Euro; bei Pflegegrad 4 und 5 bis zu 33 Euro).
Weitere Informationen:
Ratgeber der Verbraucherzentrale
- Pflegefall – was tun? Schritt für Schritt zu guter Pflege
- Das Pflegegutachten. Antragstellung, Begutachtung, Bewilligung, mit großer Checkliste für den Pflegebedarf
- Pflege zu Hause. Was Angehörige wissen müssen. (Der Titel erscheint im März 2019)
Beratungsangebote der Verbraucherzentrale Hessen
- Kostenfreie telefonische Erstberatung zu Verbraucherrecht, Ernährung, Schulden und Insolvenz sowie Energie-Einsparberatung.
- Persönliche Beratung der Verbraucherzentrale Hessen zu den Themen Gesundheit und Pflege. Kosten: 60 € / 45 Min. Terminvereinbarungen am Servicetelefon.
- Servicetelefon / Auskunft: (069) 97 20 10 -900, Mo bis Do 10 – 16 Uhr, Fr 10 -15 Uhr.
- Homepage: www.verbraucherzentrale-hessen.de
Verfasser: Verbraucherzentrale Hessen e.V., Große Friedberger Straße 13-17, 60313 Frankfurt am Main
Stand: Januar 2020