Finger stupst eine Reihe aufgestellter Dominosteine an

Stupsen statt schubsen: Mit Nudging zu einem gesünderen Lebensstil

Der englische Begriff Nudging bedeutet „anstupsen“ im Sinne von Herbeiführen einer Richtungs- oder Verhaltensänderung. Um Entscheidungssituationen von Verbrauchern unter anderem Gesundheitsfragen oder im Bereich der Umweltökonomie zu verbessern werden sogenannte Nudges eingesetzt, die das Verbraucherverhalten lenken sollen. Was hat es damit auf sich?

Lenken statt verbieten

Vor allem in Gesundheitsfragen tun sich Menschen gelegentlich schwer, um sich für die richtige – sprich gesündere – Alternative von zwei Möglichkeiten zu entscheiden. Wer kennt das nicht: Man nimmt sich vor, weniger Süßigkeiten und mehr Gemüse zu essen. Aber kaum ist man im Supermarkt und geht an den prall gefüllten Regalen mit Snacks und Schokolade vorbei, sind die guten Vorsätze dahin. Und das schlechte Gewissen folgt auf dem Fuße. Oftmals braucht der Mensch einen äußeren Anstoß um sein Verhalten zu ändern.

Essen & Trinken

Allerdings funktioniert das weniger mit Verboten, die (inneren) Widerstand heraufbeschwören, sondern eher mit Anreizen. Man könnte auch sagen: Besser Stupsen als Schubsen. Als Beispiel sei ein Nachtisch-Buffet einer Betriebskantine genannt, bei dem frisches Obst schön angerichtet und in direkter Griffhöhe platziert wird und die Süßspeisen und Kuchen schwerer erreichbar beziehungsweise weiter hinten aufgebaut werden. In der Regel ziehen die meisten Personen dann die Früchte vor.

Die alternative Zusammenstellung einer Hauptmahlzeit in Restaurants oder in der Gemeinschaftsverpflegung ist ein weiteres Beispiel für „Nudging“: Werden statt der oft üblichen Pommes frites Gemüse oder Salate als Beilage angeboten, neigen zumindest erwachsene Personen dazu, das Angebot ohne Nachfragen zu akzeptieren (zumal eine Umbestellung mit zusätzlichem Aufwand verbunden ist). Das heißt, Menschen entscheiden sich oft für die vorgegebene Möglichkeit. Gleiches passiert auch, wenn auf dem Tisch kein Salzstreuer zum Nachsalzen bereitsteht. Möchten die Gäste ihre Speisen nachsalzen, müsse sie zunächst bei der Servicekraft nach einem Streuer fragen. Finden sich außerdem zu Beginn der Speisekarte vegetarische Gerichte, werden sich die Gäste sehr wahrscheinlich eher für die fleischfreien Menüs entscheiden.

Auch der gelegentlich kontrovers diskutierte Nutri-ScoreÖffnet sich in einem neuen Fenster kann ein „Nudge“ sein: Je stärker die Farbe Grün und die Buchstaben A und B bei den Inhaltsstoffen in den Vordergrund treten, desto eher wird das Produkt gekauft und umgekehrt.

Weitere Ernährungs-Nudges können zudem die gezielte Platzierung von gesunden Lebensmitteln sein, etwa an der Supermarktkasse oder auf Augenhöhe im Regal oder Speisen auf kleineren Tellern anzurichten, sodass diese üppiger wirken.

Medizin

Die Widerspruchslösung bei Organspenden, die beispielsweise Länder wie Österreich oder Spanien nutzen, ist ebenfalls ein Nudge. Jeder Bürger wird gesetzlich zum Spender bestimmt – es sei denn, er wird aktiv und ändert dies zu Lebzeiten. Ein weiteres Beispiel sind Warnhinweise und abschreckende Fotos auf Zigarettenschachteln, um den Konsum zu verringern.

Gerade das Beispiel der Organspende zeigt, dass der Einsatz von Nudges durch den Staat behutsam und transparent erfolgen muss und dass besondere Aufmerksamkeit der Frage gelten sollte, welchen Bereich diese Entscheidungen tangieren.

Umwelt

Die bekannteste Art von Nudges sind Standardvorgaben, die sogenannten Defaults. Indem Verbrauchern in Entscheidungssituationen ein optimaler Standard als Vorauswahl angeboten wird, sollen sie in eine empfehlenswerte Richtung "gestupst" werden. Ein bekanntes Beispiel für „Default-Nudges“ gibt es im Bereich der Umweltökonomik. Der Papierverbrauch wurde drastisch reduziert, indem die Drucker der Universität von New Jersey von standardmäßig auf „doppelseitig“ umgestellt wurden. Für die Individuen war es zu umständlich, den Drucker auf „einseitiges Drucken“ umzustellen. Daher wurde automatisch doppelseitig gedruckt.

Verhaltensänderung ist das Ziel

„Nudges“ funktionieren über das Prinzip gute Alternativen anzubieten und zu motivieren anstatt Zwang oder Druck auszuüben. Die für die Gesundheit weniger günstigen Optionen werden unattraktiv oder weniger gut erreichbar, die gesundheitlich positiv bewerteten Möglichkeiten hingegen als begehrenswert und/oder leicht erreichbar präsentiert. Dabei bleibt es aber jeder Person unbenommen sich weiterhin frei zu entscheiden. Dadurch fällt es vielen Menschen leichter, alte Gewohnheiten aufzugeben und ihr Verhalten zu ändern. So funktioniert das „Nudging“ auch dann sehr gut, wenn dem Verbraucher – wie in obigem Beispiel – auf liebgewonnenen Vorlieben wie Pommes statt Gemüse als Beilage zu bestehen dadurch erschwert wird, dass man sich die Mühe einer Sonderbestellung machen muss. Dies haben Studien gezeigt. Nudging setzt dabei am menschlichen Autopiloten an. Dieser befähigt uns zu automatischen, schnellen und weniger reflektierten Entscheidungen.

Kinder sind keine kleinen Erwachsene

Bei Kindern klappt dies hingegen weniger gut als bei Erwachsenen, wie Forscher in den USA herausgefunden haben. Kinder lieben einfach Pommes frites über alles und sie lassen sich den „Spaß“ daran nicht so leicht verderben. Sie vermeiden der Studie zufolge beispielsweise nicht die Mühe einer Umbestellung im Restaurant. „Nudging“ bei Kindern klappt besser, wenn sie sich ad hoc entscheiden müssen und wenig Zeit zum Überlegen haben. Außerdem lassen sie sich offenbar stark davon beeinflussen, was Gleichaltrige tun. Wenn alle anderen Kinder beispielsweise mehr Salat essen, machen vor allem die jüngeren das auch, wie eine amerikanische Verhaltenswissenschaftlerin herausgefunden haben will. Kinder lassen sich auch mit einigen Tricks zu gesünderem Essverhalten animieren, indem beispielsweise Früchte in kleinere Stücke zerteilt angeboten und den Lebensmitteln Fantasienamen gegeben werden oder die Verpackung lustig gestaltet wird.

Fazit

„Nudging“ beruht auf dem Prinzip, Anreize zu geben, die weder stark noch finanzieller Natur sind, um so zu motivieren statt zu verbieten oder gar zu bestrafen. Der Vorteil dabei ist, dass bei konsequenter Anwendung – beispielsweise im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung – eine nachhaltige Verhaltensänderung der Verbraucher erzielt werden kann. Kinder ticken allerdings etwas anders, weshalb gegebenenfalls der Aufwand etwas höher ist, eine Verhaltensänderung herbeizuführen. (sie/ack)

Stand: August 2023

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