Rohes Wildfleischsteak neben Thymian und Knoblauch

Mehr als „Bio“ – Wildfleisch ist gesund und regional

Haben Sie schon einmal Wildfleisch-Bratwurst gegessen? Wenn nicht, probieren Sie doch mal. Wildfleisch schmeckt nicht nur sehr gut, sondern ist auch gesund. Verbraucher-Fenster-Redakteurin Barbara-Maria Birke hat mit einem Experten gesprochen. Patrick Michelberger ist beim Hessischen Umweltministerium im Bereich der Jagd tätig und beantwortet alle Fragen zum Thema Jagd und Wildfleisch.

VF: Warum ist Fleisch von Wildschwein, Reh und Co. eigentlich gesund?

Michelberger: Wildfleisch enthält besonders viel Eiweiß –  mehr als Rind-, Schweine- oder Geflügelfleisch. Zusammen mit Fisch gehört es zu den eiweißreichsten Fleischarten. Das im Wildfleisch enthaltene Eiweiß hat zudem eine besonders hohe biologische Wertigkeit und ist leichter verdaulich als andere Eiweißarten, da es einen niedrigen Anteil an Bindegewebe hat. Das Fleisch von Reh- oder Rotwild enthält die wertvollen und für die ausgewogene Ernährung so wichtigen Spurenelemente Selen, Eisen und Zink in hohen Anteilen. Wildfleisch ist zudem mager, cholesterinarm und garantiert frei von Medikamenten. 

VF: Manche Menschen empfinden den Wildgeschmack als streng, da ungewohnt. Was empfehlen Sie?

Michelberger: Häufig ist zu hören, Wildfleisch müsse vor der Zubereitung gebeizt, also  in Buttermilch eingelegt oder mit kräftigen Gewürzen geschmort werden, um schmackhaft zu werden. Deshalb scheuen viele die Zubereitung von Wildfleisch in der heimischen Küche. Die Notwendigkeit, Wildfleisch zu beizen und den Wildgeschmack zu mildern, stammt aber aus einer Zeit, in der es noch keine Kühlgeräte gab. Ich persönlich bereite Wildfleisch genauso zu wie Rind, Huhn und Hausschwein.

VF: Wie unterscheidet sich das Wildschwein-Fleisch von anderen Fleischarten?

Michelberger: Wildbret stammt von stressfrei aufgewachsenen Tieren, die in natürlicher Umwelt gelebt und sich von Gräsern und Kräutern ernährt haben. Durch den Verzicht auf Kraftfutter und schnelle Produktionsabläufe konnte das Tier in Ruhe wachsen, weshalb das Fleisch in der Pfanne auch nicht so sehr schrumpft.

VF: Und wie sieht es mit dem Thema Nachhaltigkeit aus?

Michelberger: Da Wildfleisch im Rahmen der Jagd gewonnen und nicht eigens dafür produziert wird, wird kein Tropfen Wasser für die Futtermittelproduktion verbraucht und es gibt keine riesigen Produktionsstätten, deren Methan-Abgase die Ozonschicht beschädigen. Wildfleisch ist also mehr als Bio. Ich persönlich koche beinahe ausschließlich mit Wild und habe meinen Verbrauch von Billigfleisch aus dem Discounter auf das absolute Minimum reduziert.

VF: Das macht in der Tat Lust auf mehr. Aber man hört immer wieder auch von Parasiten im Wildfleisch. Was ist dran?

Michelberger: Die Angst vor Parasiten im Wildfleisch ist unbegründet. Die Anzahl der Zoonosen, also der Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragbar sind, ist beim Wild vergleichsweise gering. Der Jäger ist als sogenannte „kundige Person“ nach EU-Lebensmittelrecht geschult, um am lebenden und am toten Tier Krankheitsbilder sofort zu erkennen. Nur Fleisch von unbedenklichen Tieren darf überhaupt in die Vermarktung gelangen. Wildschweine können unter Trichinen leiden, welche als winzige Parasiten im Muskelfleisch von Allesfressern vorkommen können. Aus diesem Grund ist die Untersuchung auf Trichinen  bei Wildschweinen gesetzlich vorgeschrieben und es kommt kein Wildschweinfleisch ohne diese Untersuchung in den Handel.

VF: Woran erkennt man gute Qualität?

Michelberger: Typisch für Wildfleisch ist seine eher dunkle Farbe. Das liegt zum einen am höheren Gehalt an Muskelfarbstoffen, zum anderen wird Wild nicht geschlachtet und blutet daher weniger aus. Wildfleisch sollte dunkelrot sein und auf gar keinen Fall leicht bräunlich oder schwärzlich schimmern, denn dann ist es bereits angetrocknet und nicht mehr frisch. Frische Ware erkennt man auch am Geruch. Reh und Hirsch müssen, wenn sie frisch sind, leicht nussig riechen, Wildkaninchen neutral. Der Feldhase hat einen kräftigeren Eigengeruch, der jedoch nicht streng sein darf. Gute Qualität erkennt man auch daran, dass das Fleisch schön fest ist und sich nicht wabbelig weich anfühlen darf. Lässt es sich zu stark eindrücken, ist das Fleisch zu alt.

