Ein Stempel mit der Aufschrift Inkasso liegt auf einem Blatt Papier mit der Aufschrift Rechnung

Verbraucher aufgepasst bei Inkassogebühren!

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) ist es den Stadtwerken München verwehrt, eine Inkassopauschale von 34,15 Euro in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden, die bei Inkassomaßnahmen im Zahlungsverzug ihrer Kunden anfallen sollte.

Worum geht es bei der Entscheidung?

Hier klagt der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) gegen die Stadtwerke München. Stein des Anstoßes ist eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, nach der eine Inkasso-Pauschale in Höhe von 34,15 Euro fällig wird, wenn sich der Verbraucher im Zahlungsverzug befindet und Handlungen eines dritten Unternehmens erfolgen, die sich auf das Eintreiben der Forderung beziehen.

Der Kläger begehrt die Unwirksamkeitserklärung vorgenannter Klausel. Wir befinden uns in der Revisionsinstanz. Die beiden vorangegangenen Instanzen das Landgerichts München I hat zunächst zugunsten des Klägers, die Berufungsinstanz des Oberlandesgerichts München sodann zugunsten der Beklagten entschieden. Nun befinden wir uns in der Revisionsinstanz vor dem Bundesgerichtshof.

Welche Positionen vertreten die beteiligten Parteien?

Der Kläger ist zunächst der Ansicht, dass eine Pauschale von 34,15 Euro für das Eintreiben von Forderungen völlig überhöht ist und den Verbraucher deshalb unangemessen benachteiligt. Nach dem Wortlaut der AGB-Klausel der Beklagten sollte die Pauschale nicht nur dann anfallen, wenn ein Beauftragter der Beklagten den säumigen Kunden zuhause aufsucht, sondern bereits dann, wenn weniger aufwendige Inkassomaßnahmen ergriffen werden. Diese können in einer telefonischen Zahlungserinnerung oder in einem neuerlichen Versenden einer Zahlungsaufforderung zu sehen sein.  Außerdem enthalten die Inkassokosten nach Ansicht des Klägers nicht umlegbare Posten wie zum Beispiel allgemeine Verwaltungskosten, Kosten für den Arbeits- und Zeitaufwand für die außergerichtliche Abwicklung seines Schadensersatzanspruchs oder pro säumigen Kunden eingerechnete IT-Systemkosten. Letztlich verstößt die vorgenannte AGB-Klausel gegen das Transparenzgebot, weil sie auch beim Gasabstellen eingreifen sollte. Letzteres ist jedoch keine Handlung, die auf das Eintreiben einer Forderung gerichtet ist.

Die Beklagte ist hier komplett anderer Ansicht. Sie hält die Pauschale für nicht unangemessen hoch. Dies hat auch die Vorinstanz des OLG München so gesehen. Schließlich veranlassen die Kunden durch eine kontinuierliche Zahlungsverweigerung auch erhöhten Verwaltungsaufwand, insb. IT-Systemkosten. Die außergerichtliche Beilegung von Schadensersatzansprüchen dient einer wünschenswerten Entlastung von Gerichten und verhindert die zweifelsohne kostenaufwendigere Anrufung der Gerichte. Es ist angemessen, den Schuldner nun mit einer Aufwandsentschädigung zu belasten. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt hier ebenfalls nicht vor, da es nur theoretisch zum gänzlichen Gasabstellen kommt, faktisch kommt ein Gasabstellen jedoch nicht vor.

Der Bundesgerichtshof ist hier mit seinen Argumenten der klägerischen Sichtweise gefolgt und hat der Klage vollumfänglich stattgegeben.

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

Hier hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden, das höchste deutsche Zivilgericht. Es wird keine weitere Entscheidung in dieser Angelegenheit mehr geben.

Wie wirkt sich die Entscheidung am Ende auf die Verbraucher aus?

Verbraucherinnen und Verbraucher dürfen sich sicher sein, dass Inkasso-Gebühren immer zur einzutreibenden Forderungshöhe angemessen sein müssen und nicht überhöht sein dürfen. Dieser Anforderung wird eine Pauschale für Inkasso-Dienstleistungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Energiedienstleistungsunternehmens (hier: Stadtwerke München) nicht gerecht.

Ist das Urteil gut?

Ja, Daumen uneingeschränkt nach oben. Dieses Urteil stärkt die Stellung des Verbrauchers gegenüber seinem Energiedienstleistungsunternehmen. Zwar besteht bei kontinuierlicher Nicht-Zahlung auch weiterhin die Möglichkeit, ein Inkasso-Unternehmen einzuschalten, was auch weiterhin zusätzliche Kosten verursacht. Jedoch ist die Verwendung einer Pauschale in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die selbst bei einer geringen Forderungshöhe anfallen soll, unverhältnismäßig und belastet den Verbraucher somit unangemessen.

Was können Verbraucher jetzt tun?

Verbraucher sollten die Rechnungen und vor allem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ihrer Verträge mit Energieversorgungsunternehmen genauestens lesen. Die Mühe lohnt sich! Eine generelle Inkasso-Pauschale bei Zahlungsverzug in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nach diesem Urteil unwirksam. Auf eine entsprechende Rechnung sollte man unter Hinweis auf dieses Urteil nicht zahlen und sofort Kontakt mit seiner Verbraucherzentrale vor Ort aufnehmen, damit weitere Schritte unternommen werden können.  

Wo ist das Urteil zu finden?

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10.06.2020 hat das Aktenzeichen AZ VIII ZR 289/19.

Stand:September 2020

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„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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