Hand mit Füller schreibt das Wort Patientenverfügung

Achtung bei Werbung mit fingierter BGH-Rechtsprechung

Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden ist es nicht gestattet, mit einer angeblichen Aussage des Bundesgerichtshofs (BGH) über die vermeintliche Nutzlosigkeit der meisten Patientenverfügungen für seinen Onlineservice zu werben.

Worum geht es bei der Entscheidung?

Hier klagt der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen die DIPAT GmbH (Beklagte) auf Unterlassung einer konkreten Werbeaussage und Unterlassung der Verwendung mehrerer Allgemeiner Geschäftsbedingungen.

Die Beklagte hatte mit einer vermeintlichen Aussage des BGH für ihren Onlinedienst zur Erstellung von Patientenverfügungen geworben. Es hieß: „Ärzte wissen seit Langem, was der Bundesgerichtshof im Juli 2016 bestätigte: Die meisten Patientenverfügungen sind nutzlos. Denn über 90 Prozent aller Verfügungen sind medizinisch zu ungenau oder veraltet.“

Außerdem wendet sich der Kläger gegen eine klauselmäßige Haftungsfreizeichnung der Beklagten für einen Missbrauch von Kundeninformationen durch Dritte. Darüber hinaus wendet er sich gegen eine Klausel, mit der das Unternehmen nicht gewährleistet, dass seine Dienste jederzeit genutzt und erreicht werden können. Schließlich wendet er sich auch noch gegen eine Klausel, nach der die Beklagte einseitig Kundenprofildaten nach 12 Monaten löschen darf.    

Welche Positionen vertreten die beteiligten Parteien?

Der Kläger ist zunächst der Ansicht, dass hier unzulässig mit einer BGH-Aussage geworben werde, die der BGH so überhaupt nicht getroffen habe. Dem BGH komme aber als höchstem deutschen Zivilgericht eine besondere Bedeutung zu, so dass die Verbraucherinnen und Verbraucher dessen Aussagen besonders gewichten. Solange es sich jedoch nur um eine „vermeintliche“ BGH-Aussage handelt, die so gar nicht getroffen wurde, handelt es sich um unlautere Werbung, die dazu geeignet ist, einen Irrtum zu erzeugen.  Die vorgenannten Klauseln der Geschäftsbedingungen der Beklagten seien überraschend und eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher und somit unwirksam (vgl. §§ 307 BGB).

Die Beklagte ist zunächst der Ansicht, dass sich vorgenannte Aussage des BGH aus einem Urteil des BGH aus dem Juli 2016 ergebe.  Die monierten Geschäftsbedingungen seien vertragsübliche, notwendige und somit wirksame Anhängsel eines Vertrages.

Das OLG hat sich hier der klägerischen Sichtweise angeschlossen und der Beklagten insbesondere die Werbung mit oben genannter „vermeintlicher“ BGH-Rechtsprechung untersagt. Vorgenannte Geschäftsbedingungen seien – anders als drei weitere monierte, aber vom Gericht als zulässig angesehene Geschäftsbedingungen – unwirksam.

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

Hier hat das OLG Dresden in einem Berufungsrechtsstreit letztinstanzlich entschieden. Die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) wurde ausdrücklich nicht zugelassen. Es wird somit keine weitere Entscheidung in dieser Angelegenheit mehr geben.

Wie wirkt sich das Urteil am Ende auf die Verbraucher aus?

Zunächst gibt dieses Urteil der Verbraucherin und dem Verbraucher eine gewisse Sicherheit. Es darf im Geschäftsverkehr nicht einfach mit „vermeintlichen“ Aussagen vertrauenserweckender öffentlicher Institutionen geworben werden, wenn diese Aussagen nicht nachweislich wahr sind und tatsächlich so getroffen wurden.  

Grundsätzlich kann man als Verbraucher davon ausgehen, dass öffentliche Einrichtungen (wie hier der Bundesgerichtshof) keine Aussagen treffen, die Partei für oder gegen Rechtsinstitute ergreifen.

Ist die Entscheidung gut?

Ja, Daumen uneingeschränkt nach oben. Hier wird die irrtumsfreie Willensbildung des Verbrauchers gestärkt. Die Beklagte darf nun nicht mehr mit einer „vermeintlichen“ BGH-Rechtsprechung für ihre Patientenverfügungen werben.

Was kann der Verbraucher jetzt tun?

Das Urteil ist eindeutig. Anderen (insbesondere vertrauenserweckenden öffentlichen Einrichtungen wie hier dem Bundesgerichtshof) dürfen nicht zu Werbezwecken Aussagen in den Mund gelegt werden, die von diesen so gar nicht getroffen wurden.

Trotz dieser eindeutigen Rechtslage dürfte es weiterhin Unternehmen geben, die mit vermeintlichen Aussagen Dritter für die eigenen Produkte werben. Sollte es sich bei diesen Dritten um „vertrauenserweckende öffentliche Einrichtungen“ handeln, so sollte der Verbraucher hier besonders kritisch und hellhörig sein. Folgende Aspekte sollten hierbei stets berücksichtigt werden:

  1. Öffentliche Einrichtungen sind grundsätzlich zur staatlichen Neutralität verpflichtet und würden niemals berechtigterweise Partei für oder gegen den Kauf eines konkreten Produktes oder einer konkreten Dienstleistung eines bestimmten Herstellers ergreifen.
  2. Öffentliche Einrichtungen, insbesondere Gerichte, treffen grundsätzlich keine verallgemeinernden und pauschalen Aussagen zu der Qualität von Produkten oder Dienstleistungen, auf die sich dann Werbeaussagen berechtigterweise stützen könnten.

Bei formularmäßigen, kleingedruckten Vertragsbedingungen sollte man besonders gewissenhaft sein. Diese sollte man genau durchlesen, denn sie werden auch Vertragsbestandteile. Sollte man mit einer Bedingung überhaupt nicht einverstanden sein, so empfehle ich diese Bedingung durchzustreichen und das dann unterschriebene Dokument zu kopieren und aufzubewahren. Dies gilt rechtlich zwar als Vertragsannahme unter Änderungen, die dann noch von Unternehmerseite anzunehmen wäre (vgl. § 150 Abs. 2 BGB), was jedoch dann häufig durch Vertragsdurchführung erfolgt. Sollte es zu keiner Annahme von Unternehmerseite kommen, wird kein Vertrag geschlossen.

Wo ist das Urteil zu finden?

Das Urteil des OLG Dresden vom 04.11.2022 hat das Aktenzeichen Az 14 U 2095/20.

Stand: Februar 2023

Autor

„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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