VF: Wo bekomme ich Wildfleisch?

Michelberger: Bei den örtlichen Jägern oder dem zuständigen Forstamt. Mittlerweile wird man auch häufig im Internet fündig, beispielsweise in Facebook-Gruppen oder auf den Homepages von Jagdverbänden. Ein großer Charme von Wildfleisch ist ja gerade die Regionalität, deshalb empfehle ich, es nicht im Discounter oder aus dem Ausland zu kaufen.

VF: Wie sieht es mit dem Wildfleisch-Verzehr in Zeiten der Afrikanischen Schweinepest aus, die vor Deutschlands Grenzen steht?

Michelberger: Unabhängig davon, dass die Afrikanische Schweinepest nicht auf den Menschen übertragbar ist, ist sie in Deutschland noch lange nicht angekommen. Es besteht also kein Grund, den Wildfleisch-Verzehr deshalb einzustellen. Umgekehrt kann durch den verstärkten Verzehr, insbesondere von Wildschweinfleisch, sogar ein Beitrag zur Prävention geleistet werden: Durch bessere Absatzmöglichkeiten können die Jäger mehr Wildschweine erlegen, durch eine geringere Wildpopulation in der Natur kann der Ausbruch und die Verbreitung der Afrikanischen Schweinepest verhindert bzw. verlangsamt werden. Der Bestand der Wildschweine ist aktuell deutlich zu hoch. Ich empfehle deshalb unbedingt, Wild zu essen.

VF: Verbraucherinnen und Verbraucher kaufen meist normales  Schweinefleisch, in dem Glauben, dass Wildfleisch sehr teuer und nur für Menschen mit prallem Geldbeutel erschwinglich sei. Ist das so?

Michelberger: Im Gegenteil! Selbstverständlich unterscheiden sich die Preise der unterschiedlichen Wildarten genauso wie die Preise der Fleischstücke – ein Kilo Rinderfilet kostet ja auch nicht dasselbe wie ein Kilo Hähnchenflügel – trotzdem erreicht Wildfleisch im Regelfall bei Weitem nicht die Preise von hochwertigem Rindfleisch oder ähnlichem. Wer besonders preiswert einkaufen will, ist mit dem Kauf von ganzen Tieren gut beraten. Das ist beispielsweise bei einem Reh gar nicht so viel. Bei den fünf bis acht Kilogramm Fleisch sind jedoch für alle Zubereitungsarten passende Stücke dabei und während ein ausgelöster Rücken ohne weiteres 30 Euro pro Kilogramm und mehr kosten kann, liegt ein komplettes Reh in der Regel bei fünf bis sieben Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht. Wildschweine wiegen teilweise deutlich mehr, das Kilo kostet jedoch weniger als das vom Reh mit  zwei bis vier  Euro pro Kilo.

VF: Warum sollte man aus Ihrer Sicht mehr Wildfleisch essen?

Michelberger: Wir produzieren mit Wildfleisch ein gutes Lebensmittel, welches absolut regional und naturbelassen ist. Die Jagd ist notwendig, um die Schäden der Wildtiere an Wiesen, Feldern und Wäldern zu begrenzen und stellt mit der Gewinnung eines hochwertigen Lebensmittels die Nutzung unserer natürlichen Ressourcen dar. Leider erfährt Wildfleisch aber noch nicht die Beachtung, die es eigentlich verdient hat. Viele kennen Wild nur als den klassischen Braten zu Weihnachten mit schwerer Sauce und Knödeln. Mit den heutigen Maßstäben für Fleischqualität lässt sich aber Wild auch einfach als das verarbeiten, was es ist: gutes Fleisch. Egal ob als leckeres Hirschsteak vom Grill, als Bolognese Sauce zu Spaghetti oder als leichtes Carpaccio.

VF: Ihr Lieblings-Wildfleisch?

Michelberger:  Ich mag es bei Wild kräftig. Am liebsten esse ich daher Hase, Reh und Wildgeflügel.

VF: Jetzt wollen wir zum Schluss auch noch Ihre Lieblingsrezepte.

Michelberger: Kein Problem. Den Verbraucherfenster-Lesern verrate ich die gerne.

Stand: Mai 2018

Patrick Michelberger

Wild-Rezepte

1. Wildspieß auf gebratenem Gemüse und Reis

Wildfleisch ist nicht nur für lange Winternächte und den Weihnachtstisch geeignet. Hier ein klassisches, leichtes Gericht für den Sommer, in dem der zartrosa gebratene Rücken viel besser zur Geltung kommt als mit Rotkraut und Preiselbeeren.

