Ein Campingtisch mit Lebensmitteln die gespendet werden

Aufgepasst bei Aktionen gegen Lebensmittelverschwendung

Wer auf allgemein zugänglichen Warentischen kostenlos Lebensmittel zur Mitnahme anbietet, die ansonsten verfallen würden, muss sich an die strengen europarechtlichen Lebensmittelhygienevorgaben halten.

Worum geht es bei der Entscheidung?

Hier wendet sich ein Berliner per Eilantrag gegen die Betriebsuntersagungsverfügung eines Bezirksamtes.

Der Privatmann hatte hier in einem von der Straße her frei zugänglichen Windfang Warentische zur Lebensmittelumverteilung bereitgestellt. In erster Linie wurden Lebensmittel von einem benachbarten, lokal ansässigen Lebensmittelmarkt geliefert; vereinzelt kam es aber auch zur Lieferung von anderen Privatleuten. Die Verteilung der Lebensmittel wurde über Social Media organisiert.

Das Bezirksamt hatte ungekühlte, verdorbene und unsauber verpackte Lebensmittel auf den Warentischen festgestellt und untersagte daraufhin die weitere Lebensmittelumverteilung. Gegen diese Untersagung wendet sich der Organisator der Umverteilung per Eilantrag.

Welche Positionen vertreten die beteiligten Parteien?

Der Antragsteller führt hier ins Feld, dass er kein Lebensmittelunternehmer sei. Er könne deshalb für die Lebensmittelumverteilung nicht verantwortlich gemacht werden. Vielmehr müsse sich das die Untersagungsverfügung erteilende Bezirksamt an die Lieferanten der Lebensmittel wenden. Schließlich diene die hier streitgegenständliche Lebensmittelumverteilung nicht kommerziellen Zwecken, sondern einzig und alleine der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung.

Das Bezirksamt ist der Ansicht, dass das Projekt des Antragsstellers nicht im Einklang mit lebensmittelhygienerechtlichen Vorgaben stehe. Der Antragssteller halte die Warenauslage nicht sauber und nehme keine Überprüfungen von Mindesthaltbarkeitsdatum und Kühlnotwendigkeit vor. Das durchaus lobenswerte Motiv, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren, rechtfertige es nicht, die Hygienevorgaben außer Acht zu lassen.

Das streitentscheidende Verwaltungsgericht hat den Eilantrag des Antragsstellers abgelehnt. Die Anforderungen des Lebensmittelhygienerechts richten sich zwar primär an alle Lebensmittelunternehmen, jedoch auch an alle Personen, die im Vertrieb von Lebensmitteln tätig sind. Unerheblich ist es hierbei, ob bei der Tätigkeit eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt; sie öffentlich oder privat erfolgt. Somit muss sich auch der Antragssteller an die Lebensmittelhygienevorgaben halten. Maßgeblich ist hier in erster Linie, dass der Antragssteller den Ort und die Einrichtung bereitstellt und es duldet, dass Dritte dort Lebensmittel abgeben.

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

Nein, hier hat das Verwaltungsgericht Berlin erstinstanzlich entschieden. Gegen diesen Beschluss könnte noch das Rechtsmittel der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden. Die Haltung der Rechtsprechung zur verpflichtenden Einhaltung der Lebensmittelhygienevorschriften ist in der Beschlussbegründung sehr deutlich zum Ausdruck gekommen. Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass sich der Antragssteller diesen Beschluss noch einmal von einem anderen Gericht kostenpflichtig bestätigen lässt.

Wie wirkt sich die Entscheidung am Ende auf die Verbraucher aus?

Dieses Urteil stärkt das Bewusstsein für die Anforderungen an eine angemessene Lebensmittelhygiene. Die Eigeninitiative, um der vorhandenen Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken, wird auch von der Rechtsprechung positiv betrachtet. Dies findet jedoch seine Grenzen dort, wo die Einhaltung von Lebensmittelhygienestandards nicht gewährleistet werden kann.

Ist der Beschluss gut?

Ja. Uneingeschränkt Daumen nach oben. Das Urteil stellt klar die Bedeutung der Lebensmittelhygiene in diesem Staat heraus. Eine mangelnde Lebensmittelhygiene ist Einfallstor für Krankheitserreger, Bakterien und Keime, die unmittelbar über die Nahrung in den menschlichen Organismus gelangen können. Menschen, die von unentgeltlichen Lebensmittelangeboten Gebrauch machen, haben ein besonderes Anrecht darauf, dass sie sich durch die Inanspruchnahme dieser Angebote nicht auch gesundheitlichen Risiken aussetzen. Ihr Vertrauen ist insofern schutzwürdig.

Was können Verbraucher jetzt tun?

Verbraucher sollten ein besonderes Augenmerk auf die Einhaltung von Lebensmittelhygieneregelungen beim Erwerb von Lebensmitteln in ihrem privaten Umfeld legen. Hierzu zählen vor allem die richtige Verpackung, Lagerung und Kühlung. Wenn sie das Gefühl haben, dass in bestimmten Situationen auf die Lebensmittelhygiene nicht geachtet wird, sollten Verbraucher vom Kauf bzw. vom Konsum des betreffenden Lebensmittels absehen. Nur durch ein aufmerksames Konsumentenverhalten kann Problemen, die im Zusammenhang mit einer unzureichenden Lebensmittelhygiene stehen, vorgebeugt werden.

Wo ist der Beschluss zu finden?

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin vom 21.10.2021 hat das Aktenzeichen Az VG 14 L 453/21.

Stand: November 2021

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„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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