Hand hält einen Notizzettel in Sprechblasenform auf dem steht: Go Green (zu deutsch: Umweltfreundlich werden). Im Hintergrund sieht man Blätter und Bäume eines Waldes

Wieder heißt es: Achtung bei der Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“

Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt ist eine Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ ohne weitere Erläuterung dieses Begriffs wegen Irreführung zu unterlassen.

Worum geht es bei der Entscheidung?

Hier hat ein Hersteller von ökologischen Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln gegen einen Konkurrenten geklagt.

Die Antragsgegnerin hat auf ihrer Internetseite unter anderem eine Werbung mit dem Logo „klimaneutral“, ohne jegliche weitere Erklärung, geschaltet. Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Eilantrag gegen diese von ihr als irreführend empfundene Werbung.

Welche Positionen vertreten die beteiligten Parteien?

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass es ihrer unternehmerischen Freiheit entsprechen müsse, dass sie die Klimaneutralität seiner Produkte besonders hervorhebt. Schließlich erwarte die Verbraucherin beziehungsweise der Verbraucher einen solchen Hinweis. Im Übrigen liegen dieser Aussage umfangreiche Berechnungen zugrunde. Außerdem würden ihre Produkte vornehmlich in Bioläden verkauft. Bei dem Adressatenkreis des Biomarktkäufers handele es sich jedoch um einen überdurchschnittlich informierten und gebildeten Personenkreis, sodass eine – von der Antragstellerin behauptete – Irreführung gar nicht möglich sei.

Die Antragstellerin sieht die Rechtslage hier gänzlich anders. Ihrer Ansicht nach handelt es sich bei den Aussagen zur Klimaneutralität eines Produktes in der heutigen Zeit um gegenwärtige wertbildende Faktoren.  Dem Verbraucher müssten weitere Erläuterungen zu diesen Aussagen gegeben werden, damit er auch eine autonome und gut informierte Kaufentscheidung treffen könne. Dies sei hier nicht geschehen, weshalb die Werbung mit dem Logo „Klimaneutral“ ohne eine nähere Erläuterung irreführend und deshalb zu unterlassen sei. Außerdem werde die Verbraucherin beziehungsweise der Verbraucher darüber im Unklaren gelassen, ob sich die hervorgehobene Klimaneutralität nur auf die einzelne Herstellung eines konkreten Produktes oder auf die Gesamt-Produktionsweise des Herstellers bezieht.

Dieser Ansicht hat sich auch das OLG Frankfurt angeschlossen. Im Tenor seiner Entscheidung führt es Folgendes aus:

„1. Biomarktkäufer sind gegenüber dem allgemeinen Verkehr kein klar abgrenzbarer Verkehrskreis. Eine trennscharfe Abgrenzung eines Verkehrskreises mit höherem Informations- oder Bildungsgrad ist daher nicht möglich. Maßgeblich ist allein das Verständnis des allgemeinen Durchschnittsverbrauchers.

2. Der Klimaschutz ist für Verbraucher ein zunehmend wichtiges Thema. Die Bewerbung eines Unternehmens oder seiner Produkte mit einer vermeintlichen Klimaneutralität kann daher erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben.

3. Der Begriff "klimaneutral" ist für den verständigen Durchschnittsverbraucher schon aus sich heraus verständlich und hat einen bestimmten Inhalt. Der Durchschnittsverbraucher wird den Begriff im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der C02-Emissionen verstehen, wobei ihm bekannt ist, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden kann. Der Verbraucher muss dabei wissen, ob sich die Klimaneutralität auf das Unternehmen oder auf die angebotenen Produkte oder beides bezieht.

4. Es ist eine Aufklärung darüber erforderlich, ob die in der Werbung behauptete Klimaneutralität ganz oder teilweise durch Einsparungen bzw. durch Kompensationsmaßnahmen erreicht wird. Weiter ist eine Aufklärung darüber erforderlich, ob bestimmte Emissionen von der C02-Bilanzierung ausgenommen wurden. Ferner müssen Informationen bereitgestellt werden, anhand welcher Kriterien die Prüfung für das Gütesiegel erfolgt ist.“

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

Hier hat das OLG in einem vom Landgericht (LG) Frankfurt kommenden Berufungsverfahren entschieden. Es handelt sich vorliegend um eine Entscheidung im Eilverfahren gegen die ein weiteres Rechtsmittel nicht möglich ist. Somit wird es keine weitere Entscheidung in dieser Angelegenheit mehr geben.

Allerdings sollte bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass das OLG Schleswig in einem ähnlich gelagerten Fall eine eher gegensätzliche Position eingenommen hat. Über dieses UrteilÖffnet sich in einem neuen Fenster haben wir bereits im Sommer im Verbraucherfenster berichtet. Es wäre nun wünschenswert, wenn sich der Bundesgerichtshof (BGH) dieser Problematik der Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ annehmen würde und der Verbraucherin beziehungsweise dem Verbraucher eine einheitliche Richtschnur an die Hand gibt, ob die Werbung mit dem Begriff klimaneutral nun irreführend ist oder nicht.

Wie wirkt sich das Urteil am Ende auf die Verbraucher aus?

Die autonome, irrtumsfreie Kaufentscheidung wird durch dieses Urteil gestärkt. Wenn man auf der einen Seite das Verbraucherleitbild eines mündigen, gut informierten Verbrauchers zugrunde legt, muss ein Unternehmen der Verbraucherin beziehungsweise dem Verbraucher andererseits auch die nötigen Informationen an die Hand geben, um eine autonome, gut informierte Kaufentscheidung treffen zu können. Dies gilt insbesondere dann, wenn nur das Unternehmen – wie hier – über diese Informationen verfügt.

Ist die Entscheidung gut?

Ja und nein, Daumen waagerecht. Einerseits ist es gut, zur Irreführung geeigneten Werbeaussagen einen Riegel vorzuschieben. Der Begriff „klimaneutral“ hört sich erst einmal gut an. Jeder will etwas für das Klima tun und mit seinen Kaufentscheidungen das Klima positiv beeinflussen. Aber wenn der Verbraucherin oder dem Verbraucher keine weiteren Informationen zu diesem Begriff an die Hand gegeben werden, kann sie beziehungsweise er keine autonome, gut informierte Kaufentscheidung treffen. 

Andererseits wäre es hier für die Verbraucherin beziehungsweise den Verbraucher wünschenswert gewesen, wenn die Rechtsprechung in Deutschland einheitlich ausfallen würde. Denn nur dann weiß die Verbraucherin oder der Verbraucher, „wo sie oder er dran ist“.

Was kann der Verbraucher jetzt tun?

Die Verbraucherin beziehungsweise der Verbraucher sollte sich von der Werbung mit dem Begriff klimaneutral bei ihrer beziehungsweise seiner Kaufentscheidung nicht beeinflussen lassen.  Es ist in jedem Fall dazu zu raten, sich nähere Informationen darüber zu verschaffen, wie die Klimaneutralität erreicht werden soll. Nach diesem Urteil ist ein Unternehmen dazu verpflichtet, solche Informationen zur Verfügung zu stellen, wenn es mit dem Begriff der Klimaneutralität wirbt. Erst, wenn die Verbraucherin beziehungsweise der Verbraucher sich dann ausreichend gut informiert fühlt, sollte eine Kaufentscheidung für oder gegen ein Produkt getroffen werden.

Wo ist das Urteil zu finden?

Das Urteil des OLG Frankfurt vom 10.11.2022 hat das Aktenzeichen 6 U 104/22.

Stand: Januar 2023

Autor

„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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