Zutaten (4 Personen):

  • 800g Rücken (Reh, Hirsch oder Wildschwein ist egal) ohne Fett und Sehnen
  • 4 Holzspieße
  • Frische, ganze Salbeiblätter
  • 250g Reis
  • Butter
  • Olivenöl
  • Butterschmalz
  • Salz und Pfeffer
  • 2 Knoblauchzehen
  • Sojasoße
  • Balsamicoessig
  • Ca. 500g Gemüse (Karotten, Mungobohnenkeime, Paprika, Lauchzwiebeln etc.)

Den Reis in kochendem Salzwasser garen, kurz vor Ende der Garzeit 2 EL Butter dazugeben und abschmecken.

Das Gemüse mit dem Knoblauch in einer Pfanne mit Olivenöl anbraten, mit Salz und Pfeffer würzen und mit Sojasoße und Balsamico ablöschen.

Der Wildschweinrücken wird in Medallions (2 - 2,5cm) geschnitten und mit Salz und Pfeffer gewürzt. Anschließend steckt man die Medallions auf die Spieße, wobei zwischen zwei Fleischstücke jeweils ein Blatt Salbei kommt. Die Fleischspieße werden in heißem Butterschmalz kräftig angebraten und kommen danach bei 160°C etwa 6-7 Minuten in den vorgeheizten Ofen. Kurz vor Ende darf noch etwas Butter darauf zerfließen.

Der Reis wird mit dem Gemüse auf Teller angerichtet, darauf kommt dann ein Spieß. Den Bratensaft aus der Backofenform nicht vergessen, zum Wegschütten ist er nämlich viel zu schade!

2. Carpaccio vom Wild

Rohes Fleisch vom Wild? Richtig! Was mit Rindfleisch schon in jedem Nobelrestaurant zu den Klassikern unter den Vorspeisen gehört, erhält mit Wild nochmal eine ganz eigene Note. Wer Rucola nicht mag, kann auch Bärlauch- oder Wildkräuterpesto verwenden – oder weglassen. Carpaccio ist beinahe unverschämt einfach und schindet bei Besuch als Vorspeise trotzdem mächtig Eindruck, insofern ein echter Geheimtipp.

Zutaten (4 Personen):

  • Ca. 300 – 350 g Reh oder Hirsch ohne Fett, Häute und Sehnen, am besten eignet sich Rücken oder Keule
  • Eine Zitrone
  • Rucola
  • Parmesan
  • Balsamicocreme
  • Etwas Olivenöl
  • Grobes Meersalz
  • Bunter Pfeffer

Das Fleisch vorzugsweise leicht anfrieren oder nicht komplett auftauen lassen. Anschließend mit einem wirklich scharfen Messer hauchdünne Scheiben abschneiden und auf Teller auslegen. Carpaccio wird roh gegessen, deshalb unbedingt quer zur Faser schneiden. Ansonsten wird das Ganze sehr bissfest. Das Fleisch mit Salz und Pfeffer würzen. Grobes Meersalz bringt neben dem Geschmack durch seinen „Crunch“ noch eine andere Konsistenz mit ins Spiel. Nach Belieben mit Rucola und Parmesanstreifen bedecken und mit Zitronensaft, etwas Olivenöl und der Balsamicocreme abrunden.

3. Wild auf dem Grill

Wer feststellt, dass im letzten meiner drei Lieblingsrezepte immer noch kein einziger Tropfen Rotwein benötigt wird und auch noch niemand nach Brotresten für Semmelknödel suchen muss, der liegt genau richtig. Zum Grillen wird das von mir selbst verwertete Wild zu großen Teilen bereits als Steaks (Keule) und Hackfleisch (Schulter, Rippen und Hals) eingefroren. Der Rücken wird entweder am Stück gegrillt oder in dünnen Streifen zu Grillspießen verarbeitet. Das alles geht ganz einfach:

Steaks:
Steaks werden hauptsächlich aus der Keule quer zur Faser geschnitten. Wer es einfach mag (wie ich) der würzt nur mit Salz und Pfeffer. Ansonsten kann man seiner Kreativität in der Marinade mit Zutaten wie Olivenöl, Sojasauce, Whisky, Honig, Cayennepfeffer, Knoblauch, Rosmarin und Thymian freien Lauf lassen. Ähnlich wie bei Rind darf ein Steak vom Wild innen gerne noch etwas rosa sein.

Hackfleisch:
Kleine Frikadellen aus Wild kommen auch bei Kindern super an. Ich ergänze sie gerne mit ein wenig Knoblauch und fülle sie mit Feta.

Grillspieße:
Der Rücken wird entlang der Faser in dünne Streifen geschnitten und leicht plattiert. In die Fleischstücke werden Mozzarella und getrocknete Tomaten gewickelt. Das Ganze wird mit einem Spieß fixiert und braucht keine direkte Hitze über der Glut.