Auf einer runden Holzunterlage liegt ein Urteilshammer. Dazwischen geklemmt liegen zwei fünfzig Euro Scheine

Aufgepasst bei Preiserhöhungen der Energieversorger

Nach einem Urteil des LG (Landgericht) Verden ist die Preiserhöhung eines Energieversorgers rechtzeitig (mindestens einen Monat vorher) anzukündigen. Außerdem sind die vor und nach der Preiserhöhung geltenden Preise nach den einzelnen Preisbestandteilen aufzuschlüsseln.

Worum geht es bei der Entscheidung?

Hier klagte der vzbv (Verbraucherzentrale Bundesverband) gegen den Energieversorger BSE Strom- und Erdgas GmbH vor dem Landgericht Verden. Der Kläger möchte im einstweiligen Verfügungsverfahren erwirken, dass es der Beklagten verboten wird, Preiserhöhungen mit einer Frist von weniger als einem Monat anzukündigen und Preiserhöhungsschreiben zu versenden, ohne darin die vor und nach der Anpassung geltenden Preise transparent nach den einzelnen Preisbestandteilen aufzuschlüsseln.

Die Beklagte hatte in einem Kundenanschreiben massive Preiserhöhungen wegen gestiegener Anschaffungskosten angekündigt. So sollte der Arbeitspreis in einem Fall 99,67 Cent pro Kilowattstunde (doppelt so hoch wie bisher) und in einem anderen Fall 97,83 Cent pro Kilowattstunde (mehr als viermal so hoch wie die die bisherigen 21,66 Cent pro Kilowattstunde) betragen. Das diesbezügliche Anschreiben der Beklagten datiert auf den 05.09.2022 und sah die Preisänderung zum 16.09.22 vor.

Das Energiewirtschaftsgesetz sieht in § 111 Absatz 1 EnWG vor, dass Verbraucher mit einer Frist von vier Wochen, gerechnet ab Erhalt eines Preisänderungsschreibens, über die geplante Preiserhöhung zu informieren sind. Der Transparenzgrundsatz fordert, dass der Verbraucher Preise aufgeschlüsselt nach einzelnen Preisbestandteilen einfach miteinander vergleichen kann.

Welche Positionen vertreten die beteiligten Parteien?

Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie die gegenwärtigen hohen Beschaffungskosten durch die Energiekrise dazu berechtige, auch kurzfristig eine erhebliche Preisänderung vorzunehmen und die Entgelte der tatsächlichen Situation anzupassen. Eine detaillierte Aufschlüsselung der einzelnen Endpreise sei nicht erforderlich, da es jedem klar und einleuchtend ist, dass sich die Energiebeschaffungskosten infolge des Ukrainekrieges drastisch erhöht haben. Die Beklagte beantragt somit Klageabweisung.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte hier eindeutig gegen das Energiewirtschaftsgesetz verstoße. Selbst die AGB der Beklagten, die eine Ankündigungsfrist von mindestens vier Wochen vorsehen, seien hier – genauso wie § 111 Absatz 1 EnWG - nicht eingehalten. Außerdem müsse der alte Preis mit all seinen einzelnen Preisbestandteilen und der neue Preis mit all seinen Preisbestandteilen transparent nebeneinandergestellt werden. Letzteres, was insbesondere eine rechtzeitige Kündigung und einen fristgemäßen Anbieterwechsel der Kundinnen und Kunden ermöglichen soll, war hier offensichtlich nicht geschehen. Der Klage sei somit stattzugeben.

Letzter Ansicht hat sich auch das Landgericht angeschlossen und der Klage stattgegeben.

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

Hier ist die ausschließliche Zuständigkeit des Landgericht Verden gegeben (§ 102 Abs. 1 EnWG). Es wird somit keine weitere Entscheidung in dieser Angelegenheit mehr geben. 

Wie wirkt sich das Urteil am Ende auf die Verbraucher aus?

Verbraucherinnen und Verbraucher können sich sicher sein, dass ihre Interessen auf dem Energiesektor gerade jetzt in der Energiekrise gerichtlicherseits sehr ernst genommen werden.

Nichtsdestotrotz gibt es immer wieder einige schwarze Schafe auf dem Markt. Zu kurzfristige und intransparente Preisänderungen sind – wie dieses Urteil zeigt- unwirksam.

Ist die Entscheidung gut?

Ja, Daumen uneingeschränkt nach oben. Dieses Urteil verpflichtet den Beklagten zur Einhaltung der Frist des § 111 EnWG. Diese Frist dient Verbraucherinteressen und deren Einhaltung soll Verbraucherinnen und Verbrauchern die Möglichkeit schaffen, gegebenenfalls ihren Vertrag zu kündigen und fristgemäß zu einem günstigeren Anbieter wechseln zu können.

Zusätzlich profitieren Verbraucherinnen und Verbraucher von der „Preistransparenz“, die das Landgericht hier von der Beklagten fordert.

Was kann der Verbraucher jetzt tun?

Der Verbraucher sollte Preisänderungen höhenmäßig genau überprüfen und mit denjenigen anderer Anbieter vergleichen. Zu kurzfristige und intransparente Erhöhungen sind – wie dieses Urteil zeigt – unwirksam. Darauf sollten sich Verbraucherinnen und Verbraucher auch gegebenenfalls gegenüber ihren Energieanbietern berufen.

Verbraucherinnen und Verbraucher können bei einer Umfrage auf der Seite musterfeststellungsklagen.deÖffnet sich in einem neuen Fenster der Verbraucherzentrale von ihren Erfahrungen mit ihren Energieversorgern berichten. Nach der Auswertung dieser Berichte könnten sich weitere Verfahren ergeben.

Wo ist das Urteil zu finden?

Das Urteil des BGH vom 28.09.22 hat das Aktenzeichen Az VIII ZR 319/20.

Autor

„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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