Ein Spielzeug Flugzeug, Koffer und Erdkugel liegen nebeneinander auf einem gelben Hintergrund

Flug verpasst wegen überlanger Wartezeit bei der Sicherheitskontrolle? Da geht was!

Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt können Reisende eine Entschädigung für die Kosten der Ersatztickets und eine zusätzliche Übernachtung erhalten, wenn sie infolge von Wartezeit an der Sicherheitskontrolle des Flughafens ihren Flug verpasst haben. Dies gilt, wenn sie sich gemäß den Flughafenempfehlungen beim Check-in eingefunden und dann bald die Sicherheitskontrolle aufgesucht hab

Worum geht es bei der Entscheidung?

Hier verklagten Flugreisende die Bundesrepublik Deutschland auf Entschädigungsleistung für einen verpassten Flug.

Die Beklagte – und nicht der Flughafenbetreiber - ist für die Organisation der Sicherheitskontrolle am Flughafen Frankfurt am Main zuständig. Die Kläger wollten von dort in die Dominikanische Republik fliegen. Der Flieger sollte um 11.50 Uhr starten, das Boarding startete um 10.30 Uhr und das Gate schloss um 11.30 Uhr. Die zeitlichen Empfehlungen des Flughafens übererfüllten die Kläger unzweifelhaft, da sie sich bereits um 09.00 Uhr zum Check-in und gegen. 10.00 Uhr zur Sicherheitskontrolle begaben. Nachdem die Sicherheitskontrolle beendet war und die Kläger den Flugsteig erreichten, war das Boarding bereits abgeschlossen und der von ihnen gebuchte Flug fand ohne die Kläger statt. Die Kläger begehren nun Entschädigung für Ersatztickets und die notwendig gewordene zusätzliche Übernachtung.

Die landgerichtliche Erstinstanz hat den klägerischen Entschädigungsanspruch bereits bejaht. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung zum Oberlandesgericht eingelegt. In dieser Instanz befinden wir uns nun.

Welche Positionen vertreten die beteiligten Parteien?

Die Kläger sind der Ansicht, dass die Beklagte die Sicherheitskontrolle nicht ausreichend organisiert habe und es deshalb zu unzumutbaren Wartezeiten gekommen sei. Außerdem hätten sie sich ihrerseits strikt an die zeitlichen Empfehlungen des Flughafens gehalten. Es sei ihnen faktisch gar nicht möglich gewesen, den Flug nach der Sicherheitskontrolle noch rechtzeitig zu erreichen. Die wegen der Nichtbeförderung entstandenen Mehrkosten seien somit von der Beklagten zu ersetzen.

Die Beklagte weist dagegen ein Organisationsverschulden hinsichtlich der Sicherheitskontrollen von sich. Außerdem könne man die Konsequenzen des Trödelns der Kläger nicht einfach auf die Beklagte abwälzen.

Das Oberlandesgericht hat sich hier der klägerischen Sichtweise angeschlossen und das Urteil der landgerichtlichen Vorinstanz im Wesentlichen bestätigt. Die Kläger sind nach dem Check-in erst einmal einen Kaffee trinken gegangen und haben eine Toilettenpause gemacht. Aber von einem nachweisbaren „Vertrödeln“ der Sicherheitskontrolle kann hier nicht die Rede sein. Denn spätestens um 10.00 Uhr haben sich die Kläger bei der Sicherheitskontrolle eingefunden. Zwar müssten sich Flugreisende grundsätzlich auf die Kontrolle mit ihrer Wartezeit einstellen. Allerdings seien dem – so das OLG – auch Grenzen gesetzt. Wenn die ordnungsgemäß durchgeführte Sicherheitskontrolle zu einem Sonderopfer der Reisenden führt (Verpassen des Fluges, zu dem eingecheckt wurde), dann ist die Grenze des enteignungsrechtlich Zulässigen überschritten und der Flugreisende ist entsprechend zu entschädigen.

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

Ja, hier hat das Oberlandesgericht Frankfurt letztinstanzlich entschieden. Das Urteil ist unanfechtbar. Demnach wird es keine weitere Entscheidung in dieser Angelegenheit mehr geben.

Wie wirkt sich die Entscheidung am Ende auf die Verbraucher aus?

Verbraucher bleiben nun nicht mehr auf einem von ihnen in keiner Weise verursachten Schaden sitzen. Bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen gilt zu Recht der Slogan „Security first“. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dieses Versprechen im Extremfall kostenmäßig auf dem Rücken der Verbraucher eingelöst werden darf. Dieses Urteil zeigt sehr gut, dass der Verbraucher sich auf die Empfehlungen und Vorgaben seiner Fluggesellschaft oder des Flughafenbetreibers zur Sicherheitskontrolle verlassen können muss. Sollte ihm trotz Einhaltens dieser Empfehlungen und Vorgaben ein Schaden entstehen, so ist dieser zu ersetzen.

Ist das Urteil gut?

Ja. Daumen uneingeschränkt nach oben. Dieses Urteil zeigt, dass der Verbraucher nicht auf einem zufällig entstandenen Schaden sitzen bleiben muss. Der Beklagten ist zwar nicht – wie von den Klägern behauptet - ein Organisationsverschulden bei der Durchführung der Sicherheitskontrolle zur Last zu legen. Aufgrund der eigentlich rechtmäßigen Maßnahme der Sicherheitskontrolle wird jedoch in die Rechtsposition des Eigentümers (Inhabers des Flugtickets) eingewirkt und dieser so zu einem Sonderopfer veranlasst (Verpassen des Fluges). Hier ist – und das stellt dieses Urteil klar – die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschritten und die Flugreisenden sind von der für die Sicherheitskontrollen Verantwortlichen Bundesrepublik Deutschland entsprechend zu entschädigen. Dies entspricht auch dem Anstandsgefühl von „Otto-Normalverbraucher“ beziehungsweise „aller billig und gerecht Denkenden“, wie es im BGB heißt.

Was können Verbraucher jetzt tun?

Verbraucher können sich sicher sein, dass sie in der oben genannten Konstellation nicht auf den bei ihnen entstandenen, – aber nicht von ihnen verursachten - Mehrkosten sitzen bleiben. Wichtig ist es jedoch, dass sie die zeitlichen Empfehlungen des Flughafens oder die zeitlichen Vorgaben der Fluggesellschaft beachtet haben. Hierauf müssen Verbraucher zwingend notwendig achten.

Wo ist das Urteil zu finden?

Das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt vom 27.01.2022 hat das Aktenzeichen Az 1 U 220/20.

Stand: Februar 2022

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„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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