Ganze und aufgeschnittene Champignons liegen auf eine farbigen Fläche

Lebensmittelkonsumenten aufgepasst bei Ursprungsland-Angaben

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) dürfen Champignons, die in Holland aufgezogen werden und erst kurz vor der Ernte nach Deutschland gebracht werden, als deutsche Champignons verkauft werden.

Worum geht es bei der Entscheidung?

Geklagt hat hier die Zentrale zur Bekämpfung des Unlauteren Wettbewerbs Frankfurt a.M. e. V. gegen die Firma Prime Champ Deutschland Pilzkulturen GmbH.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten, es zu unterlassen im geschäftlichen Verkehr Kulturchampignons mit der Angabe „Ursprung: Deutschland“ anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen.

Der Ablauf des Anbauprozesses ist der Folgende: Zunächst werden für die Dauer von sieben bis elf Tagen die Rohsubstanzen für den Kompost in Belgien und den Niederlanden verschnitten und vermischt. In einem zweiten Herstellungsschritt erfolgt die fünf bis sechs Tage andauernde Pasteurisierung und Aufbereitung des Komposts in den Niederlanden. In einem dann folgenden dritten Schritt wird über die Dauer von 15 Tagen das Myzel (Pilzsporen) in den Kompost injiziert. In Schritt 4 wird in den Niederlanden die Fruchtkörperbildung auf einer Torf- und Kalkschicht in Kulturkisten initiiert. Hierbei sind die Pilze nach zehn bis elf Tagen bis zu drei mm gewachsen. Nach circa 15 Tagen erfolgt dann der Transport der Kulturkisten nach Deutschland. Im Betrieb der Beklagten erfolgt nach ein bis fünf Tagen die erste und nach zehn bis fünfzehn Tagen die zweite Ernte der Champignons.

Welche Positionen vertreten die beteiligten Parteien?

Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Ursprungsland dasjenige Land sein müsse, in dem wesentliche Produktionsschritte ablaufen. Die Angabe eines anderen Landes als Ursprungsland, wo beispielsweise geerntet wird, ist dazu geeignet, den Verbraucher über den wirklichen Ursprung des Produktes in die Irre zu führen. Hier findet fast der gesamte Anbauprozess der Pilze in Belgien und den Niederlanden statt. Folgerichtig müssten diese auch als das Ursprungsland gelten.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass das Ursprungsland das Ernteland ist. Es sei im Übrigen auch nicht davon auszugehen, dass die vorherigen Produktionsschritte für den Verbraucher von wesentlicher Bedeutung sind. Somit könne die korrekte Angabe des Erntelandes – hier Deutschland – auch nicht dazu führen, einen Verbraucher in die Irre zu führen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich der Sichtweise der Beklagten angeschlossen, einen Unterlassungsanspruch der Klägerin abgelehnt und die Klage folgerichtig abgewiesen.

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

Hier hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden. Alle nationalen Gerichte innerhalb der europäischen Union müssen sich an diese Rechtsprechung gebunden fühlen. Es wird keine weitere, andersartige Rechtsprechung in dieser Angelegenheit mehr geben.

Wie wirkt sich die Entscheidung am Ende auf die Verbraucher aus?

Verbraucher können nach wie vor dem Irrtum unterliegen, dass das angegebene Ursprungsland auch dasjenige Land ist, in dem wesentliche Produktionsschritte vollzogen wurden. Dies ist jedoch – wie dieses Urteil zeigt – nicht der Fall. Der EuGH stellt hier klar, dass das Ursprungsland das Ernteland ist.

Ist das Urteil gut?

Nein, Daumen nach unten. Es wäre hier wünschenswert gewesen, die Klägerin wäre mit ihrer Sichtweise beim EuGH auf offene Ohren gestoßen.

Anders als der EuGH halten auch wir – wie die Klägerin -  dasjenige Land, in dem wesentliche Herstellungsprozesse – wie zum Beispiel der Anbau – ablaufen, für das Ursprungsland. Andernfalls käme man ja zu dem widersinnigen Ergebnis, dass man durch Ausbuddeln von in Südspanien gewachsenen Orangenbäumen und Ernte in Deutschland, dann als Ursprungsland der Orangen Deutschland angeben müsste. Durch eine solche Angabe würde sich aber jeder Verbraucher getäuscht fühlen.

Was können Verbraucher jetzt tun?

Verbraucher sollten sich darüber im Klaren sein, dass Ursprungsland immer das Ernteland ist. Es ist somit unmöglich Rückschlüsse auf wesentliche Produktionsbedingungen, zum Beispiel klimatische Bedingungen oder Witterungsverhältnisse zu ziehen. Wer Wert darauf legt, dass die wesentlichen Produktionsschritte auch im Ursprungsland durchgeführt wurden, sollte sich bei seinem Einkauf an der Bezeichnung „Regionalität“ orientieren. Hier kann man sich sicher sein, dass auch wesentliche Produktionsschritte in der Region selbst durchgeführt wurden.

Wo ist das Urteil zu finden?

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 24.09.2019 hat das Aktenzeichen EuGH C 686/17.

Stand: März 2020

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„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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